Craft
Meiningers Magazin für Bierkultur

Etwa zeitgleich zum Erscheinen des dritten Heftes habe ich etwas verspätet das zweite Heft des Magazins Craft in die Hand bekommen. Auf dem Titelbild: Mikkel Borg Bjergsø, der kreative Kopf hinter den Mikkeller-Bieren.

Craft
Meiningers Magazin für Bierkultur

Die Geschichte zum Titel dreht sich also um ihn, seine Biere, seine Bierbars rund um den Globus und um seine ambitionierten Zukunftspläne. Schön zu lesen, gut recherchiert. Prima. Auch die eine oder andere Geschichte über Craft-Brauer in Deutschland und der Welt liest sich ganz gut. Layout und Druck sind unverändert ausgezeichnet.

Und doch bleibt nach dem Lesen erneut das Gefühl der Unzufriedenheit. Wen von den Lesern, die dieses Magazin aufgrund des vielversprechenden Titels Craft gekauft haben, interessiert wohl der Artikel des Chefredakteurs, der mit dem neuen Geschäftsführer von Warsteiner, Martin Hötzel, joggen war und ihn dabei interviewt hat? Ein Artikel voller auswechselbarer Phrasen, der genau so auch nach einem Interview mit jedem x-beliebigen Manager einer Firma hätte entstehen können, die nichts, aber auch gar nichts mit Bier zu tun hat. Nirgends im Hauptartikel geht es um das Produkt Bier, überall nur um die Marke Warsteiner. Naja, und wie es um die bestellt ist, zeigen die Absatzzahlen. Der halbherzige Versuch, mit Warsteiner Herb etwas zu retten, war ja nicht wirklich ein Durchbruch, und ob ein Manager, der die Marke nun retten soll, wirklich glaubwürdig für das Produkt Bier stehen kann, wenn er frei von der Leber weg zugibt, Wodka Red Bull, also Gummibärchen-Brause mit Alkohol zu mögen? Ach nein, wir haben ja gerade festgestellt, dass es um das Produkt Bier gar nicht geht, sondern nur um die Marke Warsteiner

„Wir nehmen jeden Brauer ernst“

Ähnlich merkwürdig das Interview mit dem Marketingdirektor von Anheuser-Busch InBev Bremen, verantwortlich für die Biere der Marke Beck’s. Stramme Behauptungen finden sich in dem Interview. Wir erinnern uns: Vor wenigen Monaten hat Beck’s drei neue Biere auf den Markt gebracht, ein Amber Lager, ein Pale Ale und ein 1873 Pils. Sehr positiv waren die Reaktionen in den Bierforen Deutschlands und den sozialen Medien nicht – teilweise wurden diese drei Biere richtig heruntergemacht. Ob das verdient war oder nicht, sei dahingestellt, aber die Behauptung des Marketingdirektors Henner Höper „…die Konsumenten geben uns ausschließlich positives Feedback“ ist objektiv falsch. Da haben wir wohl die falschen Quellen studiert, Herr Höper? Ein „überwiegend“ hätte ich noch akzeptiert, aber ein „ausschließlich“? Falsch, falsch, falsch! Ist bei Beck’s eine gewisse Autosuggestion nötig, um sich selbst Mut zu machen, sich die Welt schön zu reden?

Ach, wie oft habe ich in meinem „richtigen Beruf“, der nun gar nichts mit Bier zu tun hat, genau mit dieser Sorte Managertypen zu tun, die auch noch den größten Misserfolg schön reden, um ihre Pfründe zu retten, den Bonus am Jahresende noch einzuheimsen, den eigenen Kopf auf den Schultern zu behalten. Was für eine verlogene Welt…

Ach, und am Gender-Profil sollten wir vielleicht auch noch etwas arbeiten, oder? „Wir haben aber auch sehr viel positives Feedback von Frauen bekommen. Das hat uns überrascht.“ Aha, man hat also negatives Feedback erwartet? Oder gar keines? Blondchen nickt nur blöd und trinkt, was man ihr an der Bar spendiert? Ohne jedes Feedback? Meine Güte, was für ein Bild im Jahr 2015! Und zwei Sätze weiter heißt es „… gerade die fruchtige Hopfennote des Pale Ale sowie das ausgewogene Amber Lager spricht“ (sprechen müsste es heißen, Plural, aber deutsche Grammatik ist schwer…) „auch Frauen besonders an.“ Ach, dann dürfte aber doch das positive Feedback der Damen, zwei Sätze vorher erwähnt, keine Überraschung gewesen sein? Was für ein in sich widersprüchliches Geschwätz.

Dem Chefredakteur ist es nicht aufgefallen. Schlimm!

Oder es ist ihm aufgefallen, und er hat es trotzdem gedruckt. Schlimmer!

Schade, dass durch solche wirklich schlechten Artikel die guten in den Hintergrund geraten.

Und ein paar gute gibt es schon! Die Artikel über Mikkeller, über die Camba Old Factory, über Ulrich Sander und über die Fassreifung in der Brauerei Sander sind richtig gut. Ja, sogar der Bericht über das Eiswerk. Obwohl es sich beim Eiswerk um eine Kleinstbrauerei handelt, die zu Paulaner, zu einer Bierfabrik, gehört, entsteht hier tatsächlich echtes Spezialbier, und der Artikel liest sich gut.

Aber es bleibt erneut, auch nach Lesen der zweiten Ausgabe, ein schaler Nachgeschmack.

Craft
Meiningers Magazin für Bierkultur
Meininger Verlag GmbH
Neustadt, 2015

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