Paulaner – der Name klingt vertraut, wo immer man sich auf der Welt befindet. Bayerische Gemütlichkeit, rustikale und süffige Biere, deftige Speisen – das sind die Assoziationen, die sich sofort einstellen. An Brauholding International, Schörghuber Gruppe oder gar Heineken denkt dabei niemand, und doch ist die jüngere Geschichte der Paulaner Brauereigruppe mit diesen großen Konzernen eigentlich untrennbar verbunden, haben Fusionen, Umstrukturierungen, Übernahmen und Beteiligungen schon seit 1928 (!) für Paulaner Tradition.
Aber das, was die Konzernherren und (vermutlich leider sehr wenigen) -damen treiben, interessiert uns im Moment herzlich wenig; wir stehen nämlich in Manhattan vor einem der Paulaner Bräuhäuser, die es mittlerweile rund um den Globus gibt. Paulaner on Bowery nennt es sich, befindet sich, wie der Name schon andeutet, in der Bowery Street und ist in der Tat ein kleines Brauhaus mit eigenem Sudwerk und hier vor Ort produziertem Bier.
Paulaner also, mitten in New York City.
Bräuhaus steht über der Tür, Craft Brewery steht auf der großen Markise, die einen kleinen Gastgarten beschattet, und ein schwarzes Schild lädt nach drinnen: „(Pssssst), it’s nice & cold inside – Also: Icecold Beer“. Wir lassen uns nicht zweimal bitten und gehen durch den kleinen Eingang.
Uns empfängt bayerische Atmosphäre mit kleinen, amerikanischen Akzenten. Folkloristische Dekoration, vorwiegend in himmelblau und in weiß, den bayerischen Landesfarben, immer aber mit einem artifiziellen Kunststoffambiente, selbst dort, wo gar kein Plastik verwendet wird. Der Schankraum ist zweigeteilt: Linker Hand befindet sich eine Bar, direkt gegenüber (und etwas beengt) ein kupfernes Sudwerk, geschmückt mit Weyermann Malzsäcken, und rechter Hand betreten wir einen großen Saal, einer Bierhalle gleich, in dem wir uns einen Platz suchen.
Die Bedienungen tragen – natürlich! – eine Art Dirndl und wuseln mit großen Tellern und zahlreichen Biergläsern durch den Saal.
Fünf Biere empfiehlt uns die Bierkarte, und jede Sorte ist in vier Größen erhältlich, nämlich klein (0,3 l), halbe (0,5 l), Mass (1 l) und Meisterglas (3 l). Prima – hier werden die Klischees gepflegt: Bayerisches Bier trinkt man am liebsten in gewaltigen Portionen. Alle fünf Sorten im Meisterglas zu verkosten, dürfte aber auch den gestandenen Bayer überfordern…
Glücklicherweise bietet die Karte aber auch einen Beer Flight an, fünf kleine Gläser, von jeder Sorte eines. Wie immer hätte ich genau dieses, einen Beer Flight, bedeute ich der jungen Dame, die an unseren Tisch gekommen ist, um die Bestellung aufzunehmen. „Und für meine holde Ehefrau ein normal großes Hefeweizen“, füge ich der Bestellung noch hinzu. Die junge Dame entschuldigt sich, aber das auf der Karte vermerkte Vienna Lager sei derzeit nicht verfügbar, stattdessen habe man ein Kölsch.
Ein Kölsch? Ich muss gleich zwei Mal stutzen. Zum Einen: Was hat Kölsch in einem bayerischen Brauhaus verloren? Ach, die US-Amerikaner. Bayern ist die Hauptstadt von Munchen, liegt in Berlin und das Stadtschloss heißt Neuschweinstein, nicht weit von Beirut oder Bayreuth, oder wie diese Kleinstadt bei Heidelburg in den Alpen heißt. Also gibt’s auch Kölsch beim Paulaner in New York. Zum Anderen: Hat die junge Dame gerade wirklich Kölsch gesagt, und nicht Kolsch oder Koulsch? Ein korrekt ausgesprochener Umlaut? Ich frage nach, und, ja, sie ist Deutsche. Studentin, und hier in Manhattan „hängen geblieben“. Na, das macht die Konversation ein wenig einfacher, den bayerischen Eindruck und ihr Dirndl aber nicht weniger künstlich…
Zu den fünf kleinen Bieren bestellen wir uns „bayerische Tapas“, eine Platte für zwei mit einer Auswahl von bayerischen Spezialitäten. Bratwurst, Sauerkraut, Obatzda, Schweinebraten, Kartoffelsalat, aber auch so „typisch-bayerische“ Dinge wie Ricotta, panierten Kabeljau, Graupensalat.
Nicht ganz stimmig, aber witzig, und das große Brett mit den vielen kleinen Tapas-Schüsselchen sieht lecker ist, schmeckt mit Masse auch recht gut.
Was man leider von den Bieren nicht sagen kann.
Seufz!
Bin ich mittlerweile überempfindlich? Die andern Gäste gießen das Bier begeistert auch in größeren Mengen in sich hinein, während ich mich von Glas zu Glas hangele und mit jedem Schluck frustrierter werde. Das Hefeweizen mit 5,3% Alkohol schmeckt kartonartig oxidiert, auch meine holde Ehefrau ist nicht wirklich begeistert. Zum Wegschütten zu schade, aber bayerisches Hefeweizen schmeckt eigentlich anders, frischer, spritziger. Das Munich Lager, 4,9%, wird von einem erbswasserartigen Geruch und Geschmack dominiert – Dimethylsulfid. Scheinbar ist die Würze nicht kräftig oder nicht lange genug gekocht worden oder hat der Brüdenabzug nicht richtig funktioniert.
Das Kölsch wirkt dünn und wässrig. Nun, das ist Kölsch zwar fast immer, auch wenn die Kölner anderes behaupten, aber dieses hier ist besonders dünn.
Ein wenig besser, aber noch lange nicht begeisternd, das Franz India Pale Ale, 7,3%, kernig bitter. Ein ausgeprägterer Malzkörper hätte die Bittere eleganter ausbalancieren können; so, wie es serviert wird, bekommt man eher den Eindruck, das IPA sei nach dem Motto „viel hilft viel“ und „Hopfen heilt alles“ gebraut worden.
Und zum Abschluss kommt ein Rauchbier, das Smokey Bowery, mit leichten 4,8%. Eine feine Rauchnote in der Nase ist sehr sympathisch, leider findet sie sich im Geschmack nicht wieder, dort trinkt sich das Bier wie ein Allerwelts-Dunkel.
Die Biere sind keine Offenbarung, wir sind nicht zufrieden; das Essen ist aber immerhin originell.
Was gefällt, das ist die freundliche Bedienung, nicht nur die junge Deutsche, sondern auch die anderen jungen Damen und Herren sind schnell, aufmerksam und nett. Und man kann, durch schützende Glasscheiben, auch in den Gär- und Lagerraum schauen, dem Ort der Bierentstehung also recht nahe kommen. Immerhin!
Ein bisschen Oktoberfest-Architektur, ein bisschen Plastik-Bayern mitten in Manhattan, garniert mit selbst für New Yorker Verhältnisse gesalzenen Preisen – 0,3 l Bier für sieben Dollar! Ob wir hier ein zweites Mal hingehen würden? Ach, vermutlich nicht. Nein. Keine wirkliche Empfehlung. Jedenfalls nicht angesichts der derzeitigen Bierqualität.
Das Paulaner Bräuhaus in New York, das Paulaner on Bowery, ist täglich ab 11:00 Uhr durchgehend geöffnet; kein Ruhetag. Mit der Metro ist es perfekt zu erreichen, die Station 2nd Avenue der orangenen Bahn mit den Linien F und M liegt gerade um die Ecke, nur eine Minute Fußweg entfernt.
Paulaner on Bowery
265 Bowery Street
New York
NY 10002
USA
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