Gerhard Schoolmann:
Die bayerischen Taliban der reinen Lehre

Wer in Deutschland ein Bier brauen will, das anders schmeckt als die Einheitsbiere, und deshalb die Restriktionen des Reinheitsgebots nicht akzeptieren möchte, hat zur Zeit drei Möglichkeiten:

1. Er braut außerhalb Deutschlands, besonders beliebt sind dabei Belgien, Dänemark oder Tschechien je nach der Nähe zum deutschen Standort, und importiert dann das im Ausland gebraute Bier nach Deutschland, wo es als Bier verkauft werden darf.

2. Er beantragt eine Sondergenehmigung. Dies ist aber nur im Rahmen der Regeln des deutschen Reinheitsgebots möglich und nicht innerhalb Bayerns. Bayerische Brauer könnten aber in Braustätten anderer Bundesländer ausweichen und für eine Produktion dort eine Genehmigung beantragen oder von einem Lohnbrauer beantragen lassen.

3. Er verwendet für das Erzeugnis eine andere Bezeichnung als Bier.

Der Beirat des Bayerischen Brauerbundes hat im Rahmen der Vorbereitungen des 500. Jubiläums des Bayerischen Reinheitsgebots einstimmig beschlossen, die Lebensmittelüberwachungsbehörden der anderen Bundesländer aufzufordern, sich verbindlich und bundesweit darauf zu verständigen, welche Produkte als „besondere Biere“ überhaupt genehmigungsfähig wären. Zugleich hat man sich gegen die o.a. dritte Möglichkeit ausgesprochen. Sie eröffne eine beliebige Umgehung des Reinheitsgebots. Quelle: Bayr. Brauerbund e.V., Mitteilungen Nr. 9 vom 29.09.2014. Download auf: Klares Bekenntnis zum Bayerischen Reinheitsgebot.

Nun ist zu befürchten, daß gegen diejenigen kreativen Brauer, die die zweite und dritte Möglichkeit nutzen, vorgegangen wird. Behörden in Bayern könnten sich weigern, eine Ausnahmegenehmigung zu erteilen, z.B. wenn in Bayern ein Witbier nach klassischem Rezept mit Orangenschalen und Koriander gebraut werden soll. Gegen die Erzeuger von Bier, die ihr Bier nicht als Bier bezeichnen, könnte geklagt werden.

MiniaturIch hoffe, daß wieder einmal ein höchstes Gericht darüber befinden kann. Beim letzten Mal ging es ja zugunsten der Brauerei (Klosterbrauerei Neuzelle) aus, weil das Bundesverwaltungsgericht zu Recht erkannt hat, daß es sich bei dem Reinheitsgebot nicht um eine Norm handelt, das der Marktabschottung der Einheitsbierproduzenten dienen soll, sondern um ein Verbraucherschutzgesetz. Und wenn der Verbraucher geschützt werden sollte, dann vor der Plörre der Einheitsindustriebierproduzenten und nicht vor einem köstlichen, mit natürlichen Zutaten gebrautem Craft-Bier wie z.B. einem Espresso-Stout, einem Himber-Porter, einem Lavendel-Ale oder einem Bier mit Vanille und weißer Schokolade. BVerwG 3 C 5.04 vom 24.02.2005.

Autor: Gerhard Schoolmann
wiederveröffentlicht von Bier in der Gastronomie
mit freundlicher Genehmigung des Autors

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