Legenda – der Name der kleinen Budapester Brauerei Legenda Sörfőzde und der dazugehörigen Pubs verspricht Legendäres. Allerdings ist das, was wir heute erleben, als wir bis in die Budapester Außenbezirke vordringen, eher wenig legendär. Wenn auch durchaus an der einen oder anderen Stelle recht überraschend…
Irgendjemand hatte mir irgendwann und irgendwo einmal erzählt, dass die Brauerei, in der die wunderbaren Legenda-Biere, die mir mein ungarischer Arbeitskollege ab und an mal aus Budapest mitgebracht hat, ein wenig außerhalb läge. Man müsse mit dem Vorortbähnchen ein paar Stationen aus der Stadt herausfahren und dann nur noch ein kleines Stückchen laufen. Nicht immer könne man dann die Brauerei anschauen, aber der Ausschank selbst würde die Anfahrt bereits lohnen. Die Biere seien schließlich, wie der Name schon sagt, legendär.
Ich tippe also ein wenig auf meinem schlauen Telefon herum und frage Onkel Google, wo ich denn hinmüsse und wie ich da am besten hinkäme. Die Antwort kommt rasch und in graphischer Form. Ein halbes Dutzend Stecknadeln zeigt mir auf einem Budapester Stadtplan, wo es überall Legenda-Pubs, -Bars und -Kneipen gibt, einige weitere Stecknadeln, wo ich deren Flaschenbiere kaufen kann, und viele weitere Stecknadeln zeigen an, was in Budapest irgendwie ebenfalls eine Legende sein könnte – meistens, weil irgendjemand eine bestimmte Attraktion in seinen überschwänglichen Kommentaren als legendär bezeichnet hat.
Ich daddele ein wenig herum, versuche zu filtern, und schließlich finde ich den Legenda Bowling Club. Nicht allzu weit von der Station Mátyásföld Alsó der Vorortbahn H8 entfernt. Da muss es also sein!
Wir entern den nächsten passenden Bus, fahren zum Bahnhof und steigen in das kleine Rumpelbähnchen mit der Nummer H8. Ruckelnd und zuckelnd verlassen wir den Kernbereich Budapests und zuckeln durch Vororte und Felder, bis wir schließlich in Mátyásföld Alsó ankommen. Noch etwa 200 m, und wir stehen vor dem Legenda Bowling Club.
Wirklich einladend sieht er jetzt nicht aus. Ein großer, matschiger, zum Glück hartgefrorener Vorplatz, ein langgestreckter Betonbau, mit bunten Graffiti und merkwürdigen Leuchtreklamen verziert. Bowling, Pizza, Billard, Darts. Alles ist geboten. Aber es steht, zum Glück, auch etwas von Craft Beers dran. Hinein also. Wir haben es schließlich schon oft genug erlebt, dass Bierbars von außen ziemlich abschreckend ausgesehen haben und sich dann doch als ausgezeichnete und empfehlenswerte Adressen erwiesen haben.
Hier ist es – leider! – dann doch etwas anders. Uns erwartet … eine Bowlingbahn. Beziehungsweise deren zwei. Daneben ein paar Plastiktische und eine winzige Theke. Linker Hand gäbe es theoretisch noch einen kleinen, ein bisschen gemütlicheren Restaurantbereich, aber dort ist noch aufgestuhlt, nichts ist in Betrieb. Das war’s.
Die Theke lässt jeglichen eigenen Stil vermissen, wirkt ein wenig improvisiert und zusammengezimmert. Aaaber … sie offeriert knapp zehn verschiedene Fassbiere der Legenda Sörfőzde. Na, immerhin.
Wir fragen den schon etwas älteren, freundlichen Barmann, was er denn empfehlen könne, und ob hier tatsächlich auch die Brauerei selbst untergebracht sei. Zunächst ernten wir nur verständnisloses Kopfschütteln, mit Englisch kommen wir hier nicht weiter. Nicht einmal einen winzigen Schritt. Aber Deutsch geht, stellt sich einen Augenblick später heraus. Holprig zwar, aber wir finden zusammen.
Die Brauerei? Nein, die sei nicht hier, heißt es. Wie wir denn darauf kämen? Dies sei doch schließlich, und es sei groß genug draußen angeschrieben, ein Bowling Club. Nicht mehr und nicht weniger. Hier könne man bowlen, viel Bier dazu trinken, Spaß haben, und das wär’s. Lediglich abends gebe es noch ein paar Pizzen im kleinen Speiseraum nebenan.
Keine Brauerei also. Ich schaue jetzt lieber mal unauffällig nach vorne und nicht nach rechts, wo meine holde Ehefrau neben mir an der Theke lehnt. Ihre vorwurfsvollen Blicke spare ich mir für später auf und höre mir dann an, ob ich nicht in der Lage sei, mithilfe von Onkel Google sorgfältiger zu recherchieren. So spannend sei die originelle Anfahrt mit dem Rumpelbähnchen nun auch nicht gewesen…
Stattdessen lasse ich mir ein gutes Bier empfehlen, das Snake Bite Imperial India Pale Ale. 90 Bittereinheiten und 8,2% Alkohol. Eigentlich ein viel zu starkes Bier zu dieser frühen Nachmittagsstunde – aber ein kleines kann ich mir schon mal gönnen. Es ist ja schließlich Urlaub.
Großzügig zapft mir der Barmann einen halben Liter. Meinen Hinweis auf ein kleines Glas ignoriert er völlig. Vielleicht hat er ihn nicht verstanden. Vielleicht gilt hier aber auch ein halber Liter noch als kleines Glas, rustikal genug ist die Atmosphäre hier ja schon…
Mit dem Halbliterglas in der Hand kann ich es nun aber nicht vermeiden, nach rechts zu kucken, mich den Blicken meiner besseren Hälfte auszusetzen. Sie hat mittlerweile zum Glück die recht professionell aussehende Kaffeemaschine entdeckt und sich halbwegs beruhigt. Wenn es hier und jetzt einen ordentlichen Kaffee gibt, dann ist die Welt schon wieder in Ordnung. Und zum Glück: Der Kaffee ist wirklich ausgezeichnet, steht dem Bier in seiner Qualität in nichts nach. Alles ist wieder gut!
Wir sitzen an einem der kleinen Tische mit der Plastikdecke und sinnieren: Die Bierauswahl ist ja prima, und der Kaffee ist auch ganz ausgezeichnet. Aber ist das hier eine richtige Bierbar? Hat es die umständliche Anreise gelohnt?
Die Anwohner hier draußen in der Budapester Peripherie würden die Frage ohne zu zögern bejahen. Hier gibt es gutes und preiswertes Bier in ihrer unmittelbaren Nachbarschaft. Bowlen kann man da auch, und einfache, rustikale Dorfkneipen müssen nicht immer aufwändig gestylt sein. Für ein schnelles Bier nach der Arbeit und einen kurzen Schnack mit den Nachbarn reichen die kleinen Tische, der winzige Tresen allemal aus. Und der Craftbier-Fanatiker, der hunderte Kilometer anreist, der ist hier dann doch eher verkehrt. Soll er doch in die feinen Hipster-Kneipen in der Budapester Innenstadt gehen!
So sinnieren wir und sinnieren wir, nebenbei tippe ich noch ein wenig auf meinem Telefon herum, und plötzlich entdecke ich sie, die Legenda Sörfőzde. Nur ein paar Kilometer von hier. Wir hätten nur ein paar Stationen eher aus dem Rumpelbähnchen aussteigen müssen… „Hej, da könnten wir doch auf dem Rückweg in die Stadt noch einmal aussteigen und …“ Ein eiskalter Blick meiner holden Ehefrau bringt mich zum Schweigen. Betreten blicke ich in mein Bier und gebe mich vorerst mit dem Imperial IPA vor mir zufrieden …
Der Legenda Bowling Club ist täglich ab 14:00 Uhr durchgehend bis mindestens Mitternacht geöffnet; sonnabends und sonntags schon ab 11:00 Uhr. Kein Ruhetag. Zu erreichen ist er mit der Budapester Vorortbahn, Linien H8 und H9, Haltestelle Mátyásföld Alsó. Von dort aus sind es etwa 200 m zu Fuß.
Legenda Bowling Club
Veres Péter út 197
1165 Budapest
Ungarn
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