Cerveteca Lisboa
Lisboa
PRT

Jetzt wäre ich an der Cerveteca Lisboa doch beinahe zum zweiten Mal vorbeigelaufen… Die Passanten schauen schon auf mich und halten mich für einen der Pokémon-Go-Spieler. Gebückt auf den Bildschirm des Telefon schauend laufe ich über den Praça das Flores. Mit dem einzigen Unterschied, dass ich nicht nach Pokémon-Monstern Ausschau halte, sondern wie immer auf der Pirsch nach gutem Bier bin – in diesem konkreten Fall auf der Suche nach der Bierbar Cerveteca Lisboa.

Aber da ist sie ja. Keine Beschriftung an der Hauswand, kein Wirtshausschild, lediglich ein unauffälliger Schriftzug an der äußeren der beiden Glastüren. An der, die weit geöffnet und an die Wand angelehnt ist, so dass man die Aufschrift überhaupt nicht lesen kann. An der zweiten, besser einsehbaren Glastür lediglich das Schild „Come in, we’re open“, das natürlich auch in einem Frisör- oder Modeladen hängen könnte.

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Ikea Style

Jetzt aber hinein! Helles Holz empfängt mich, einfache Tische und Stühle, an der Wand ein großes Ikea-Regal, randvoll mit Bieren aus Kleinstbrauereien der ganzen Welt. Daneben ein Kühlschrank mit Einzelflaschen. Ein gemütliches Sofa in der Ecke, und überall an den Wänden nette, moderne Bierdekoration. Schlicht, einfach, aber dennoch einladend.

Die zweigeteilte Theke bietet in zwei Batterien zu je sechs Zapfhähnen ein Dutzend Fassbiere – zwei bis drei davon jeweils lokal aus Portugal, die anderen aus dem Rest der Welt. Als allererstes, am Hahn Nummer 1, das Weihenstephaner Weißbier. Wie gestern schon im LisBeer beobachtet, hat deutsches Weißbier einen guten Ruf in der Lissaboner Bierszene, auch wenn es aus großen Bierfabriken kommt.

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die zweigeteilte Theke

Lissabon glüht im Hochsommer – es ist Mitte Juli, den Tag über hatten wir Temperaturen weit über 30°, und trotz der leichten Brise vom Atlantik kühlt es abends nur langsam ab. Mir steht also der Sinn nach etwas Leichtem, Erfrischendem. Ein Session IPA mit gerade einmal 4,2% Alkohol von Dugges, das All The Way, scheint mir das Richtige. Und in der Tat – leicht fruchtig, erfrischend herb, gut trinkbar. Eine glückliche Wahl.

Ich inspiziere das Bierregal. Neben den Granden der Internationalen Craftbier-Szene, wie To Øl, Brewdog, De Molen, Emelisse, Rogue, Evil Twin, Lervig (man merkt, dass ein gutes Distributionsnetz auch in der Craftbier-Szene lebenswichtig ist), sehe ich aber auch all die neuen, kleinen portugiesischen Brauereien, die in den letzten zwei, drei Jahren erst entstanden sind: Aroeria (also das Bier aus dem Duque Brewpub), Dois Corvos, Letra, LX, Maldita, Musa, Oitava Colina, Passarola, Post Scriptum. Nach einigen Tagen in Lissabon sind mir die Namen bereits vertraut, ich verbinde schon das eine oder andere schöne Geschmackserlebnis mit diesen Bieren.

Einzelne Flaschen davon stehen im Kühlschrank daneben, zum Mitnehmen und zum Genuss auf dem Heimweg oder auf einer der Bänke auf dem Platz draußen. Aber auch unter der Theke und im Hinterraum gibt es noch Kühlmöglichkeiten, und der freundliche Barmann sucht gerne nach genau dem einen Bier, was man unbedingt jetzt gerade probieren möchte. So jetzt gerade für meinen lettischen Bekannten Georgijs, mit dem ich hier eingekehrt bin. Es muss partout das Martins Ginger Beer von Oitava Colina sein, bildet er sich ein, und der Barmann klappert nun schon seit einer Weile mit den Flaschen unter der Theke. Aber da, endlich: Er hat die gekühlte Flasche entdeckt, tauscht sie gegen die warme aus dem Holzregal aus, und Georgijs kann sich endlich sein Ingwerbier einschenken.

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bierige Dekoration

Auch dieses Bier bei der Hitze eine gute Wahl. Schön ausbalancierte Ingwernoten, nicht zu scharf, nicht zu dominierend. Fruchtig frisch, stattdessen.

Ich wähle derweil noch ein kleines Gläschen vom To Øl Tangerine Cream. Ein Cream Ale, hopfig-aromatisch, aber auch weich, malzig und rund. Irgendetwas schwimmt in meinem Glas – ich gehe zur Theke und reklamiere, es mag etwas hineingeweht oder gekrümelt sein. Anstandslos bekomme ich ein neues Bier gezapft, keine Diskussion. Guter Service.

Überhaupt gefällt mir die sehr ruhige und ausgeglichene Art des Barmanns. Sehr freundlich, aber nicht geschwätzig, wortkarg fast, lässt er sich nicht aus der Ruhe bringen, hört jeden noch so leise und beiläufig geäußerten Wunsch und arbeitet gleichmäßig und zuverlässig alles ab. So soll es sein!

Ein kleines Fazit: Etwas unauffällig und daher nicht auf den ersten Blick zu finden, dann aber nett, mit einem guten Service und einem interessanten Bierangebot. Prima hier!

Die Cerveteca Lisboa ist täglich ab 15:30 Uhr durchgehend geöffnet. Neben einem Dutzend wechselnden Fassbieren gibt es ‘zig Flaschenbiere, zum Essen gibt es dazu kleine Barsnacks, Käse, Schinken, Lachs, ein paar Brotaufstriche. Nichts Großes, nur kleine Begleiter zum Biergenuss. Zu erreichen ist die Cerveteca Lisboa am besten mit dem Stadtbus 773, Haltestelle Praça das Flores, schräg gegenüber. Angesichts der vielen Lissaboner Hügel ist der Fußweg vom Bahnhof Cais do Sodré zwar nicht zu weit, aber beschwerlich.

Nachtrag 1. November 2016: Diesmal brauchte ich keine Pokemons zu jagen und mich über das Smartphone beugen – ich wusste noch, wo ich zu suchen hatte. Und dementsprechend fanden wir die Cerveteca Lisboa diesmal auch blitzschnell.

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Bierprobe

Und was soll ich sagen: Auch meine holde Ehefrau war begeistert. Schlichtes, aber ansprechendes Ambiente, leckere Biere, freundliche Bedienung. Was will man mehr? Würde man mit aller Gewalt einen Nachteil an der Cerveteca Lisboa suchen wollen, bliebe, glaube ich, nur die Tatsache, dass es hier nur relativ wenig portugiesische Craftbiere vom Fass gibt – die Masse der Zapfhähne ist mit internationalen Bieren bestückt. Aber die haben es unverändert in sich!

Bilder

Cerveteca Lisboa
Praça das Flores 63
1200-192 Lisboa
Portugal

3 Kommentare

  1. Ein, wie immer, toller Artikel! Nur das Wort „Bierfabrik“ im Zusammenhang mit Weihenstephan finde ich unpassend. Das trifft vielleicht für Paulaner zu, hier klingt es aber so, als wäre Weihenstephan eine ähnlich große Brauerei…

    • Danke für Deine netten Worte, Johannes.

      Bierfabrik? Vielleicht ist es ein wenig scharf, da hast Du wahrscheinlich recht, aber eine experimentelle Kleinbrauerei ist Weihenstephan nun auch nicht gerade. Es bedarf schon einer gewissen Mindestproduktionsgröße, um so im europäischen Ausland vertreten zu sein, wie es Weihenstephan ist.

      Aber auch BrewDog hat beispielsweise mittlerweile die Szene der kleinen Kreativen verlassen und tobt sich sehr kommerziell mit merkwürdigem Geschäftsgebaren aus. Alles ist im Fluss.

      Spannend, das alles zu beobachten.

      Mit bestem Gruß,

      VQ

      P.S. Der Artikel ist übrigens mehr als zwei Jahre alt – ich habe ihn nur noch einmal aus Frühlingssehnsucht verlinkt…

      • Hallo Volker,

        dass der Artikel schon so alt ist habe ich leider erst nach meinem Kommentar bemerkt, aber das macht ja nichts. Nimmt man die Belgier als Beispiel, dann muss man nicht „groß“ sein um im Ausland vertreten zu sein. Dupont zB ist sehr klein, trotzdem sieht man sie überall. Und so ist Weihenstephan auch. Man arbeitet einfach mit guten lokalen Partnern zusammen, dann spielt die eigentliche Größe keine Rolle.

        MfG,
        Johannes

        P.S.: BrewDog ist eine komplett andere Liga…

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