Haus- und Hobbybrauertage 2010
Schwalenberg

In Ostwestfalen, genauer gesagt, in Schieder-Schwalenberg, und noch genauer, im Ortsteil Schwalenberg fanden vom 27. bis zum 29. August 2010 die Haus- und Hobbybrauertage 2010 statt.

Ein kleiner Blick zurück in die Geschichte: Im Jahr 2004 begann eine kleine Gruppe Schwalenberger mit der wahrhaft herkulischen Aufgabe, ein kleines, altes und recht ungepflegtes, aber unter Denkmalschutz stehendes Gebäude in der Nähe des Schwalenberger Friedhofs zu renovieren und als Brauhaus herzurichten. Das Brauen hatte viele Jahrhunderte Tradition in Schwalenberg gehabt, war aber Anfang des letzten Jahrhunderts gewissermaßen ausgestorben. Die Schwalenberger Brauzunft, so nannte sich der frisch gegründete Verein, hatte sich vorgenommen, diese Tradition wieder zu beleben und in dem kleinen Brauhaus tatsächlich wieder Bier zu brauen.

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das Brauhaus der Schwalenberger Brauzunft

Ein paar Jahre harte Arbeit sind seitdem ins Land gegangen, und das Brauhaus steht mittlerweile prächtig da. Regelmäßig finden Brautage statt, und die Schwalenberger Brauzunft hat es zu regionaler Bekanntheit, gar Berühmtheit gebracht.

Was lag also näher, als die Haus- und Hobbybrauertage auch einmal hier zu veranstalten?

Bereits ein ganzes Jahr vorher verteilten die Brauer aus Schwalenberg ein kleines Heftchen mit einem ausführlichen Programm, und es wurde deutlich, dass hier eine hervorragende Organisation zu arbeiten begonnen hatte. Nicht nur die Brauzunft, sondern der ganze Ort stand hinter der Idee, und neben den Standardveranstaltungen der Haus- und Hobbybrauertage, also der Jahreshauptversammlung und dem Hausbrauwettbewerb, stand eine Reihe weiterer Aktivitäten auf dem Programm. Bis hin zu einem bunten Markttreiben in der Altstadt war an alles gedacht, und aufgrund regionaler Verbundenheit war es der Brauzunft sogar gelungen, den ehemaligen Bundesaußenminister Frank-Walter Steinmeier als Schirmherrn zu gewinnen.

Was leider auch bei perfekter Planung immer dem Zufall überlassen bleibt, das ist das Wetter. Strömender Regen begleitete die Anreise der Teilnehmer aus ganz Deutschland, und unweit Schwalenbergs war es sogar zu Überschwemmungen gekommen. Der guten Laune der Haus- und Hobbybrauer tat dies zwar keinen Abbruch, aber die Teilhabe der regionalen Bevölkerung am bunten Markttreiben litt unter den Regengüssen doch ein wenig.

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der Rathaussaal

Im wunderbar renovierten und eindrucksvoll gestalteten historischen Saal des Rathauses hatten die Schwalenberger die Anmeldung eingerichtet. Professionell und zügig bekamen wir unsere Unterlagen und konnten uns dann rasch in das Getümmel auf dem Markt stürzen. Der Vorsitzende der Vereinigung der Haus- und Hobbybrauer, Markus Metzger, der Bürgermeister Schwalenbergs und der Nachtwächter der Stadt wanderten in vollem Ornat über den Markt, um ihn feierlich zu eröffnen, und im Nu füllte sich trotz des Regens die Stadt mit Leben.

Neben selbstgebrautem Bier der Schwalenberger, abgefüllt durch Schorsch Lechner mit seinem historischen Flaschenfüller, gab es weitere Biersorten, Kaffee und Kuchen, zahlreiche handwerkliche Produkte, Leckereien, Antiquitäten und – natürlich – auch Brauzubehör und Bierliteratur. Diejenigen, die mit Regenjacke und Schirm bewaffnet über den Markt streiften, bekamen wirklich viel geboten.

Für die stärker an der Vereinsarbeit interessierten Besucher begann im historischen Rathaussaal das Verkostungsseminar, bei dem der ehemalige VHD-Vorsitzende Dieter Birk in gewohnt routinierter Weise die Teilnehmer in die geschmacklichen Finessen der in diesem Jahr antretenden Bierstile einwies: Dunkles, westfälisches Landbier, dunkles Bockbier und Imperial Pale Ale.

Am frühen Abend dann trafen sich alle vor den Toren der Altstadt in der Schützenhalle. Nach einer kurzen Ansprache wurde zunächst das Büffet gestürmt und sich gestärkt, und danach begann die offizielle Jahreshauptversammlung. Die sonst übliche gemächliche Routine wurde dieses Jahr durch eine hitzige Diskussion über eine geplante Satzungsänderung gestört, und nachdem die Positionen nicht auf die Schnelle unter einen Hut gebracht werden konnten, wurde salomonisch beschlossen, die Entscheidung über die Satzungsänderung auf nächstes Jahr zu vertagen und durch intensive Informationsarbeit und Diskussion im Internet und der Vereinszeitschrift die dann hoffentlich mögliche Entscheidung sorgfältiger vorzubereiten.

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der Vorstand bei der Jahreshauptversammlung

Die Gemüter kühlten sich nach dem offiziellen Ende der Jahreshauptversammlung rasch wieder ab, und in der Schützenhalle wurde dann bei flotter Musik und Kunststückchen, vorgeführt von einem eigens engagierten Zauberer, bis weit in die Morgenstunden hinein gefeiert.

Am Sonnabend früh begann im historischen Rathaussaal die Vorverkostung der eingereichten hausgebrauten Biere, und im Anschluss begannen die Bustouren nach Lemgo und in den Teutoburger Wald.

Die erste Station der Lemgoer Bustour war die Hochschule Ostwestfalen-Lippe. Was das mit Bier und Brauen zu tun hat? Eine ganze Menge: In der Fakultät Lebensmitteltechnologie oder – moderner – Life Science Technologies gibt es im Technikum im Keller des Hochschulgebäudes eine kleine, aber feine Lehr- und Versuchsbrauerei, in der die Studenten fleißig vor sich hin brauen dürfen. Eine ausführliche Führung gab es hier für uns, und neben der Brauerei konnten wir auch die sonstigen Elemente des Technikums detailliert besichtigen – insbesondere auch eine kleine Destille.

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die Lehr- und Versuchsbrauerei

Es war Ehrensache, dass wir die hier produzierten Delikatessen auch verkosten durften, und besonders das Campus-Bier aus der Versuchsbrauerei, gezapft direkt aus dem Lagertank, schmeckte uns ganz ausgezeichnet!

Die nächste Station unseres Ausflugs war das Schloss in Brake. Auf den Spuren der ehemals in diesen Gemäuern vorhandenen Brauerei wanderten wir unter fachkundiger Führung durch die Räume und weitläufigen Keller. Plastisch und anschaulich wurde uns das Leben der Schlossherren und ihres Gefolges geschildert, und die eine Stunde, die für die Besichtigung vorgesehen war, verging wie im Fluge.

Die nächste und letzte Station war schließlich die Gasthausbrauerei Röhr in Sonneborn. Ein modernes Gebäude, extra für diese Gasthausbrauerei gebaut, beherbergt eine schöne kupferne Sudanlage, und der helle Gastraum ist mit warmen Herbstfarben kontrastierend zu den metallischen und blauen Elementen der Architektur geschmückt. Hier konnten wir das vor Ort gebraute Helle und Dunkle Pils probieren und uns mit dem vorbereiteten Büffet stärken.

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Röhr Bräu Sonneborn

Leider mussten wir, gerade als Herr Röhr uns die Brauerei im Detail erläutern wollte, schon wieder weiter, denn um fünfzehn Uhr begann – wieder im historischen Rathaussaal in Schwalenberg – die Endrunde der Verkostung. In konzentrierter Arbeit wurden die eingereichten Biere in den drei Kategorien dunkles, westfälisches Landbier, dunkles Bockbier und Imperial Pale Ale verkostet und detailliert bewertet, während die Nicht-Verkoster sich draußen auf dem Marktplatz der Völlerei hingeben konnten.

Leider hatte auch heute Nachmittag der Wettergott kein Einsehen. War es während der Bustour nach Lemgo und Umgebung noch angenehm trocken gewesen, entluden sich dicke, graue Regenwolken am Nachmittag über dem Schwalenberger Marktplatz ihrer nassen Fracht. Nur mit Schirm und dicker Regenjacke ausgerüstet konnten die Besucher den Marktständen wirklich etwas abgewinnen. Schade, denn den vielen begeisterten Standbesitzern wäre es wirklich vergönnt gewesen, etwas mehr Umsatz machen zu können.

Insofern sammelten sich die meisten Teilnehmer der Haus- und Hobbybrauertage denn auch schon etwas verfrüht in der Schützenhalle zum Hausbrauerabend. Keine Abweichungen zum Ritual sonstiger Jahre gab es zu vermelden. Nach einer Rede des Landrates wurde das Büffet eröffnet, und nachdem der erste Hunger gestillt war, fand die Siegerehrung des Hausbrauwettbewerbs statt. Schöne Urkunden, urige Lederschürzen mit dem Logo des Vereins und große Säcke mit frischem Malz der Mälzerei Weyermann waren die verdiente Belohnung für das jeweils hervorragend gebraute Siegerbier. Und wie immer schleppten unmittelbar nach der Siegerehrung nicht nur die Gewinner und Teilnehmer, sondern fast alle Hausbrauer ihre Biere in den Festsaal. Ob aus Fass, Siphon oder Flasche – es gab wieder eine schier unendliche Zahl hausgebrauter Sorten zu probieren, und die Geschmacksrichtungen gingen von klassisch konservativ bis hin zu experimentell und verrückt. Kaum eine Zutat scheint vor den Hausbrauern sicher zu sein, um nicht in irgendeinem Sud verwendet zu werden, und so wirkte die gestrige Diskussion um die Verankerung des Deutschen Reinheitsgebots in der Vereinssatzung im Nachhinein etwas sonderbar.

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historische Tänze

Es hieß, dass erneut bis weit in die Morgenstunden hinein gefeiert wurde, und wer sich die Gesichter am Sonntagvormittag etwas genauer anschaute, hegte daran auch keine Zweifel.

Wer es geschafft hatte, früh genug aus den Federn zu kommen, konnte im historischen Rathaussaal ein paar interessante Vorträge hören. Ein Vertreter der Hochschule Ostwestfalen-Lippe referierte über Bierhefe und über die Möglichkeiten, während des Brauprozesses selber bereits die Haltbarkeit des späteren Biers zu beeinflussen, und danach schilderte uns ein sichtlich bewegter Vorsitzender der Schwalenberger Brauzunft, Frank Ehlert, die Geschichte seines Vereins und des Schwalenberger Brauhauses. Sein Vortrag endete mit der Feststellung, dass nun auch die Haus- und Hobbybrauertage 2010 in Schwalenberg zu Ende gingen, und wer genau aufpasste, der konnte das Rumpeln des Steins hören, der Frank in diesem Moment vom Herzen fiel.

Für diejenigen, die es bisher immer noch nicht geschafft hatten, gab es nun noch eine letzte Führung durch das Schwalenberger Brauhaus, und dann hieß es, Abschied nehmen bis zum nächsten Jahr, dann erneut in Deutschlands Norden, aber viel weiter westlich. Nordhorn heißt das Ziel für die Haus- und Hobbybrauertage 2011.

Den Brauern und Vereinsmitgliedern in Schwalenberg, aber auch dem gesamten Ort, der wie ein Mann hinter der Brauerzunft stand, ein herzliches Dankeschön für eine hervorragende Organisation und für Haus- und Hobbybrauertage, die uns Besuchern noch lange im Gedächtnis bleiben werden!

Bilder: HHBT 2010

Und als kleine Ergänzung des obigen Berichts von mir zitiere ich hier ein Interview mit dem Vorsitzenden der Schwalenberger Brauzunft e.V., Frank Ehlert, das auf deren Internetseite veröffentlicht worden ist:

Deutsche Brauer genießen Bier in Schwalenberg

Initiator Frank Ehlert über die Fachtagung, die am Wochenende in der Malerstadt stattfindet

Bierexperten aus ganz Deutschland treffen sich am Wochenende in Schwalenberg. Dass die 15. Haus- und Hobbybrauertage in Südostlippe stattfinden, ist etwas Besonderes, weiß Frank Ehlert.

Schieder-Schwalenberg. Gerade hat er noch eine Runde auf dem Aufsitzmäher gedreht, jetzt nimmt sich Frank Ehlert Zeit für ein Gespräch mit der LZ. Dem Vorsitzenden der Brauzunft ist es zu verdanken, dass sich die Fachwelt in Schwalenberg trifft.

Herr Ehlert, Sie haben mit Ihrer Brauzunft die 15. Haus- und Hobbybrauertage nach Schwalenberg geholt. Das ist nicht gerade eine Kleinigkeit.

Frank Ehlert: Allerdings, wir sind auch stolz, dass wir nach Bamberg und Erlangen den Zuschlag bekommen haben. Und 15 Jahre, das ist ja schon so etwas wie ein kleines Jubiläum. Das passt ganz gut.

Wie haben Sie das eigentlich hingekriegt?

Ehlert: Die Haus- und Hobbybrauertage haben noch nie in Westfalen stattgefunden und wir sind der einzige Verein, der noch ein altes Westfälisches Brauamt am Leben erhält. Und außerdem haben wir wohl auch mit unserem Deutschlandbier für Furore gesorgt. Darüberhinaus ist unser Schirmherr der ehemalige Außenminister und Botschafter des Bieres Dr. Frank-Walter Steinmeier, auch wenn er nun leider nicht kommen kann.

Was genau findet jetzt eigentlich in Schwalenberg statt? Was für Leute kommen und wie viele?

Ehlert: Es haben sich etwa 150 Fachleute und Hobbybrauer angekündigt, für die wir neben Fachvorträgen ein Rahmenprogramm auf die Beine gestellt haben. Aber wir hoffen natürlich, dass darüberhinaus viele Interessierte den Weg nach Schwalenberg finden, denn es findet auch Freitag von 16 bis 21 Uhr, Samstag von 14 bis 21 Uhr und Sonntag von 11 bis 18 Uhr ein großer Markt mit mindestens 24 Ständen ums Thema Bier und Brauen statt. Es haben sich renommierte Aussteller angesagt.

Was können die Besucher denn am Wochenende in Schwalenberg erwarten?

Ehlert: Natürlich viel Literatur und Materialien aus dem Bereich Brauen. Aber es gibt auch was zu erleben: Unter anderem werden wir eine Einzelflaschenfüllanlage aus dem Brauereimuseum Oelde vor Ort haben. Hier haben die Gäste erstmals die Chance, sich unser Schwalenberger Bier in eine Flasche zu füllen. Außerdem kommt der singende Schmied, wir haben eine Fischräucherei: Es wird auf jeden Fall interessant.

Wo bringen Sie die Leute eigentlich alle unter und wie lange bleiben die Bierbrauer?

Ehlert: Wir haben hier in Schwalenberg etwa 170 Betten zu bieten, das kommt schon hin. Das Programm startet bereits am morgigen Donnerstag. Einige der angemeldeten Teilnehmer kommen von Freitag bis Sonntag, manche haben sich für eine Woche in Schwalenberg eingemietet.

Das heißt, Sie tun was für den Tourismus in der Region. Aber die Schwalenberger Brauzunft ist ja nun ein sehr kleiner Verein. Wie kriegen Sie das hin?

Ehlert: Das muss man ganz deutlich sagen: Ohne die Unterstützung der anderen Vereine ginge das gar nicht. Aber alle helfen mit, und das so kurz nach dem Trachtenfest.

Wie schätzen Sie eigentlich die Bedeutung dieser Brauertage ein – für Schwalenberg und für die Region?

Ehlert: Über den touristischen Aspekt haben wir ja eben schon gesprochen. Darüber hinaus ist dies für uns eine hervorragende Gelegenheit, allen Unterstützern und Sponsoren zu zeigen: Euer Engagement hat sich gelohnt, es trägt schon kurzfristig Früchte und bringt wirklich Nutzen für die Region. Allein die Erfindung des Deutschlandbieres hat uns eine Medienresonanz eingebracht, wie es sie für Schwalenberg noch niemals gegeben hat.

Wohin wird die Reise für die Schwalenberger Brauzunft langfristig hingehen?

Ehlert: Eines steht fest: So ein Ding kriegen wir kurzfristig nicht wieder hin. Wir sind nur zehn Aktive, und es wird schwer sein, auf lange Sicht die Bierbrautradition zu erhalten. Was ist, wenn die derzeitigen Akteure nicht mehr dabei sind? Wir möchten die Begeisterung fürs das Bierbrauen auch beim Nachwuchs wecken.

Was versprechen Sie sich an direktem Nutzen für die Brauzunft?

Ehlert: Wir hoffen auf Tipps, wie wir unser Handwerk noch optimieren können. Und wir hoffen, dass unser Bier bei der Bewertung gut abschneidet

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