Die Sommerhitze liegt über der Stadt, es ist staubig und kein Lüftchen geht. Lissabon im Juli zu Fuß zu erkunden, erfordert ein gewisses Durchhaltevermögen. Und dennoch: Ich laufe kreuz und quer, sauge die Eindrücke auf wie ein Schwamm. In der Vergangenheit war ich schon häufiger in Lissabon, und so kann ich es mir leisten, ein wenig von den klassischen Touristenpfaden abzuweichen, die Sehenswürdigkeiten, die jeder Reiseführer als obligatorisch ansieht, links liegen zu lassen und mich einfach treiben zu lassen. Mal hierhin abbiegen, mal dorthin.
Es ist ein ständiges Auf und Ab. Lissabon besteht nur aus Hügeln, miteinander verbunden durch schmale Gässchen, steile Treppen und an der einen oder anderen Stelle durch die leuchtend gelb gestrichenen kleinen Bähnchen – Kabel- oder Zahnradbahnen, die den Stadtwanderer auf direktem Wege eine Ebene höher bringen.
Irgendwann regt sich der Durst, und die Beine werden müde. Ich befinde mich ein gutes Stück nördlich der historischen Altstadt und befrage mein schlaues Telefon, wo ich das nächste leckere Bier finden kann. Und ich habe Glück: Nur zweihundert Meter vom derzeitigen Standort entfernt gebe es die Bierbar Cervetoria, meldet Cortana.
Cervetoria
Drei Minuten später stehe ich dort. Schön ist’s derzeit nicht – eine gewaltige Baustelle direkt vor der Tür, großer Lärm, viel Staub und ein hoher Zaun, der nur einen schmalen Fußweg freilässt, der zur Cervetoria führt.
Aber kaum habe ich den kleinen Schankraum betreten und die Tür hinter mir geschlossen, sind Lärm und Dreck sofort vergessen. Ein paar kleine und schlichte Tische, eine kleine Bar mit einem Kühlschrank, der zwar nicht gewaltig groß ist, aber schon auf den ersten Blick eine gut sortierte Bierauswahl präsentiert.
Auf dem Tisch liegen kleine Menükarten – jeweils ein Bogen für Essen, für Getränke und für Bier. Hunger habe ich bei der Hitze nicht, ich schlage sofort die Bierkarte auf und freue mich: Eng bedruckt offeriert die Seite fast hundert verschiedene Biere, und auf der Seite gegenüber sind sie nach Herkunftsländern und Bierstil noch einmal grafisch aufbereitet. Nett gemacht und sehr übersichtlich.
die Auswahl ist groß
Ich fahre mit dem Finger noch ein wenig unschlüssig über die Karte, da schreckt mich eine Stimme auf: „Wir haben aber leider nicht immer alle Sorten auch da – ich helfe Dir aber gern bei der Auswahl.“ Unbemerkt war die Kellnerin hereingekommen und hatte offensichtlich schon einen Moment lang beobachtet, wie ich mich durch die Karte hangelte. „Heute, bei der Sommerhitze, kann ich Dir ein frisches, spritziges Weißbier empfehlen. Entweder ein deutsches, das trinken die Einheimischen hier besonders gern, oder eins von der Brauerei in Coimbra, das nehmen die ausländischen Gäste meistens.“
Eigentlich bin ich ja kein Weißbierfan, aber irgendwie ist es angesichts des Straßenstaubs und der Hitze doch verlockend, und so entscheide ich mich für das Praxis Weiss aus der Fábrica da Cerveja in Coimbra. Eine gute Wahl, das Bier ist in der Tat spritzig und erfrischend, leicht fruchtig, und nur dezent hefig. Ein gelungenes Bier.
Seit etwas weniger als einem Jahr gebe es die kleine Bar nun schon, erzählt die junge Dame. Man habe sich auf Flaschenbiere spezialisiert, da könne man Nachfrageschwankungen besser abpuffern, und auch die internationalen Biere seien in Flaschen leichter zu bekommen und zu lagern als in Fässern. Vom Fass gebe es eigentlich nur das Estrella Galicia und das 1906 Reserva, beide aus Spanien. Die beiden Biere seien aber während der Fußballeuropameisterschaft gut angekommen, da sei sie mit dem Zapfen kaum hinterhergekommen.
Ich gratuliere ihr artig zum Gewinn der Europameisterschaft, und bekomme ein Seufzen zur Antwort: „Ach! Dankeschön, das war schon toll. Die ganze Stadt hat gefeiert, es war eine wunderbare Party“, sagt sie, „aber danach haben wir das Endspiel jeden Tag drei oder vier Mal auf dem Flatscreen zeigen müssen. Die Bar war jedes Mal rappelvoll, die Stimmung toll, aber irgendwann konnte ich das Spiel eigentlich nicht mehr sehen, konnte schon jeden Satz des Kommentators synchron mitsprechen.“ Noch ein tiefer Seufzer und ein Achselzucken. „Naja, jetzt ist der Rummel vorbei, alles hat sich wieder beruhigt und normalisiert.“
der gemütliche Thekenbereich
Ich sehe mich noch einmal um. Noch bin ich der einzige Gast, aber man rüstet sich für den Ansturm. Sowie in der Uni gegenüber Schluss ist, kommen Studenten wie Dozenten auf ein kleines Bier, und dann herrscht hier ein ordentlicher Trubel. Trotz der lästigen Baustelle direkt vor der Tür. Und dann wird sicherlich auch rasch die kleine Kreidetafel aktualisiert werden müssen, auf der die Biere aufgelistet sind, die es nur in begrenzter Menge gibt. Ein paar Belgier sind dabei, aber auch britische Biere und einige von den noch ganz jungen portugiesischen Kleinstbrauern. Eine schöne und interessante Auswahl.
Die kleine Bierbar Cervetoria ist täglich ab 12:00 Uhr durchgehend geöffnet; sonnabends und sonntags erst ab 18:00 Uhr. Kein Ruhetag. Sie liegt direkt gegenüber des Instituto Superior Técnico; von der Metro-Station Alameda (grüne Linie und rote Linie) sind es drei Minuten zu Fuß.
Cervetoria
Avenida Rovisco Pais 6A
1000-268 Lisboa
Portugal
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