Reinheitsgebot – Verbraucherbetrug?
Wir fragen die aufgeklärten Biertrinker
Heute: Franzi

MiniaturWir fragen die aufgeklärten Biertrinker, denn viele der Brauer haben inzwischen vom Bayerischen Brauerbund einen Maulkorb verpaßt bekommen. Da es beim Bier aber um den Verbraucher geht, soll er doch mal zum Zuge kommen.

Franzi, 1988, Hamburg

1. Erinnerst Du Dich noch, wie es für Dich war, als Du realisieren mußtest, daß der Begriff Reinheitsgebot nur ein Marketinginstrument ist, und daß in Wahrheit nach dem Lebensmittelgesetz gebraut wird?

Miniatur (2)Ehrlich gesagt, war ich tatsächlich etwas perplex. Bier, egal ob vom Großkonzern oder aus der Craftbeer Stube, war für mich immer ein ehrliches und bodenständiges Produkt. Die Glaubwürdigkeit der Biergiganten ist somit für mich gen Null gefallen. Es wird mit einem, sowieso recht fragwürdigem, Gebot geworben, welches nicht eingehalten wird, aber die Lobby ist anscheinend groß genug, um das als Bagatelle runterzuspielen.

2. In 2012 hat die Verbraucherzentrale ganz deutlich am Beispiel der Erdinger Brauerei entschieden, daß auf den Bieretiketten nicht mehr stehen darf „Gebraut nach dem Bayerischen Reinheitsgebot von 1516“ und das nach dem Lebensmittelgesetz gebraut werde. Man möchte meinen, daß diese Aussage zu einem Aufschrei in Deutschland und zu einer Abwendung von den Bieren, die nach dem Reinheitsgebot gebraut sind, geführt haben müßte. Tatsächlich ist verbraucherseitig nichts passiert! Kannst Du mir erklären?

Miniatur (2)Zunächst denke ich, dass hier viel Schuld beim Verbraucher liegt: Zum einen die Faulheit, aufzustehen und seinen Mund auf zu machen, zum anderen der Stolz auf das „urdeutsche“ Produkt: „Was?! Unsere Biertradition soll nichtig sein? Das glaube ich nicht. Die Zutatenliste sieht für mich ganz nach dem Reinheitsgebot aus. Punkt.“ Zum andern ist die Bierindustrie und die damit einhergehende Lobby so groß und mächtig, dass jeder Aufschrei im Keim erstickt wird.

Insgesamt denke ich jedoch, wir sind zu gleichgültig. „Schmeckt doch – das ist die Hauptsache.“

3. Im kommenden Jahr feiert das Bio-Reinheitsgebot sein 25jähriges Bestehen. Nach inständigem Bitten des Bayerischen Brauerbundes sehen sie aber von Feierlichkeiten ab und überlassen dem Brauerbund die Festbühne. Welche Gedanken kommen Dir dazu?

Miniatur (2)Wenn man sich mit den Zutaten von Bier auseinander setzt, wird schnell klar, dass Hopfen recht empfindlich ist und im konventionellen Anbau mit einigen Pestiziden in Berührung kommt. Möchte ich also den Sud daraus wirklich trinken? Nein. Aber ich mache es trotzdem, da es wenige Alternativen dazu gibt. Grund ist wieder ein Informationsdefizit und die daraus resultierende geringe Nachfrage.

Wieder wird zurückgehalten und unterdrückt, was dem „konventionellen“ Biermarkt schaden könnte.

4. Inzwischen haben wir es in der Branche mit einem dritten zu klärenden Begriff zu tun: CRAFT, Handwerk. Auch steht Marketing im Vordergrund, und daß das Handwerk sekundär ist, beweist beispielsweise die Tatsache, daß eine Störtebeker Brauerei sich in Braumanufaktur umbenannt hat (geschätzter Ausstoß 200.000 hl). Wollen wir betrogen werden? Wollen wir in unseren Köpfen diese Bilder vom verschwitzten Brauer, der nachts bei Mondenschein mit seiner Mutter noch das Gebräu umrührt?

Miniatur (2)Ich sehe den Craft-Begriff als Umschreibung dafür, dass man sich bei der Herstellung wirklich Gedanken um ein besonderes Genuss-Erlebnis und um ausgewählte Zutaten macht. Ob das Resultat dann 2000l oder 200.000hl ergibt, ist für mich dabei irrelevant. Hinter Störtebeker stehen für mich Brauer, die ihr Handwerk verstehen und die mit Leidenschaft ihren Beruf ausüben. Ist es nicht auch Leidenschaft, die die Craft-Bewegung ausmacht? Ein anderer Fall ist da doch Becks, die mit ihren drei neuen „ganz besonderen“ Biersorten einfach nur auf einen Zug aufspringen wollen. Quasi im Reagenzglas entwickelter Standard-Geschmack, mit coolen Label, netter Inszenierung und null Authentizität. Das ist das Problem und nicht die, die es mit Herz probieren.

5. Was wünschst Du persönlich Dir für Dein Bier?

Miniatur (2)Ich bin ein Genussmensch, ich liebe es, mich mit Bier auseinanderzusetzen, ich möchte es betrachten, daran riechen, es schmecken und mich am Gesamterlebnis erfreuen. Ich nehme mir Zeit für mein Bier. Dieses Bewusstsein wünsche ich mir auch beim Brauprozess. Außerdem möchte ich wirklich wissen, was in meinem Bier ist. Auf´s Reinheitsgebot pfeife ich – dennoch will ich wissen was ich zu mir nehme. Welcher Hopfen, welche Malze, welche Hefe verhelfen dem Getränk zu seinen Aromen? Woher stammen die Zutaten? Das ist mir wichtig. Und wenn ich dann noch die Begeisterung des Brauers beim Trinken spüren kann, dann ist´s das Tüpfelchen auf dem „i“.

Fragen: Esther Isaak
wiederveröffentlicht von Bierguerilla
mit freundlicher Genehmigung der Autorin

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