Kann ein 34 Jahre alter Apostulator noch schmecken?
Aber ja!
Und wie!

1981 – vor 34 Jahren. In meinem Informatikstudium habe ich mich damit beschäftigt, kurze Programme auf Lochkarten zu stanzen. Und auch lange.

Helmut Schmidt war Bundeskanzler, Karl Carstens Bundespräsident, und in den Vereinigten Staaten regierte ein Cowboy namens Ronald Reagan. Der Kalte Krieg war kalt wie nie; die SALT-II-Gespräche waren gerade gescheitert. In Deutschland protestierten Atomkraftgegner und die Friedensbewegung; in Polen war im Vorjahr gerade die Gewerkschaft Solidarność gegründet worden. Und der FC Bayern München war Deutscher Meister im Fußball.

Bis auf den letzten Punkt eine völlig andere Welt als heute.

Und irgendwann in diesem Jahr wurde in Mannheim in der Eichbaum-Brauereien AG eine Flasche des dunklen Doppelbocks Apostulator abgefüllt.

Heute, am 11. April 2015, steht sie vor mir, und ich frage mich, ob sie wohl noch schmecken wird, oder wenigstens genießbar sein wird.

Das etwas altmodisch anmutende Etikett, mit gelblichem Grundton, schwarzer und roter Schrift und dem grünen Eichbaum, dem Logo der Brauerei, ist unbeschädigt: „Eichbaum Apostulator. Dunkler, malzaromatischer Doppelbock. Eine Spezialität für Kenner.“ Und auf dem Konteretikett: „Ein dunkler Doppelbock besonderer Prägung, malzaromatisch und wertvoll. Seit alten Zeiten wird Apostulator als echte Spezialität von Kennern geschätzt und nur in begrenzter Menge gebraut.“ Inhaltslose Werbephrasen, na, da hat sich in den letzten 34 Jahren nicht viel geändert.

Kann ein 34 Jahre alter Apostulator noch schmecken?, Aber ja!, Und wie!, Bier vor Ort, Bierreisen, Craft Beer
das Etikett wirkt etwas altmodisch

Oder nur wenig, denn mittlerweile ist der Alkoholgehalt anzugeben, ebenso wie das Mindesthaltbarkeitsdatum. Obwohl letzteres entbehrlich zu sein scheint, aber wir wollen nicht vorgreifen…

Die gedrungene Halbliter-Euroflasche ist mit einem schlichten silberfarbenen Kronkorken verschlossen. Überraschend dickes und robustes Metall; ich habe schon lange vergessen, wie schwierig manche Bierflaschen seinerzeit zu öffnen waren. Mit einem leichten Zischen entweicht die Kohlensäure, der Kronkorken hat also tatsächlich 34 Jahre lang dicht gehalten.

Am Flaschenhals sieht man innen ein paar Ablagerungen. Hopfenharze? Eiweiße? Hefe? Wer weiß…

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ein paar Ablagerungen am Flaschenhals

Beim Einschenken bildet sich zunächst nur wenig Schaum; lässt man es ein wenig plätschern, formt sich eine leicht gelbliche Schaumdecke, die ein paar Minuten hält, dann aber in sich zusammenfällt.

In der Flasche bleibt ein etwas krümeliger Bodensatz zurück. Wahrscheinlich das Gleiche wie am Flaschenhals.

Das Bier ist dunkelbraun und klar. Ein ordentliches, malziges Aroma, ganz leicht röstig, macht sich breit. Angenehm. Keine Fehlgerüche. Ein vorsichtiger erster Schluck. Malzig, aber nicht so intensiv und fast schon mastig, wie man es beispielsweise vom Andechser Doppelbock gewohnt ist. Ganz weich rinnt das Bier über die Zunge; die Rezens ist recht gering; die Kohlensäure gut gebunden. Seidig fast. Von Hopfenbittere ist fast nichts zu spüren; von Hopfenaroma gar nichts. Ein wenig dünn wirkt es, das Bier, und beim genauen Hinschmecken spürt man etwas Lakritze, Süßholz. Daneben eine ganz leicht metallische Note. Nach dem Schluck bleibt die Zunge ein wenig belegt; nicht unangenehm. Malzige Süße bleibt ebenfalls.

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frisch eingeschenkt fällt zunächst überhaupt nichts auf

Keine Offenbarung, aber ein grundsolides, nahezu fehlerfreies dunkles Bockbier. Wie viele frische Biere habe ich schon getrunken, die deutlich schlechter waren? Es waren einige, viele sogar! Und hier? 34 Jahre alt und einfach lecker.

Kein Mindesthaltbarkeitsdatum. Und der Geschmack beweist: Es ist auch nicht nötig. Wie hätte das MHD denn gelautet? Ende 1982? Vielleicht 1983? So oder so wäre das Bier schon seit mehr als 30 Jahren „um“ gewesen, hätte offiziell nicht mehr in den Verkehr gebracht werden dürfen. Schade drum!

Irgendwo in den Kellern und Lagerräumen der Eichbaum Brauereien muss dieser Apostulator all die Jahre überdauert haben, bis ich ihn bei einem Besuch der Brauerei geschenkt bekommen habe. Vorsichtig habe ich ihn nachhause transportiert und anschließend ein paar Wochen aufrecht im Kühlschrank gelagert, damit sich ein eventueller Bodensatz wieder absetzen, das Bier wieder klar werden kann und der Genuss Freude macht.

Und es hat geklappt.

Einen herzlichen Dank an Tom Majorosi, der mir diese Flasche geschenkt und dieses Erlebnis ermöglicht hat.

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