Das Leben kann sehr einfach sein. Ein Mensch hat Lust auf gutes Bier. Er findet eine Gaststätte mit dem Namen Gutes Bier. Er geht hinein, setzt sich hin und trinkt gutes Bier. Sehr einfach.
Und dann ist es auch schön, das Leben.
Auf dem Marienplatz in Uherské Hradiště (Ungarisch Hradisch), einem kleinen, etwas verschlafenen Städtchen ganz im Südosten Tschechiens, passiert mir genau dies an einem Sonnabend, zu früher Abendstunde.
Außenansicht
Der große Marktplatz ist umgeben von schön renovierten Gebäuden, und an einem dieser klassizistischen Steinhäuser hängt neben einer warm leuchtenden Laterne eine kleine, unauffällige Reklame: Dobré Pivo. Gutes Bier. Nicht mehr und nicht weniger. Wieviel Kraft, wieviel Magie, wieviel Anziehungskraft in diesen zwei Worten liegen kann. Es bedarf keiner schneidigen Werbesprüche, keiner bunt flackernden Neon- oder LED-Lampen, keiner lauten Musik, keines großen Marktgeschreis. Nur eines kleinen, ovalen Schilds. Gutes Bier.
Dobrè Pivo
Durch einen Torbogen geht es in die Einfahrt und von dort durch eine simple Holztür in den Schankraum. Schlichte, weiß gestrichene Kreuzgewölbe, darunter eine Handvoll einfache, solide Holztische mit Stühlen und Bänken, und an der Seite eine kleine Theke. Jung und Alt sitzen an den Tischen beisammen, leise Unterhaltungen, Gelächter. Keine laute und aufdringliche Musik, sondern nur der Klang von Menschen, die beieinander sitzen und sich und die Welt genießen.
Die Bierauswahl ist nicht sehr groß, gerade einmal vier Zapfhähne gibt es – beschriftet mit kryptischem Zahlenwerk: 11°, 12°, 13° und 16°. Wie fast überall in Tschechien wird lediglich die Stammwürze des Biers angegeben, und jeder weiß Bescheid. Wobei, hier im Dobré Pivo, im Guten Bier, ist es ein wenig anders. Denn es sind nicht immer die gleichen Biere, die hier angeboten werden, sondern immer wieder neue Marken aus immer wieder anderen kleinen und Kleinstbrauereien. Gegenüber der Theke, zwischen den beiden Fenstern zum Marienplatz, hängt die Übersichtstafel und verrät, welches Bier sich hinter welchem Zapfhahn verbirgt.
die Kreidetafel informiert über das aktuelle Bierangebot
Ein Bier sticht mir sofort ins Auge, und ohne weiter nachzudenken, noch bevor ich weiß, ob es ein Helles oder ein Dunkles, ein starkes oder ein leichtes Bier ist, bestelle ich es. Einfach nur aufgrund des Namens. Wenn hier in Tschechien ein Bier „Alleš Gute“ heißt, ja, in der Tat mit dem kleinen Haček auf dem š, dann kann das nichts Schlechtes bedeuten, sondern nur Gutes, Alles Gute sogar nur!
Ich bekomme ein würziges Märzenbier mit 13° Stammwürze aus der 1. Selský Pivovar Kroměříž, einer winzigen Brauerei ein Dutzend Kilometer von hier in Kroměříž (Kremsier), einer ebenfalls wunderschön renovierten Kleinstadt. Lecker und süffig, und vor allem kräftig aromatisch. Da können sich die hochgelobten, aber im Vergleich wässrig wirkenden Oktoberfestbiere Münchens eine Scheibe abschneiden. So kann, so muss Märzen schmecken! Und nicht so, wie die verwässerte, verwarsteinerisierte gelbe Flüssigkeit, die in den Zelten auf der Theresienwiese als Oktoberfest-Märzen angepriesen wird.
Alleš Gute
Noch ein zweites Bier darf es sein, und ich wähle das India Pale Ale namens Peter aus Holič aus der Brauerei Wywar, ebenfalls nicht weit entfernt, aber schon jenseits der Landesgrenze, in der Slowakei. 16° Stammwürze verspricht die Beschriftung des Zapfhahns, aber wovon sie nichts verrät, das ist das gewaltige Fruchtaroma, das diesem Bier entströmt. Ich fühle mich auf einen Obststand auf dem Markt in Funchal auf Madeira versetzt. Tropische Früchte, herbe, süße, blumige Aromen – wunderbar! Eintauchen in diese Aromen, den ersten Schluck nehmen und einfach nur genießen. Die Zeit und die Welt drum herum vergessen. Was für ein Bier!
„Davon möchte ich eine Flasche mitnehmen!“, holt mich meine Frau in die Realität zurück. „Wenn ich schon fahren muss und mich hier bei alkoholfreiem Bier kasteie, dann sieh‘ Du wenigstens zu, wo Du für mich eine Flasche von diesem Bier auftreiben kannst! Hopp!“
der Schankraum ist schlicht, aber einladend
Aus meinen Genussträumen gerissen, ernüchtert, stolpere ich zur Bar und frage die nette Kellnerin, und – Glück muss der Mensch haben! – eine einzige Literflasche dieses Biers findet sich noch ganz hinten im Kühlschrank. Der Ehefriede ist gerettet, der Rest des Abends, wieder auf dem heimischen Sofa, ebenfalls. Zu dritt sitzen wir dort: meine Frau und ich, und Peter, das IPA.
Die kleine Bierbar Dobré Pivo hat täglich ab 15:00 Uhr geöffnet, sonnabends erst ab 18:00 Uhr. Sonntags ist Ruhetag. Es gibt vier verschiedene, ständig wechselnde Fassbiere (die Liste aller jemals angebotenen Biere sowie der aktuellen und bald kommenden ist im Internet einsehbar)und einigem Flaschenbiere. Außer Hermelín, dem eingelegten oder gebackenen Käse, gibt es nichts zu essen. Zu erreichen ist die Bar mit der Bahn, es sind etwa 300 m bis zum Bahnhof. Oder man kommt mit dem Auto und parkt direkt am Marienplatz.
Pivotéka Dobré Pivo
Mariánské Náměstí 46
686 01 Uherské Hradiště
Tschechien
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