„Wir treffen uns Am Platz 5“, lautete die Verabredung mit ein paar Bierfreunden aus Deutschland. „Geht klar“, dachte ich. „Am Platz 5. Das ist Brandauers Schlossbräu. Kenn‘ ich schon, da war ich schon mal.“
Die Straßenbahn hält drei Minuten Fußweg entfernt, ein paar Schritte nur, durch die Toreinfahrt, und schon stehe ich im Biergarten des Schlossbräu. Keiner von den anderen zu sehen. Die werden bei dem herrlichen Wetter doch wohl nicht drinnen sitzen? Ich schaue durch den großen Saal. Ebenfalls keine Spur.
Als ich wieder draußen stehe, höre ich ein fröhliches Hallo. Aha, knapp außerhalb des Schlossbräu-Biergartens sitzen sie, hinter einem kleinen Zaun. „Nicht im Schlossbräu, sondern in Brandauers Bierstube! Du hast die Einladung wohl nicht genau gelesen!“ In der Tat, hatte ich nicht…
Seit Oktober 2016 hat Thomas Brandauer unter der Adresse Am Platz 5 zwei verschiedene Lokale, das Schlossbräu und die Bierstube. Ersteres schon seit vielen Jahren als klassisches Wiener Bierlokal mit einem riesigen Saal und einem großen Biergarten, letztere als eher kleine und gemütliche Bierbar mit reduziertem Speiseangebot und Schwerpunkt auf interessanten und kreativen Bieren. Beide Lokale sind durch die gleiche Einfahrt zu erreichen, aber ansonsten legt man schon Wert auf eine deutliche Trennung.
Ein schmaler Streifen des Biergartens ist durch einen Zaun abgetrennt. Diesseits ist Bierstuben-Terrain, jenseits regiert das Schlossbräu. Es sind unterschiedliche Kellner und Kellnerinnen, die bedienen, die Speisekarte ist unterschiedlich, die Abrechnung erfolgt getrennt, und … selbst das Bierangebot ist unterschiedlich.
Fünf Fassbiere bietet Brandauers Bierstube, zusätzlich knapp 30 Flaschenbiere aus aller Welt. Der weitgereiste Kenner mag für einen Moment die Nase rümpfen und anmerken, dass das ja alles bekannte und schon längst einmal verkostete Biere seien, aber das stimmt nur zu 90%. Ein paar echte Raritäten sind schon dabei, wie beispielsweise die Lemon Thyme Freestyle Gose von Next Level in der Flasche, oder das Lemon Guitar, eine Ko-Produktion von Brandauer mit der Muttermilch Vienna Brewery aus dem Fass.
Und genau das, nämlich das Lemon Guitar bestelle ich mir jetzt auch. Schöne frische zitronige Aromen, kräftige Hopfenherbe, vielleicht etwas schwach gespundet – bei der Sommerhitze wäre etwas mehr Spritzigkeit erwünscht. Aber, ehrlich gesagt, letzteres ist schon Jammern auf hohem Niveau. Mit 4,4% Alkohol ist es ein leichtes Bier, das prima geeignet ist, einen langen Biergartenabend einzuläuten. Wie wir am nächsten Tag von der Brauerin erfahren werden, ist dieses Bier in der Tat mit echten Limonen eingebraut – die frischen Aromen kommen also nicht nur vom Hopfen.
Während ich dieses Bier genieße, erfährt mein Banknachbar gerade die Schwierigkeiten der Trennung von Brandauers Schlossbräu und Brandauers Bierstube. „Ich hätte gerne ein Zwickel“, tönt er und muss sich belehren lassen, dass es das nur auf der anderen Seite des Zauns beim Schlossbräu gebe, aber nicht in der Bierstube. Für einen Moment überlegt er, sich dann halt auf die andere Seite zu setzen und sich über den Zaun hinweg mit uns zu unterhalten, aber schließlich fügt er sich in die „Gütertrennung“, wie es für den Rest des Abends scherzhaft heißt.
Das deftige Essen (klassisch wienerisch: Käsekrainer) verlangt nach einer süffigen Begleitung, und so bestelle ich mir die Untergiesinger Erhellung aus dem Giesinger Bräu in München. Ein feines, weiches und ausgewogenes Helles, schön süffig und genau richtig, um die fetten Käsekrainer hinunterzuspülen. Schön!
Es ist bullig heiß, und auch zu späterer Stunde kühlt die Luft in der Stadt kaum ab. Der Biergarten des Schlossbräu ist voll, der schmale Streifen Biergarten der Bierstube ebenfalls. Drinnen in der Bierstube könnte man, futuristisch in blaues Licht gehüllt, im klimatisierten Raum sitzen und sich von der Hitze erholen, aber dort verlieren sich nur ganz wenige Biertrinker, die den Blick auf den Fernseher mit dem Sportkanal genießen, alle anderen sitzen draußen. Ein ganz normaler Arbeitstag ist heute, Mittwoch, und trotzdem sitzen die Menschen bis spät in die Nacht, trinken und feiern als gäbe es kein Morgen. Mediterranes Feeling mitten in Wien.
Auch ich gönne mir, obwohl es schon spät ist, noch ein letztes Abschlussbier, und zwar das Insider IPA von Naparbier aus Spanien. 7,3% Alkohol hat es – jetzt, zu vorgerückter Stunde, darf es auch etwas Kräftigeres sein. Als Betthupferl oder Night Cap, gewissermaßen. Die Hopfennoten sind spannend, es sind nicht nur die zitrusartigen Standardaromen, die ich rieche, sondern auch einige eher kräuterige Elemente, die mir sehr gefallen. Ein netter Abschluss für den Abend. Gelungen!
Brandauers Bierstube ist täglich von 17:00 bis 02:00 Uhr geöffnet; kein Ruhetag. Die Straßenbahnlinien 10 und 60 bringen uns bis zum Dommayerplatz, und von dort sind es etwa drei Minuten zu Fuß.
Brandauers Bierstube
Am Platz 5
1130 Wien
Österreich
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