Ein bisschen vergilbt ist es schon, das kleine Bändchen über Bier aus DDR-Sicht, das mir in die Hände gefallen ist. Herausgegeben 1983 in Leipzig, ein kleines Taschenbuch mit etwas über 170 Seiten. „Rund ums Bier“, verspricht der nicht gerade einfallsreiche Titel, und die dezent farbige Grafik auf dem Umschlag zeigt eine Stubbi-Flasche und ein halbes Dutzend stilisierte Biergläser.
Das Buch liest sich flüssig, der Stil ist eingängig, wenn auch nicht gerade mitreißend, und in fünf Abschnitten wird dem Leser einiges rund ums Bier nahegebracht – oftmals sehr durch die zeitgenössische, und noch öfter natürlich durch die sozialistische Brille gesehen.
Der erste Abschnitt, offensichtlich obligatorisch in jedem Buch über Bier, ein Abriss der fünftausendjährigen Geschichte: „Vom Ursprung des Bieres“. Die übliche Aneinanderreihung von Fakten, beginnend im Zweistromland Mesopotamien über die Biergeschichte des Mittelalters, die Rolle der Klöster, bis hin in die Neuzeit. Kennt man ja. Doch halt, etwas fällt auf: Das sogenannte Reinheitsgebot von 1516 fehlt. Es wird nicht nur nicht näher erläutert, sondern gleich völlig verschwiegen. Heißa!
Aber natürlich ist der Grund dafür offensichtlich, und das ist mitnichten die Tatsache, dass es wünschenswert wäre, auch mit anderen natürlichen Zutaten als Getreide, Hopfen, Hefe und Wasser zu brauen, sondern dass es in der DDR üblich war, Bier mit Zuckerzusatz zu brauen und zusätzliche Enzyme zu verwenden, wenn der Zuckeranteil einmal gar zu hoch geraten war. Das Buch macht auch gar kein Geheimnis daraus, wie man auf Seite 90 dann später nachlesen kann: „Auch der Zusatz von Zucker im Sudhaus ist vielfach üblich. (…) Das durch den verringerten Malzeinsatz reduzierte Enzympotential wird durch Zugabe von natürlichen Enzympräparaten erfolgreich ausgeglichen.“
Der zweite Abschnitt des Buchs, „Bier hier – Bier dort“, liest sich aus heutiger Sicht am unterhaltsamsten. Zunächst wird der Bierdurst der DDR-Bürger mit 138 Litern pro Kopf und Jahr gelobt, und anschließend wird Bier in der DDR und Bier beim Nachbarn vorgestellt. Gärzeitverkürzende Verfahren, Großraumreaktoren (heute als ZKG bekannt) und die Zusammenfassung der Bierproduktion in den lokalen Markt beherrschende Betriebe (u.a. VEB Radeberger Exportbierbrauerei) werden in der DDR, der ČSSR, der UdSSR, der VR Polen, der Ungarischen VR, der SFR Jugoslawien, der VR Bulgarien und der SR Rumänien (was waren uns diese Kürzel einst vertraut…) als Errungenschaften dargestellt, die es ermöglichen, „einen größeren Ausstoß (zu) gewährleisten – bei verbesserter Qualität, sei hinzugefügt.“
Gleiches Vorgehen in der Bundesrepublik wird verunglimpft. Von „Pudding-Oetker“ und „Zigaretten-Reemtsma“, von „Münchner Bankmagnaten“ und „Brauerei-Sammlern“ ist die Rede, und „Es geht um Maximalprofit“. „Der Konsument zahlt in jedem Falle die Rechnung!“, heißt es, aber nähere Ausführungen dazu gibt es natürlich nicht.
Der dritte Abschnitt „Vom Halm zum Glase“ ist dann (unabsichtlich?) entwaffnend ehrlich, wenn der Produktionsprozess beschrieben wird, die Nutzung von Enzympräparaten erwähnt wird und an mehreren Stellen darauf hingewiesen wird, dass das Bier nur „eine begrenzte Haltbarkeit“ hat, Gastwirte nur einen Vorrat von acht Tagen anlegen und das Bier gar darauf reagiert „wenn ein Gewitter im Anzug ist“. Gute Ausreden Gründe, wenn ein Bier in der Gastwirtschaft mal gekippt ist, vielleicht sauer schmeckt. Ob es vielleicht eher an der Hygiene liegen könnte? Die Ratschläge, die Leitung vom Bierkeller zum Schanktisch „alle Monate mechanisch zu reinigen“ und „wöchentlich ein Gummibällchen durch die Leitung zu jagen“, überzeugen aus heutiger Sicht nicht wirklich – angesichts dieser geringen Reinigungsfrequenz wird es wohl eher an der Schankhygiene denn am herannahenden Gewitter gelegen haben, wenn sich die Gäste über mäßigen Biergenuss beklagten…
Der vierte Abschnitt „Rund ums Bier“, der den eigentlichen Titel des Buchs wieder aufgreift, ist recht kurz und besteht aus einem Sammelsurium von Kuriositäten, Sprichwörtern und Anekdoten und erläutert ein wenig die gesundheitlichen Aspekte des Biergenusses.
Im letzten Abschnitt „Leckerbissen von und zu Bier“ findet sich eine Rezeptsammlung, die einen netten Spiegel der Zeit darstellt. Leckerbissen der 70er Jahre sind hier beschrieben, die auch ich aus meiner Jugendzeit kenne. Wobei sich mir an der einen oder anderen Stelle die Frage stellt, was diese Rezepte mit Bier zu tun haben – sind es doch oftmals nur einfache, rustikale und sättigende Speisen ohne speziellen Bierbezug und auch ohne, dass Bier bei der Zubereitung verwendet wird. „Feinschmeckerrezepte“, wie auf der hinteren Umschlagseite beworben, sind es jedenfalls nicht.
In der Summe ein unterhaltsames, aber anspruchsloses Büchlein, das man an einem Abend auf dem Sofa problemlos durchliest. Es hat seinerzeit fünf Mark gekostet, und wenn man Glück hat, findet man es heute noch in irgendeinem Antiquariat oder vielleicht bei einem der elektronischen Auktionshäuser à la eBay.
Emil Ulischberger
Rund ums Bier … und Kochrezepte mit Bier
VEB Fachbuchverlag
Leipzig, 1983
ISBN o.A.
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