Michael Jackson
Bier Lexikon

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Michael Jackson – Bier Lexikon

Ob solch ein Buch heutzutage überhaupt noch ein Erfolg sein könnte? 550 Seiten, auf denen die 500 besten Biere der Welt vorgestellt werden? Dazu lediglich noch ein wenig Hintergrundinformationen, und das war es dann auch schon fast. Ein Nachschlagewerk aus einer Zeit, in der unsere Wahrnehmung der Welt des Biers geprägt war von den Marken der großen Konzerne, den sogenannten Fernsehbieren, und in der daneben eigentlich nicht viel existierte.

Michael Jackson war es, der im ausgehenden zwanzigsten Jahrhundert den Blick wieder dafür schärfte, dass es abseits dieser Fernsehbiere auch damals schon einiges zu entdecken gab und dass die (Bier-) Welt mehr zu bieten hatte als nur Millers, Coors, Budweiser, Becks und Löwenbräu.

Blättert man einmal quer durch das Buch und überfliegt die alphabetisch geordneten Biere, dann begibt man sich auf eine Weltreise. Europa, Amerika, Asien, Australien und selbst Afrika sind vertreten. Bekannte und weltberühmte Marken und Biere, aber auch kleine und unbekannte, und das eine oder andere Mal frage ich mich, ob es dieses Bier oder gar diese Brauerei heute, 17 Jahre nach Erscheinen des Buchs, überhaupt noch gibt? Oftmals nicht, die Zeit ist über die Brauerei hinweggegangen, der Braubetrieb wurde eingestellt, das Bier ist verschwunden – wie beispielsweise das Unionsbräu in München, das seit 2012 nicht mehr braut, sondern nur noch als „normale“ Gastwirtschaft existiert.

Daneben finden sich aber auch die Biere, die es eigentlich „schon immer“ gibt, und die es wohl auch „für immer“ geben wird. Schneider Weisse, Pilsner Urquell oder Paulaner Salvator. Stil-Ikonen und Evergreens.

Wie würde es heute aussehen? Würde Michael Jackson, so er denn noch lebte, die hochgehypten Craftbiere in seine Auswahl mit aufnehmen? Und wenn ja, welche? Und würden sich diese auch so lange am Markt behaupten, dass sie die Drucklegung und Veröffentlichung des Buchs noch erleben? Oder wären sie nach einigen Wochen von einem neuen, noch dolleren, noch extremeren Bier bereits wieder verdrängt? Noch hopfiger, noch mehr IBUs, noch mehr Alkohol, noch mehr exotische Zutaten wie Gewürze, Früchte, Kräuter, Wurzeln? Würde Michael Jackson die Ergebnisse der Jagd nach dem Extrem ernstnehmen und in sein Buch aufnehmen, auch wenn er dann Gefahr liefe, dass das Buch rasch veraltet? Oder würde er den Trend ignorieren, sich unverändert auf die Klassiker konzentrieren und sich dem Vorwurf aussetzen wollen, große Teile der Bierwelt einfach unberücksichtigt zu lassen?

Ich weiß es nicht, und daher auch meine eingangs gestellte Frage: Ob solch ein Buch heutzutage überhaupt noch ein Erfolg sein könnte?

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eine Seite für jedes Bier

Ich werde dieses ziegelsteindicke und -schwere Buch jedenfalls weiter in meinem Bücherregal aufbewahren, und wer weiß, vielleicht nehme ich es nach weiteren 17 Jahren erneut in die Hand, werde erneut darüber sinnieren, wie sehr sich die Bierwelt in dieser doch relativ überschaubaren Zeit verändert hat, und vermutlich werde ich erneut stutzen, wenn ich unter W wie Westvleteren nachlese und feststelle, dass Michael Jackson zwar über das Weltvleteren 8° und das Westvleteren Blonde schreibt, das mittlerweile weltberühmte Westvleteren 12°, das rund zehn Jahre nach Erscheinen des Buchs im Internet zum weltbesten Bier gekürt worden ist und seitdem Kultstatus genießt, aber mit keinem Wort erwähnt. Hat er seinerzeit das Potenzial des Zwölfers nicht erkannt? Hat er es gar überhaupt nicht verkostet, weil es, wie so oft, gerade ausverkauft war? Oder hat es ihm vielleicht nicht einmal geschmeckt?

Schön ist es aber auf alle Fälle, zu sehen, dass sich in der Liste der nützlichen Adressen drei Einträge finden, die damals in Deutschland zu den Vorreitern zählten und auch heute noch hervorragende Anlaufstellen für eine gute Bierauswahl sind: Das Haus der 131 Biere in Hamburg, der Getränkemarkt Maruhn in Darmstadt und das Café Abseits in Bamberg.

Michael Jackson
Bier Lexikon
Dorling Kindersley Limited
London, 2000
ISBN 3-8310-9008-4

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2 Kommentare

  1. Möglicherweise war er angepisst vom „neuen“ Westvleteren 12? Das Buch „The great Beers of Belgium“ schrieb er in erster Version schon 1991. Da wurde das Westvleteren noch von St. Bernardus in Lizenz gebraut. Die lief 1992 aus. Seitdem brauen die Mönche in St. Sixtus selber nach anderen Rezepturen. Das Original Westvletren 12 existiert im St. Bernardus Abt 12 aber weiter.
    Michael Jackson hatte möglicherweise noch das alte Westi im Kopf oder er kannte beide Versionen?

    mfg
    flying

    • Stimmt, René, das kann natürlich sein. Dass die erste Version des Buches schon um einiges älter ist, weiß ich, aber dass die Phase des Wechsels von St. Bernardus zu St. Sixtus genau in die Zeit fiel, daran habe ich gar nicht gedacht. Klar, das könnte dann also eine Erklärung sein.

      Übrigens muss ich auch zugegeben, dass mir das St. Bernardus Abt 12 mindestens genauso gut schmeckt wie das Westvleteren 12, wenn nicht besser, und es ist vor allem viel leichter zu bekommen. Und wenn man es bekommt, hat es auch meistens irgendwo halbwegs ruhig und geschützt im Regal gestanden.

      Beim Westvleteren ist es doch eher so, dass es – zu Werbezwecken – immer mitten im Verkaufsraum eines glücklichen Getränkemarkts steht, schlimmstenfalls sogar im Schaufenster in der prallen Sonne, und dort vor sich hin leidet. Jeder Kunde kommt, greift sich eine Flasche, reicht sie herum, betrachtet sie von allen Seiten und kauft sie dann doch nicht, weil sie zu teuer ist. Wenn sie dann hundertmal geschüttelt worden ist und ein Vierteljahr in der Sonne gestanden hat, dann mag ich sie gar nicht mehr haben.

      Mit bestem Gruß,

      VQ

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