Es gibt Menschen, die trinken zum Frühschoppen auf nüchternen Magen schon einen Tripel-Bock mit 9,0% Alkohol. Und es müssen noch nicht einmal suchtkranke Alkoholiker sein, sondern es genügt, zum 1. Hannöverschen Hobbybrauerstammtisch eingeladen zu werden.
Für den 2. März 2014 hatte Michael Merten als inoffizieller Lordsiegelbewahrer und Verwalter der Mitgliederrolle des 1. Hannöverschen Hobbybrauerstammtischs in den Springer Ortsteil Bennigsen ins Bennexer Brauhaus eingeladen, und 14 Haus-, Hobby- und Gasthausbrauer waren seiner Einladung gefolgt.
Das Bennexer Brauhaus blickt auf eine fast zehnjährige Erfolgsgeschichte zurück, während der aus einer kleinen Gasthausbrauerei eine durchaus respektable Regionalbrauerei entstanden ist, in der Rainer Kruppa als Brauer und Eigentümer mittlerweile getrennt vom unverändert in den vorderen Räumen des Hauses betriebenen Restaurant Biere von außerordentlicher Qualität braut.
Und nachdem schon gleich nach Eintreffen der Teilnehmer im Brauhaus das Gerücht die Runde machte, dass es den Bock nur noch in Restbeständen gebe, wurde auf Nummer sicher gegangen und die Verkostung damit begonnen. Bennexxxator Triple-Bock, mit drei X und neun Prozent – malzig und voll, mit schönen süßlichen, leicht an Dörrobst erinnernden Fruchtnoten und einer weichen, komplexen Geschmacksfülle. Ein herrlicher Auftakt für das Treffen, und gleichzeitig ein Eisbrecher, der die Zunge löste und die anwesenden neuen Gesichter sofort in die Gruppe integrierte.
Rainer Kruppa nahm sich anschließend viel Zeit, seine Brauerei in allen Details vorzustellen. Überraschende zwölfeinhalb Hektoliter beträgt die Sudlänge bei einer Malzschüttung von rund 200 kg, und auf der blitzsauberen und im dezenten seidigen Glanz des Edelstahls strahlenden Anlage entstehen in dieser Größenordnung nicht nur die klassischen Brauhausbiere für die Restauration im Haus, also Hell, Dunkel, Weizen, sondern auch jede Menge besondere Biere. Ob als Kontraktbiere oder für die eigene Marke Bennexer – in den Gär- und Lagertanks reiften Altbier, Dunkelbier, Oatmeal Stout und zwei verschiedene Sorten India Pale Ale, dazu kamen noch ein kräftiges Stout und ein frisch auf Flaschen gezogener Weizenbock.
Eine bunte Palette gab es also zu zwickeln und zu verkosten, und zu jedem Bier konnte Rainer etwas erzählen. Besonders interessant ist sein Umgang mit den Hopfensorten. Zwar braut er dem aktuellen Trend folgend mit amerikanischem Simcoe und neuseeländischem Nelson Sauvin Hopfen, gleichzeitig versucht er aber auch, die Bierstile nach und nach mit deutschen Hopfensorten nachzuempfinden. Ob Mandarina Bavaria oder Saphir, auch hier ist das Potential für fruchtige und gleichzeitig angenehm bittere Aroma- und Geschmacksnoten gewaltig, und Schritt für Schritt will er sich eben dieses Potential erschließen.
Vielleicht abgesehen vom Oatmeal Stout, das noch nicht einmal in den Lagertank umgepumpt worden war, sondern sich noch mitten in der Hauptgärung befand und damit noch viel zu jung war, waren alle Biere von höchster Qualität und würdige Vertreter ihres jeweiligen Stils, und unsere Hobbybrauer diskutierten noch lang, ob denn das IPA Version 1.2 oder das IPA 1.3 das bessere gewesen sei.
Nach Rückkehr in das Restaurant wurden aber auch die mitgebrachten Flaschen verkostet. Vom Robens Kerkerbräu gab es Jeckengold, eine sehr eigensinnige, malzig-vollmundige Interpretation eines Kölsch, sowie ein Highlander, ein mit Torfmalz abgeschmecktes, schottisches Rauchbier. Rainer Cronjäger hatte ein paar interessante Experimente gemacht – einen Hopfenstrauß mit unterschiedlichen Hopfen (-resten) gebunden, in dem spannende grasige und heuartige Noten herauszuschmecken waren, und ebenfalls ein Whiskybier, das mit über Torf gedarrtem Malz abgeschmeckt war. Bemerkenswert.
Das Martfelder Hausbräu gab es heute in zwei Versionen zu kosten, zum einen als Winterbock, schön malzig und rund, wenn auch nicht ganz so stark und vollmundig wie der Triple Bock, gleichwohl aber ausgezeichnet, und zum anderen als, nun ja, nach eigener Aussage „So ‘ne Art Pils“. Aha! Lecker, hopfig, ausdrucksstark, aber in der Tat – so ein richtiges Pils war es nicht, sondern landete stilistisch ein wenig zwischen den Stühlen. Gut zu trinken, aber es passte in keine Schublade.
Noch viel weniger ließen sich die Biere von Christian Krause in eine Schublade stecken. Wie soll man ein „Doppel-Pils“ beschreiben, das nach einer eingeschlafenen Gärung mit einer zweiten Hefegabe noch einmal vergoren worden ist? Oder das Doppel-Wit, das unter Zugabe von großen Mengen Koriander und vor allem Orangenmarmelade (!) gebraut wurde? Dagegen waren das Nelson Sauvin Pale Ale und das Milk Stout ja geradezu konservativ. Gleichwohl, nach einhelliger Meinung hatte Christian mit seinen Bieren heute den Vogel unter den Hobbybrauern abgeschossen, und mehr als einmal hörte man den Kommentar „Der kann was!“
Als sich der Stammtisch dann gegen halb vier begann, aufzulösen, weil die Bahn ihren Taktfahrplan nicht an den Hausbrauern ausrichten wollte, sondern umgekehrt von diesen erwartete, dass sie pünktlich am Bahnhof stünden, waren aber alle zufrieden. Vierzehn Teilnehmer, mindestens neunzehn verkostete Biere (vielleicht auch mehr, da ich nicht pünktlich eingetroffen und somit meiner Chronistenpflicht nur eingeschränkt nachgekommen war), eine spannende Brauereibesichtigung, gutes Essen und viele interessante, teilweise auch regionaltypisch lautstarke Gespräche – ein prima Stammtisch, der den Umweg nach Bennigsen ganz sicher gelohnt hat.
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