Pivní Burza – Beer Exchange 2.0
Brno
CZE

Die Bierbörse. In Deutschland kennt man unter dieser Bezeichnung eine Reihe von Bierfesten, bei denen, einem bierigen Wanderzirkus gleich, ein kleiner Kern von regelmäßig teilnehmenden Brauereien oder Bierständen, angefüttert mit Vertretern aus der Region, über die Sommermonate fast jedes Wochenende woanders Station macht. Auf geeigneten Plätzen in der Innenstadt, in Parks oder Grünanlagen werden für das Wochenende die Bierbuden und -stände aufgebaut, und tausende von Besuchern kommen, um sich unter freiem Himmel durch die Welt der Biere zu trinken. Eigentlich ganz nette Veranstaltungen, auch wenn die – markenrechtlich geschützte – Bezeichnung Bierbörse irreführend ist, denn mit einer richtigen Börse, also einem Handelsplatz, bei dem Angebot und Nachfrage zusammengeführt und davon abhängig die Preise der gehandelten Objekte festgelegt werden, hat die Veranstaltung nichts zu tun.

Auf Tschechisch heißt Bierbörse Pivní Burza, und was man dort unter dieser Bezeichnung erleben kann, kommt der eigentlichen Begriffswelt einer Handelsbörse schon deutlich näher: Mitten in Brünn, in der Jánská-Straße, findet man nämlich die Pivní Burza – Beer Exchange 2.0, eine Bierkneipe, die sich das Prinzip der in Abhängigkeit von der Nachfrage schwankenden Preise zur Grundlage gemacht hat.

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Pivní Burza – Beer Exchange 2.0

Es ist noch früher Nachmittag, als wir nach einem ausgedehnten Einkaufsbummel die Bierbar betreten, und es scheint, als seien wir heute die ersten Gäste. Ein wenig kahl wirkt der Schankraum, mit all den verlassenen Tischen, aber als wir uns setzen und ein junger Mann mit seiner ebenso jungen Kollegin zu uns an den Tisch tritt und beide sich außerordentlich freundlich um uns bemühen, verschwindet der erste Eindruck der Kühle sofort.

Die Bar hieße nicht umsonst Pivní Burza, also Beer Exchange oder Bierbörse, erklären die beiden uns. Acht verschiedene Biere gebe es hier vom Fass, und deren Preise seien abhängig davon, wie hoch die Nachfrage nach dem jeweiligen Bier sei. Dort, sie zeigen auf einen großen, blau leuchtenden Monitor am Ende des Schankraums, würden die jeweils aktuellen Preise angezeigt, mit einem Pfeil dahinter auch die derzeitige Tendenz. Gleiche Monitore hingen überall in den verschiedenen Räumen, und einer sogar im Fenster, damit die Raucher die Bierhandelskurse ebenfalls im Blick hätten, fahren sie fort.

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die aktuellen Bierhandelskurse

In der Mitte jedes Tisches sei ein Touchscreen eingelassen, der ebenfalls die aktuellen Kurse anzeigt, und auf dem man die Bestellungen zum jeweils aktuellen Preis durch einfachen Fingerdruck tätigen könne. Viel technischer Aufwand, aber auch ein großer Spaß sei es, versprechen uns die beiden. Obwohl, ein wenig drucksen sie herum, solange wir die einzigen Gäste seien, wäre es natürlich nicht so spannend, aber nachher, wenn der Laden voll sei, dann gingen die Kurse rauf und runter, und es wäre lustig, auf Bierschnäppchenjagd zu gehen.

Wir können uns das ganz gut vorstellen, sind aber leider nur auf ein schnelles Bier nach dem Einkauf reingekommen und werden ganz sicher nicht bis zum Abend warten, bis es hier voller Gäste sein wird. Aber neugierig das Prinzip austesten wollen wir natürlich schon.

Die acht angebotenen Biere sind durchweg etablierte tschechische Marken, keine wirklichen Exoten. Aber, zum Glück, auch nicht nur aus Großbrauereien. Solide regionale Biere, von mittelständischen Brauereien irgendwo im Land hergestellt. Keine Heineken oder ABInBev Produkte, andererseits aber auch keine exotischen Craftbiere.

Während meine holde Ehefrau bei einem Pfefferminztee bleibt, drücke ich auf dem Touchscreen auf das Ježek, ein einfaches elfgrädiges Lager. Elektronisch wird mir die Bestellung bestätigt, der Preis ebenfalls, und einen Augenblick später kann ich auf dem blauen Monitor sehen, dass der Preis für dieses Bier geringfügig ansteigt. Der Pfeil neben dem Preis färbt sich rot und zeigt nach oben.

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Bestellung auf dem Touchscreen zum aktuellen Kurs

Ein weiter Augenblick, und das Bier steht vor mir. Die wasserstoffblonde Kellnerin zeigt auf den Monitor und auf den Pfeil. „Na zdraví“, lacht sie, „Zum Wohl!“

Das Prinzip funktioniert, und da der Monitor nicht nur die aktuellen Preise und Tendenzen, sondern auch die Minima und Maxima des Tages sowie die historischen Extremwerte anzeigt, kann ich mir lebhaft vorstellen, dass es eine Herausforderung sein wird, ein echtes Bierschnäppchen zu machen und zum richtigen Zeitpunkt zuzuschlagen – immerhin variieren die Preise für einen halben Liter Bier zwischen knapp zehn bis über hundertunddreißig Kronen, umgerechnet also 40 Cent bis über fünf Euro. Gar nicht auszumalen das Gelächter, wenn man sich hier im Freundeskreis zum falschen Zeitpunkt entscheidet und ein Allerweltsbier zum Horrorpreis von hundertunddreißig Kronen bestellt…

Wir suchen uns eine Kleinigkeit zum Essen aus, leckere Burger gibt es hier, und ich drücke erneut auf den Bierhandelsmonitor. Das 12° Premium aus der Brauerei Uherský Brod darf es jetzt sein. Knopfdruck, Bestätigung der Bestellung, und auf dem Monitor geht der Preis nach oben, während der des Ježek langsam beginnt, zu sinken.

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Uherský Brod 12° Premium

Mittlerweile sind ein paar weitere Gäste gekommen, und bei den Bierpreisen kommt etwas Bewegung auf. Hier ein paar Kronen hoch, dort ein paar runter. Die angebotenen Biere sind geschmacklich recht nah beieinander, so dass man den Preis fast als alleiniges Bestellkriterium wählen und recht erfolgreich zocken kann. Individueller Geschmack oder Markentreue hingegen können durchaus teuer werden.

Auf Dauer wird man wohl ganz gut auf einen Durchschnittspreis herauskommen, der auch nicht viel anders ist, als in anderen Bierbars. Es sind keine teuren Craftbiere dazwischen, und auch keine Billigheimer, also Marken, die für die großen Discounter abgefüllt werden, und so pendelt sich doch alles wieder auf Normalniveau ein – aber vorher hat man ein bisschen Zockerspaß gehabt.

Wir trollen uns wieder, werden die Pivní Burza – Beer Exchange 2.0 aber in guter Erinnerung behalten und hier vielleicht mal wieder einkehren. Außerordentlich nette Bedienungen, Jungs wie Mädchen, ein witziges Bestellprinzip, leckere Alltagsbiere und schmackhafte Burger.

Die Pivní Burza – Beer Exchange 2.0 ist täglich von 15:00 bis 01:00 Uhr durchgehend geöffnet; sonntags ist Ruhetag. Durch die Lage noch in der Fußgängerzone ist die Bierbar problemlos zu erreichen; von der Straßenbahnhaltestelle Malinovského Náměstí mit den Linien 2, 4 und 11 sind es keine zwei Minuten Fußweg.

Bilder

Pivní Burza – Beer Exchange 2.0
Jánská 16
602 00 Brno
Tschechien

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