Wir fragen die aufgeklärten Biertrinker, denn viele der Brauer haben inzwischen vom Bayerischen Brauerbund einen Maulkorb verpaßt bekommen. Da es beim Bier aber um den Verbraucher geht, soll er doch mal zum Zuge kommen.
Paul August Bieringer, 1966, München
Vorweg: Es ist nicht der wahre Name, aber in der Facebook-Bierszene kennt man ihn so. Darum übernehmen wir diesen Namen auch. Das Foto ist authentisch von ihm. Immerhin. Angst hat er auch keine.
1. Erinnerst Du Dich noch, wie es für Dich war, als Du realisieren mußtest, daß der Begriff Reinheitsgebot nur ein Marketinginstrument ist, und daß in Wahrheit nach dem Lebensmittelgesetz gebraut wird?
Ich war wie vom Donner gerührt und musste mich ganz doll an meinem Spiegelau Glas mit Rhabarber Gose festhalten.
Aber ganz im Ernst, das war bei mir ein schleichender Prozess, der mit einem Facebook Post von Dir, liebe Esther, begann. Du wolltest nämlich wissen, ob es im Reinheitsgebot Malz oder Gerste heißt. So wurde mir langsam klar, dass man das Label mehr oder weniger lieblos als Marketing Claim benutzt und es als Qualitätsmerkmal leider gar nicht taugt.
Vor allem wenn man mal ein paar Weltklassebiere getrunken hat, die eben nicht nach dem Reinheitsgebot gebraut worden sind, also z.B. Trappistenbiere, belgisches Wit, oder eine „neumodische“ Kreation vom Paxbräu wird einem klar, dass neben Gerste, Hopfen und Wasser auch andere Zutaten ihre Daseinsberechtigung im Bier haben.
Und wenn man sich dann länger mit dem Thema Bier beschäftigt wird einem klar, dass das Reinheitsgebot als alleiniges Kriterium vor allem von denen verteidigt wird, deren Biere ansonsten nichts zu bieten haben.
2. In 2012 hat die Verbraucherzentrale ganz deutlich am Beispiel der Erdinger Brauerei entschieden, daß auf den Bieretiketten nicht mehr stehen darf „Gebraut nach dem Bayerischen Reinheitsgebot von 1516“ und das nach dem Lebensmittelgesetz gebraut werde. Man möchte meinen, daß diese Aussage zu einem Aufschrei in Deutschland und zu einer Abwendung von den Bieren, die nach dem Reinheitsgebot gebraut sind, geführt haben müßte. Tatsächlich ist verbraucherseitig nichts passiert! Kannst Du mir erklären?
Naja, erstens hat das wohl kaum einer gemerkt, und zweitens ist das ein wenig so wie mit den Verbrauchswerten in den Autokatalogen. Da weiß auch jeder, dass das alles nicht stimmt, aber aufregen will sich keiner drüber. Aber gerade das Weissbier ist ein schönes Beispiel dafür, wie man sich das RHG (Reinheitsgebot) als Werbemittel zurechtlegt.
Und warum sollte man sich deshalb von Bieren, die nach dem RHG gebraut werden, abwenden? Es geht ja nicht darum, solche Biere zu ächten, sondern darum, dass man auch zusätzlich andere Biere brauen darf. Ein bayrisches Märzen sollte z.B. immer dem RHG entsprechen.
3. Im kommenden Jahr feiert das Bio-Reinheitsgebot sein 25jähriges Bestehen. Nach inständigem Bitten des Bayerischen Brauerbundes sehen sie aber von Feierlichkeiten ab und überlassen dem Brauerbund die Festbühne. Welche Gedanken kommen Dir dazu?
Da ich weder das Bio-RHG noch die Details zum Jubiläum kenne, kann ich dazu nix sagen.
4. Inzwischen haben wir es in der Branche mit einem dritten zu klärenden Begriff zu tun: CRAFT, Handwerk. Auch steht Marketing im Vordergrund, und daß das Handwerk sekundär ist, beweist beispielsweise die Tatsache, daß eine Störtebeker Brauerei sich in Braumanufaktur umbenannt hat (geschätzter Ausstoß 200.000 hl). Wollen wir betrogen werden? Wollen wir in unseren Köpfen diese Bilder vom verschwitzten Brauer, der nachts bei Mondenschein mit seiner Mutter noch das Gebräu umrührt?
Also Bilder vom verschwitzten Brauer hab ich nur ungern im Kopf ;-) Aber gerade beim Begriff Craft und dessen Auslegung geht’s ja in Deutschland hoch her. Die Puristen hätten gerne ne Industrienorm, und nur wer die erfüllt, bekommt den Craft Stempel und alles andere wird nicht getrunken. Auf der anderen Seite wird natürlich ein erfolgreicher Begriff sofort von cleveren Marketingleuten aufgegriffen und eingesetzt. Da kann man jetzt weinen und das ungerecht finden, aber ändern wird man da nichts mehr.
Interessant dabei ist aber, dass man auf den Etiketten der „craftigsten“ Brauer das Wörtchen „Craft“ am seltensten findet. Ich denke da an Camba Bavaria, Ale-Mania, Schoppebräu etc. Dafür prangt es um so größer auf Bieren, die eher im Kielwasser hinterherschwimmen, siehe z.B. Craftwerk von Bitburger.
5. Was wünschst Du persönlich Dir für Dein Bier?
Also, als erstes sollte immer genug davon vorrätig sein.
Als zweites wünsche ich mir, dass ich meine Bier’ auch mal in der Gastronomie wiederfinde, da besteht noch immenser Nachholbedarf. Und was die Qualität angeht, da bin ich mit Norbert Krines d’accord, der ja schon mal ein Reinheitsgebot 2.0 entworfen hat: Die Zutatenliste wird erweitert, allerdings müssen alle Stoffe (und auch z.B. Filtrationsmethoden) auf dem Etikett angegeben werden (siehe z.B. hier). Dann kann sich jeder aussuchen welche Qualität sein Bier haben soll.
Fragen: Esther Isaak
wiederveröffentlicht von Bierguerilla
mit freundlicher Genehmigung der Autorin
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