Paname Brewing Company
Paris
FRA

Nachtrag 2. Mai 2023: Etwas über sieben Jahre ist es her, dass ich in der Paname Brewing Company eingekehrt war. Das Wetter war seinerzeit mäßig, und sehnsüchtig habe ich mir vorgestellt, wie es wohl im Frühling im Sonnenschein wäre: „Im Frühjahr, wenn der große Kirschbaum auf der Terrasse blüht und der Ponton vor der Brauerei vollbesetzt mit Gästen sein wird, die in den ersten Strahlen der Frühlingssonne die Wärme genießen – ach, dann wird es hier noch viel schöner sein.“

Heute ist Frühling. Strahlend blauer Himmel, weiche und warme Frühlingsluft, ein laues Lüftchen, gerade stark genug, die Autoabgase rasch zu verteilen. Gemütlich schlendere ich mit meiner holden Ehefrau an der Promenade des Bassin de la Villette entlang, voller Vorfreude auf ein oder zwei Tagesabschlussbierchen.

Mit etwas Glück finden wir sogar einen Platz draußen auf dem Ponton und können Sonne und Wasser genießen, und in allerbester, entspannter Atmosphäre lassen wir einen ereignisreichen Tag in Paris ausklingen.

Vier interessante Biere gibt es dazu, und ich achte bewusst darauf, nicht zu alkoholstarke auszuwählen, die uns in der Wärme zu sehr zusetzen könnten.

Den Auftakt macht das 4,2%ige Session IPA Louise la Rebelle, das uns mit frischen Hopfenaromen, einer hellen, gelbe Farbe und einem fruchtigen Charakter erfreut. Genau das Richtige für ein Bier in der Nachmittagssonne.

Es folgt das 4.6%ige Oeil de Biche, ein Pale Ale, das mir seinerzeit, also vor sieben Jahren, recht gut gefallen hatte. Ob ich mittlerweile anspruchsvoller geworden bin oder das Bier schlechter, bleibt jetzt eine offene Frage, aber ich empfinde das Bier als leicht dumpf und leicht säuerlich, so, als sei es vielleicht der Nachtwächter aus der Zapfanlage. Was allerdings unwahrscheinlich ist, da der Laden rappelvoll ist und die Gäste schon trinken, was das Zeug hält …

Louise la Rebelle & Oeil de Biche

Bier Nummer 3 ist ein 3,9%iges Piwo Grodziskie, ein historischer Stil aus Polen, der vor rund zehn Jahren fast schon als ausgestorben galt. Ein leichtes Rauchweizen mit einem normalerweise sehr oxidiert wirkenden Charakter – dezent adstringierend und mit kräftigen Aromen nach feuchtem Karton, die durch die Phenole des Rauchmalzes noch fleißig unterstrichen werden. Ich trinke es gewissermaßen nur aufgrund einer Kombination aus Neugier und Forscherdrang …

Aber was soll ich jetzt sagen? Ich bin schlichtweg begeistert und muss feststellen, dass hier und heute die Franzosen den Maßstab für das bisher beste Bier im Grätzer Stil setzen. Eine hohe und erfrischende Spundung, eine feine, geradezu knisternde Frische („crispy“ nennen das manche Feinspitze unter den Biertrinkern), ein dezentes Raucharoma, aber auch eine völlige Abwesenheit von Kartonaromen, adstringierenden Tanninen und oxidiert wirkenden Phenolen. Sehr schön!

Das Telefon klingelt: „Mama, Papa, kommt Ihr jetzt langsam mal rüber? Wir wollten heute Abend doch noch was gemeinsam unternehmen …“

Also nur noch ein letztes Bier, und aus ist der Traum vom Sundowner am Bassin de la Villette.

Piwo Grodziskie & Irish Classic

Das Irish Stout namens Irish Classic hat 4,3% Alkohol, ist trotz seines niedrigen Alkoholgehalts schön aromatisch, hat einen dezenten Röstmalzcharakter, eine feine Süße und trinkt sich angenehm weich.

Schön – denn nichts ist doofer, als wenn ausgerechnet das letzte Bier eines schönen Brauereibesuchs nichts taugt …

Paname Brewing Company

Das Bassin de la Villette ist vor über zweihundert Jahren von Napoleon zur Verbesserung der Trinkwasserversorgung von Paris angelegt worden. Mit rund 700 m Länge und 70 m Breite ist es das größte künstliche Gewässer von Paris und dient mittlerweile als Naherholungsgebiet. An seinem Südende befindet sich die eindrucksvolle Rotonde, die einmal als Zollhaus diente, und an seinem Nordende, am Quai de la Loire seit Juni 2015 die Paname Brewing Company.

Das große Gebäude direkt am Wasser, nein, gefühlt sogar im Wasser stehend, sieht schon aus der Ferne gemütlich und einladend aus. Ich gehe über die Terrasse und ein paar Stufen hoch und stehe mitten im loftähnlichen Schankraum. Linker Hand ist er wie ein Wintergarten in drei Richtungen voll verglast – man sitzt an seinem Tisch und schwebt förmlich über dem Wasser des Bassins, sieht die Yachten der Pariser, die Joggerinnen und Jogger, die um das Bassin laufen und unermüdlich eine Runde nach der anderen drehen. Fast könnte man ein schlechtes Gewissen bekommen, hier bei Bier und leckerem Essen zu schwelgen.

man sitzt quasi über dem Wasser

Aber ach, weg mit dem schlechten Gewissen – schließlich ist es doch das Bier, wessentwegen ich mit der U-Bahn hierhergefahren bin und einen schönen Spaziergang am Bassin entlang gemacht habe. Da werde ich mir doch von den Sportlern den Spaß am Genuss nicht verderben lassen!

Ich lasse den Blick über die Bar schweifen. Acht Zapfhähne sehe ich, mal wieder viel mehr, als ich an einem Abend verkosten kann. Ein leichter, erfrischender Auftakt soll es sein, und so beginne ich mit dem Casque d’Or, einem Saison. Gelblich trüb steht es in dem Glas vor mir, ein kräftiger Geruch nach einer nur wenig domestizierten Hefe und ein nicht minder kräftiger Geschmack. Ein robustes Bier, das aber nach einer Begleitung durch ein leckeres Essen verlangt.

Blick auf die Bar

Ich spähe rüber zur Küche, die um halb sieben erst aufmachen soll. Es ist zwanzig nach sechs, und der Koch ist schon am Wirtschaften. Ein fragender Blick, und ein beruhigendes Nicken, ja, ich kann schon bestellen. Und wenige Minuten später steht die Mezze-Platte vor mir. Kleine Speisen, Falafel, Hummus, dazu ein Korb mit Brot, appetitlich serviert auf einer Schieferplatte. Fein schaut es aus, und genauso gut schmeckt es auch.

eine Mezze-Platte

Ich genieße mein Bier, die kleinen Speisen, den Blick über das Bassin. Ruhige und entspannte Atmosphäre, ein bunt gemischtes Publikum. Alle Altersklassen, aus aller Herren Länder. Ein buntes Sprachgewirr an den Tischen. Ab und an läuft jemand an die Bar, holt sich ein neues Bier, schäkert ein wenig mit dem Personal am Tresen. Der Stress und die Hektik, die Paris in der Innenstadt so auszeichnen, sind weit weg.

Mein zweites Bier, das Œil de Biche, ein Pale Ale. Kupferfarben und blank filtriert kommt es ins Glas. Ich schaue verdutzt und frage den Barmann, warum man das Pale Ale denn filtriere, aber er zuckt nur mit den Schultern: „Keine Ahnung, aber die Leute mögen es so!“ Ein feines Hopfenaroma, ein milder, malziger Körper, eine nur geringe Bittere. Kein echtes Pale Ale, eher ein subtil gehopftes Speciale, trotzdem aber sehr lecker.

Blick auf das Sudwerk

Das Sudwerk steht am anderen Ende des Schankraums. Blitzender Edelstahl. Kessel, Pfannen, Tanks, alles steht dicht an dicht. Eine verwirrende Verrohrung dazwischen. Dicke Holzbalken tragen das Dach der Halle, an einem ist das Firmenschild von Zip Technologies angebracht, dem Hersteller des Sudwerks. Schön schaut es aus, mit dem stählernen Glanz ein schöner Kontrast zu den Eichenbalken, und gemeinsam mit den rohen und unverputzten Wänden und dem Maschendrahtgitter vor der Küche schafft es eine Werkstattatmosphäre. Entstünden hier statt Bier grobe Maschinenteile, so würde die Atmosphäre gar nicht so viel anders sein. Nur der Lärmpegel viel höher …

Auf dem Weg zurück zu meinem Tisch gehe ich an der Bar vorbei und bestelle mir noch ein drittes kleines Bier, ein Barge du Canal IPA. Auch dieses ist gefiltert. Fein kupferglänzend lacht es mich an. Ein dezentes, fruchtiges Hopfenaroma mit Ananas- und Mango-Noten überzeugt, und der Geschmack ist schön ausgewogen. Präsente Bittere, aber nicht zu dominant, sondern harmonisch in eine leichte malzige Restsüße eingebettet. Fein!

das Barge du Canal IPA

Ein netter Anlaufpunkt. Ich gehe langsam am Bassin de la Villette wieder in Richtung Süden, sehe noch einmal zurück. Im Frühjahr, wenn der große Kirschbaum auf der Terrasse blüht und der Ponton vor der Brauerei vollbesetzt mit Gästen sein wird, die in den ersten Strahlen der Frühlingssonne die Wärme genießen – ach, dann wird es hier noch viel schöner sein. Hier, am Quai de la Loire, in einem Viertel, das noch vor wenigen Jahren einen zweifelhaften Ruf hatte.

Die Paname Brewing Company ist täglich von 11:00 bis 02:00 Uhr morgens durchgehend geöffnet; kein Ruhetag. Lediglich die Küche macht am Nachmittag Pause. Zu erreichen ist die kleine Brauerei am besten mit der U-Bahnlinie 5, Station Laumière. Oder man wählt die besser erreichbare Station Stalingrad der Linie 2 und macht einen zehnminütigen Spaziergang am Ufer des Bassins entlang.

Bildergalerie

Paname Brewing Company
41 bis Quai de la Loire
75 019 Paris
Frankreich

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