Pivara Tuzla
Tuzla
BIH

Über 130 Jahre ist es her, dass Tasing und Köhn in Tuzla 1884 die Erste Dampf Brauerei gründeten, seinerzeit mit einer Ausschlagmenge von rund 5000 hl pro Jahr. Und ob einer der beiden Gründer wohl auch nur annähernd eine Vorstellung hat haben können, was diese Brauerei in den folgenden hundert Jahren alles erleben würde? Zwei Weltkriege mit langen Produktionsunterbrechungen. Kriege, nach denen die Produktion langsam wieder hochgefahren werden musste und die wirtschaftlichen Tätigkeiten auf jeweils völlig neue politische und wirtschaftliche Rahmenbedingungen angepasst werden mussten. Dann, ein paar Jahrzehnte später, auch noch einen regionalen Krieg, begleitet von Zerfall und Wiederaufbau des gesamten westlichen Balkans.

Aber es gibt sie noch, die Brauerei, und auch wenn sie nicht mehr Erste Dampf Brauerei heißt, sondern nun unter der Bezeichnung Pivara Tuzla firmiert: Hier wird nach wie vor Bier gebraut.

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Pivara Tuzla

Ich stehe auf der gegenüberliegenden Straßenseite und blicke auf die Brauerei. Die Gebäude sehen aus, wie kleine, regionale Brauereien halt aussehen, die über die Jahre und Jahrzehnte gewachsen sind und immer wieder ergänzt und umgebaut wurden. Zwei zentrale und halbwegs ansehnliche Gebäude aus der Gründerzeit der Brauerei. Klein, auf eine recht begrenzte Produktionsmenge ausgerichtet, aber architektonisch wenigstens gefällig und sich in das Ambiente einer kleinen Stadt einfügend. Dahinter stehen aber die klotzigen und leider auch grottenhässlichen Erweiterungsbauten. Linker Hand grauer Beton in grobschlächtigem, sozialistischem Stil, rechter Hand simple Plattenbetonbauten, bei denen auch der fröhlich leuchtende gelbe Anstrich nicht über die Hässlichkeit hinweghilft. Form follows function, und das Budget verbietet alle künstlerischen Elemente.

Und so scheint das einzig Attraktive an der Brauerei die Tatsache zu sein, dass sie eben eine solche ist, eine Brauerei nämlich.

Aber es gibt ein wenig mehr als nur die Brauerei in diesen Gebäuden. Und damit meine ich nicht die Produktion und Abfüllung von alkoholfreien Erfrischungsgetränken, sondern das nette Brauereirestaurant Pivnica Taverna Tuzla. Die Ausleger und Hinweisschilder tragen stolz die Jahreszahl 1884 und führen mich zunächst zu einer Terrasse, die aber zu dieser Jahreszeit wohl nicht mehr betrieben wird – seit wenigen Tagen ist es kalendarischer Herbst, und damit die Zeit für laue Sommerabende mit einem leckeren Bier auf der Terrasse wohl unwiederbringlich vorüber.

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die Pivnica Taverna Tuzla

Stattdessen gehe ich ein paar Stufen hinunter und komme in ein typisches Brauereirestaurant, wie ich es vom Stil her wohl auch in Deutschland oder Tschechien finden könnte. Eine große und rustikale Theke mitten im Raum, aus dunklen Holzbalken und links und rechts mit einer erklecklichen Anzahl von Barhockern. In der Mitte, vor der Zapfanlage, eine Lücke – hier ist der Platz, wo die Kellner die Getränke abholen und im Raum verteilen.

Es ist verhältnismäßig viel Betrieb schon am frühen Abend. Die Musik läuft, es herrscht eine durchaus fröhliche Stimmung, und überall stehen die großen Krüge mit dem hier gebrauten Bier auf dem Tisch.

Einziger, aber sofort spürbarer Unterschied zu Mitteleuropa: Hier wird noch geraucht. Die Luft ist schneidend dick und die Klamotten stinken nach wenigen Minuten schon ganz fürchterlich. Faszinierend, mit diesen alten Gewohnheiten so schlagartig konfrontiert zu werden und ganz plötzlich zu realisieren, was für ein Fortschritt das Rauchverbot in Restaurants und Kneipen doch wirklich war und ist. Auch wenn es gegen hartnäckigen Widerstand zunehmend weniger werdender Raucher in zähem Kampf durchgesetzt werden musste.

Ich suche mir einen Tisch unweit der Theke und schaue in die Getränkekarte. Drei verschiedene Biere stehen zur Auswahl – ein Pilsner in gefilterter oder ungefilterter Version und ein Stout.

Ich beginne mit dem ungefilterten Pilsner und bestelle mir zeitgleich auch einen kleinen Grillteller. Das Bier kommt rasch. Sehr hellgelb, nur leicht, aber ganz gleichmäßig trüb steht es im Glas. Der Schaum ist soweit in Ordnung, der leicht süßliche Geruch ebenfalls. Der erste Schluck. Das Bier ist rund und süffig, auch im Geschmack leicht süßlich und nur sehr zurückhaltend gehopft. Die Spundung ist ebenfalls nicht allzu hoch, und so erweist sich das Tuzlanski Pilsner unfiltered als durchaus sehr süffiges Bier mit hoher Drinkability. Das Glas ist blitzschnell leer.

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Pilsner Unfiltered

Das zweite Bier kommt gemeinsam mit dem Essen. Blank gefiltert, ansonsten aber sehr ähnlich wie das erste Bier. Vielleicht etwas stärker gespundet, und bedingt durch den höheren Kohlensäuregehalt auch ein bisschen spritzig und scharf. Nicht ganz so ausgewogen wie das erste Bier, aber ebenfalls noch gut trinkbar.

Das Essen dazu erinnert an die gute alte Zeit vor vierzig Jahren, als es in jedem deutschen Dorf irgendwo einen Jugoslawen, einen Balkan-Grill gab. Mit Gerichten wir dem lustigen Bosniak oder ähnlichen fantasievollen Bezeichnungen. Viel Fleisch, gerne vom Spieß, ordentlich Pommes oder Bratkartoffeln dazu, und Gemüse lediglich in Form von Paprikapaste (Ajvar) oder scharfen Zwiebeln und Peperoni. Gibt es gar nicht mehr so oft wie früher, denke ich, und mache mich über die Portion her.

Schmeckt. Und das Bier dazu zischt wunderbar.

Als Dessert dann das dritte Bier der Getränkekarte, das Stout. Objektiv alles andere als ein Stout. Eher ein süßliches Schwarzbier im klassischen, tschechischen Stil. Nur ganz schwach gehopft, fast keine Hopfenbittere, aber eigentlich auch keine Röstbittere. Nur ein paar ganz milde Anklänge vom dunklen Malz. Mit viel Hinschmecken glaube ich, entfernte Röst- und Kaffeenoten identifizieren zu können, aber vorwiegend ist es malzig süß. Als Dessertbier also gar nicht so schlecht.

Ich sehe mich noch einmal um. Rieche den Zigarettenqualm, den Fettgeruch vom Grill, sehe die etwas altmodische Inneneinrichtung und blicke auf die großen Fleischportionen. Erinnerungen kommen auf. Ja, genau so war das damals immer gewesen, beim Balkangrill im Nachbardorf, zu dem wir als Oberstufenschüler immer gegangen sind, um uns so richtig voll zu futtern. Ach, was, nennen wir es doch beim richtigen Namen: Vollzufressen! Ungesund, aber sooo lecker.

Wenn auch von der eigentlichen Brauerei nur die Außenmauern zu sehen sind und ab und an ein wenig Betriebslärm durch die blinden Fenster dringt, so ist der Besuch im Brauereirestaurant und -ausschank doch ein empfehlenswerter und sehr netter. Und die Preise sind nicht der Rede wert. In Bosnien und Herzegowina gilt die konvertible Mark, gekoppelt an den Kurs der alten Deutschen Mark, und nach dem Rückrechnen des Markbetrags in Euro bleibt die Feststellung: Bei diesem Preis hätte ich eigentlich auch zwei, drei Bier mehr trinken können…

Der Brauereiausschank Pivnica Taverna der Pivara Tuzla ist täglich von 08:00 bis 23:00 Uhr geöffnet; kein Ruhetag. Die Brauerei selbst bietet keine festen Besichtigungszeiten an. Zu erreichen sind Brauerei wie Restaurant vom historischen Zentrum der Stadt aus in etwa zehn Minuten zu Fuß in ostwärtiger Richtung.

Bilder

Pivara Tuzla
Maršala Tita 163
75000 Tuzla
Bosnien und Herzegowina

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