Jürgen Roth
Die Poesie des Biers

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Jürgen Roth
Die Poesie des Biers

Schwere Bierliteratur – im wahrsten Sinne außerordentlich schwere Literatur über Bier, vom Bier, mit Bier, zum Bier. Nur auf keinen Fall statt Bier. Das wäre zu trocken. Das ist das Buch von Jürgen Roth – Die Poesie des Biers.

Anderthalb Pfund, achthundert Seiten. Formal ist es noch ein Taschenbuch, ein Paperback, aber beim Praxistest versagt es – es passt nicht nur nicht in die Hosentasche, sondern noch nicht einmal in die Beintasche einer Arbeitshose oder gar in die durchaus geräumige Handtasche meiner Ehefrau. Obwohl, in letztere theoretisch vielleicht schon, aber dann müsste so viel anderer Kram aus der Tasche raus, dass die dann unweigerlich folgende Ehekrise den Genuss an der Lektüre doch erheblich schmälern würde.

Ich habe Die Poesie des Biers also in den vergangenen Wochen immer in einem kleinen Rucksack mit mir herumgeschleppt. Taschenbuch, ha! Von wegen! Aber es tat gut, beim Warten auf Busse oder Bahnen oder im Stau auf deutschen und tschechischen Autobahnen, im Biergarten, im Hotelzimmer oder in der Arbeitspause, vom Bier philosophieren zu können, beziehungsweise die Philosophie anderer lesen zu können.

Bier ist weit mehr als ein Getränk. Bier kann eine Weltanschauung sein, ein Kulturgut, ein Zeitvertreib. Es kann zur Besessenheit ausarten, oder doch wenigstens zum zeitintensiven Hobby. Und es kann die Gedanken und die Zunge anregen, so wie Jürgen es selbst schreibt: „Eindrucksvoll vielfältig ist die Alltagspoesie selbst, die der Zungenlöser und Geselligkeitsförderer Bier anregt.“

In ungeheurer Fleißarbeit hat er kurze Essays, Bemerkungen, Geschichten, Erlebnisse und Dialoge gesammelt, geschrieben, erdacht und 570 Seiten seines Buchs damit gefüllt. Man kann die Texte hintereinander lesen, man kann aber auch einfach nur stöbern, mal hierhin, mal dahin blättern. Was man nicht kann, ist, es mal eben nebenbei zu lesen, während man fernsieht, telefoniert oder sich mit der Oma unterhält. Denn Jürgen ist Sprachwissenschaftler, und das spiegelt sich in seinem Stil wider. Die Sätze sind lang, die Strukturen komplex, der Wortschatz gewaltig und die spannenden, teilweise geradezu irrealen Wendungen manchmal mitten im Satz viel zu anspruchsvoll, als dass man diagonal lesen könnte. Nein, dieses Buch erzwingt Aufmerksamkeit.

Keine Sorge, es ist nicht so abschreckend komplex geschrieben, wie die Werke vieler deutscher Philosophen, bei denen man gelegentlich den Eindruck bekommt, die vieldimensionale Satzstruktur und unerträgliche Länge einzelner Sätze diene nur dazu, davon abzulenken, dass der widergegebene Gedanke eigentlich ein ganz simpler, einfacher, wenig origineller ist, den man auch in weniger Worten hätte zu Papier bringen können. Nein, hier ist es vielmehr so, dass jemand zwei Hobbys und Berufungen zueinander bringt und aufs Beste miteinander vereint: Den Spaß am Bier und die Freude an der Sprache.

Hat man sich nach wenigen Seiten bereits in Jürgens Stil hineingefunden, beginnt ein Lesevergnügen, eine Lesereise durch die Bars und Kneipen dieser Welt. Vom Getränkekiosk und der Bahnhofskneipe in der deutschen Provinz bis hin zu Bierbars und Brauereien in aller Welt. Wo es Bier zu trinken gibt, findet sich Jürgen Roth ein, beobachtet die Menschen, lauscht ihnen, schreibt mit, gibt seinen Senf dazu. Krachende Schenkelklopfer, besinnlich-nachdenklicher Humor, feinsinnige Satire, grobschlächtige Hau-drauf-und-Schluss-Geschichten.

Viel zu schnell sind die 570 Seiten freier Bierpoesie gelesen. Aber es gibt ja auch noch einen Anhang. Alphabetisch geordnet nach Biermarken und sonstigen Stichworten gibt es auf weiteren 230 Seiten kurze Informationen aus der Welt des Bieres. Jürgen scheut sich nicht, Politiker zu ihrem Nachteil, manchmal auch zu ihrem Vorteil zu zitieren, sie zu porträtieren, sie vorzuführen; Biermarken werden verkostet und für gut befunden, meistens allerdings für schlecht; Fachbegriffe werden erläutert, eigenwillig interpretiert, originell hinterfragt. Ein buntes Sammelsurium.

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mit Widmung des Autors

Aufmerksam bin ich auf dieses Buch geworden, als ich im Februar diesen Jahres in Sylvia Kopps Berlin Beer Academy bei Jürgen Roths Autorenlesung war und einen feuchtfröhlichen, zweieinhalbstündigen Abend verbrachte – einen Abend mit Gewittern der Sprachgewalt, aber auch mit einem unkomplizierten, kumpeligen Autor, der am liebsten mit all seinen Zuhörern anschließend einen Zug durch die Berliner Bierszene gemacht hätte. Viele Biere hatten die Lesung begleitet, vom Lachen heiser saßen wir noch zusammen, und es schloss sich der schwierigste Teil an, nämlich das Signieren der Bücher. Statt sich auf die Widmungen zu konzentrieren, wurde weiter gealbert, philosophiert und gedanklich schon der nächste Baustein Bierpoesie geformt. Grandios!

Jürgen Roth
Die Poesie des Biers
Oktober Verlag
Münster 2010
ISBN 978-3-938568-91-0

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