Bratislava – eine der kleinsten Hauptstädte in Europa. Immer hat Preßburg, wie die Stadt früher hieß, im Schatten gestanden. Im Schatten der großen und leuchtenden Nachbarstadt Wien oder, zu Zeiten der Tschechoslowakei, der goldenen Stadt Prag.
Gleiches gilt für die Bierkultur in der Slowakei – stets überstrahlt von den Nachbarn. Das tschechische Bier mit seinem dezenten Diacetyl-Touch ist weltberühmt; das slowakische hingegen, das sich eher als unauffällig glatter Begleiter des Alltags erweist, kennt niemand. So trinken die Slowaken allein vor sich hin und warten darauf, dass die Biergenießer der Welt das kleine Land mit seiner kleinen Hauptstadt entdecken.
Laufen wir nach dem obligatorischen Besuch der Burg und dem weiten Blick ins Donautal den Burgberg hinab in Richtung Stadt, so passieren wir die Zámocký Pivovar, die Schlossbrauerei, die leider Ende des Jahres 2018 geschlossen wurde, und erreichen den Zentralplatz, den Hviezdoslavovo Námestie. Wer es darauf anlegt, kann die hübschen Gassen der Altstadt Bratislavas von hier aus in rund einer Stunde komplett abwandern, wir aber kehren zunächst in die 17’s Bar ein, trinken eines der zehn hier angebotenen Fassbiere, von denen die lokalen Biere regelmäßig durchwechseln, während die großen Marken wie das Topvar, das Šariš (beide gehören über Pilsner Urquell zum Asahi-Konzern) oder das zu Heineken gehörende Zlatý Bažant, aber auch das tschechische (!) Budweiser ihren festen Zapfhahn haben, und beobachten durch die Fenster das geschäftige Treiben auf dem Platz.
So gestärkt machen wir uns jetzt auf den Weg, ignorieren die Touristenfallen, die mit billigem Industriebier locken und kehren hinter einer unscheinbaren, grauen Fassade im Panský Hostinec, dem herrschaftlichen Gasthaus, ein. Die langgestreckten Tonnengewölbe sind mit bierigen Reklameschildern dekoriert, die wie Gemälde edel gerahmt sind, und die Getränkekarte überrascht mit einer bunten Mischung tschechischer, slowakischer und belgischer Biere – sechs vom Fass und viele aus der Flasche. Dazu gibt es deftige lokale Gerichte, die sich in erster Linie rund ums Schweine- und Rindfleisch definieren.
Jetzt haben wir schon einmal einen ersten Einblick in die slowakische Bierszene gewonnen, und wollen uns nun die hiesigen Brauereien anschauen. Nur wenige Minuten sind es in Richtung Norden bis zur Kláštorný Pivovar, der Klosterbrauerei, die im Tiefgeschoss einen der größten Restaurantbereiche Europas beherbergt. Ebenerdig sehen wir nur paar Tische draußen vor der Tür, drinnen einen kleinen Schankraum mit einem unauffälligen Sudwerk, und auf der Karte finden wir eine Handvoll selbstgebrauter Biere, von denen das Leichtbier Dobre Pifko mit gerade einmal 9° Stammwürze im Sommer wunderbar erfrischt.
Ein paar Schritte weiter, und wir stehen vor der Stadtbrauerei, der Bratislavský Meštiansky Pivovar. Nur zwei Biersorten gibt es hier, ein helles Lager – Ležiak – und ein dunkles – Bubák. Beides sind mit 12° Stammwürze klassische Vollbiere, nicht zu stark gespundet und sehr süffig, und so passen sie hervorragend zur lokalen Küche, die mit deftigen Hauptgerichten wie Bryndzové Halušky (Spätzle mit Brimsen, einem deftigen Schafskäse), Strapačky (Kartoffelnocken mit Kraut) oder Krkovičky (Schweinenackensteaks) und mit von den österreichischen Nachbarn abgeguckten leckeren Mehlspeisen, zum Beispiel Palačinky (Palatschinken) oder Parené Buchty (Dampfnudeln), überzeugt.
Ganz anders als diese beiden klassischen Gasthausbrauereien präsentiert sich die Fabrika, einige Minuten Fußweg jenseits des Präsidentenpalastes. Schon von weitem gleißen die blitzblankpolierten Edelstahlgeräte des Sudwerks durch die großen Scheiben, grell von Scheinwerfern angestrahlt. Modernität und Chic sind Trumpf. Neben den klassischen hellen und dunklen Lagern gibt es hier auch Pale Ale und Amber sowie ein frisches und fruchtiges Weizen. Überall auf den Tischen stehen Körbchen mit Erdnüssen, und so genießen die Gäste die Biere und die Szene-Küche und pulen derweil eine Nuss nach der anderen aus der Schale. Sollten wir für heute genug Bier getrunken haben, können wir uns im angegliederten jugendlich-modernen, aber komfortablen Hotel für eine Nacht ausruhen.
Alternativ machen wir einen längeren Spaziergang in Richtung Osten und kommen nach zwanzig Minuten etwas außerhalb der Altstadt in die winzige Brauerei Richtár Jakub. Wenn wir die unauffällige Tür zum Tiefgeschoss des Wohnhauses gefunden haben, empfängt uns im Keller eine kleine und gemütliche Bierstube, in die sich normalerweise kein Tourist verirrt. Freundliche junge Damen und Herren zapfen aus zehn Hähnen das auf einer winzigen Anlage selbstgebraute Bier. Die Sorten wechseln ständig, aber was allen gemein ist: Die Preise sind extrem niedrig, dafür ist die Qualität sehr hoch. Ein kleines und verstecktes Juwel der Braukunst, das seit seiner Gründung 2009 den Charakter eines liebevoll improvisierten Familienbetriebs nie so ganz abgelegt hat und deren Betreiber vermutlich weder von der Craftbier-Bewegung noch vom Hipstertum rundherum jemals etwas gehört haben.
Ebenfalls klein und unauffällig, aber nicht ganz so versteckt, ist die 2012 gegründete Starosloviensky Pivovar am Nordrand der Altstadt. Auch sie gehört – wie die Brauerei Richtár Jakub – zu den Brauereien der Stadt, die als familiärer Betrieb mit wenig eigenen Mitteln entstanden sind und denen man dies durchaus anmerkt. Die Hofeinfahrt wird mit ein paar Bierbänken zum Biergarten, und ein selbstgezimmerter Wintergarten hinter dem Haus ergänzt den kleinen Schankraum. Was an professioneller Ausstattung und Einrichtung fehlt, wird durch die Herzlichkeit des Personals und die einladende Stimmung wieder wettgemacht. Wer hier nicht spätestens nach dem zweiten Bier mit den Einheimischen in Kontakt gekommen ist, dem ist nicht zu helfen. Die vielen verschiedenen Biersorten, die auf einer winzigen Anlage entstehen, kann man – wie in der Region üblich – in frisch gefüllten PET-Flaschen mitnehmen und sich so für ein paar Tage noch die Erinnerung an einen schönen Brauereibesuch erhalten.
Anders als bei vielen typischen Gasthausbrauereien werden die Sudwerke, auf denen die leckeren Biere bei Richtár Jakub und der Starosloviensky Pivovar entstehen, nicht groß zelebriert. Weder stehen sie Altaren gleich dominant in der Mitte des Schankraums, noch wird, wie anderswo manchmal üblich, mehr Zeit in das Putzen, Polieren und Dekorieren als in das Brauen investiert. Irgendwo stehen die Gerätschaften halt herum, und wichtiger als deren Aussehen ist, dass das darauf entstehende Bier den Gästen schmeckt.
Einmal nur um den Häuserblock herum brauchen wir zu gehen, um zum 1. Slovak Pub zu kommen. Trotz des Namens handelt es sich hier allerdings nicht um ein Pub, sondern um ein sehr schönes Restaurant, das mit sage und schreibe elf verschiedenen, jeweils einem historischen Thema folgend eingerichteten Gasträumen und ausgezeichneter regionaler Küche verwöhnt. Ob aber Ritterstube, Schäferhütte oder der Raum der Missionare Kyrill und Method – überall gibt es frisch gezapftes Bier der Kláštorný Pivovar, und so stärken wir uns hier für einen letzten, etwas weiteren Spaziergang, der uns über die neue Donaubrücke führen soll.
Hoch oben auf dem schrägen Brückenpfeiler thront das sogenannte UFO, ein Café-Restaurant in futuristischen Stil, von dem aus wir einen herrlichen Blick auf die Stadt, die Burg und den Fluss haben. Und dort, auf dem Fluss, sehen wir ein ganz besonderes, fest verankertes Schiff: Die Dunajský Pivovar. Die erste schwimmende Brauerei des Landes. 2014 wurde sie eröffnet. Vorsichtig laufen wir über die schmale Gangway und kommen direkt auf das kleine Sudwerk zu. Linker Hand folgt dann eine kleine Theke, hinter der sechs silbrig-glänzende Lagertanks stehen, und danach kommt der Schankbereich. An großen Panoramafenstern sitzend genießen wir den Blick auf den Fluss, die Silhouette der Stadt, die ruhig vorübergleitenden Schiffe und den fast schon kitschigen Sonnenuntergang. Das Bier im Glas vor uns leuchtet rötlich golden, der knusprige Schweinsbraten und die Knödel dampfen, und wir lassen eine bierige Städtetour in romantischem Ambiente langsam ausklingen.
Bratislava – eine Stadt, deren Bierszene sich gerade zu entwickeln beginnt und noch mit nachdenklichem Kopfschütteln auf den Hype rund ums Craftbier blickt. Sie wird in den nächsten Jahren bestimmt noch die eine oder andere schöne Überraschung bereithalten.
Interessante Adressen in Bratislava:
1. Slovak Pub, Obchodná 62
17’s Bar, Hviezdoslavovo Námestie 17
Bratislavský Meštiansky Pivovar, Drevená 8
Dunajský Pivovar, Tyršovo Nábrežie
Fabrika – The Beer Pub, Štefániková 4
Kláštorný Pivovar, Námestie SNP 8
Panský Hostinec, Panská 248/7
Pivovarský Hostinec Richtár Jakub, Moskovská 16
Starosloviensky Pivovar, Vysoká 15
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