Puh, eine lange und mehrtägige Konferenz ist zu Ende und ich habe noch zwei Tage bis zum Rückflug. Zu viel im Konferenzraum gesessen, zu viel gegessen, zu viel Kaffee getrunken und abends wahrscheinlich auch zu viel Bier genossen. Zeit für einen ausgiebigen Spaziergang an der frischen Luft. Einmal kreuz und quer durch Madrid. So lange, bis der Kopf wieder klar wird, die Müdigkeit von mir abfällt.
Das waren zumindest meine guten Vorsätze.
Ich bin noch keine zweihundert Meter vom Hotel weg, in einer kleinen, schmalen Gasse, da lese ich Be Hoppy, und wie von einer überirdischen Macht gelenkt, wende ich mich nach links und gehe auf den Schriftzug zu. Ein dunkelorange gestrichenes, schmales Häuschen, an der kleinen Tür lehnt ein olivgrün gestrichenes Fahrrad, mit U.S.Army Dekor, und ich kann nicht erkennen, ob es ein gut restauriertes Militärfahrrad ist oder ein auf alt getrimmtes Hipster-Rad. Ist aber auch egal, denn mich interessiert ja eher, was sich hinter dem Schriftzug Be Hoppy verbirgt.
Ich trete durch die Tür … und mir gehen die Augen über. Ein kleiner, aber perfekt sortierter Bierladen! Links und rechts an den Wänden entlang stehen Holzregale, in den einzelnen Fächern, wie mit dem Lineal ausgerichtet, Bierspezialitäten aus aller Welt. Weiter hinten steht ein junger Mann und fotografiert gerade seine neuesten Angebote, an der Kasse am Stirnende des Lädchens sitzt ein junges Mädchen und tippt irgendwelche Daten in den Computer: Pepín und Cristina, die beiden Betreiber des kleinen Bierlädchens.
Ich blicke mich einmal um, wandere mit den Augen die Regalfächer entlang, und da kommt Pepín auch schon auf mich zu. „Möchtest Du Bier kaufen, oder möchtest Du lieber eins trinken?“, fragt er mich und bringt mich in einen Gewissenskonflikt. Kaufen ist nicht, denn das Gepäck für den Rückflug ist schon schwer genug, und Bier im Flieger zu transportieren sowieso immer ein großes Risiko. Trinken wollte ich aber eigentlich auch nicht. Jedenfalls noch nicht um diese Uhrzeit, es ist gerade erst früher Nachmittag. Und überhaupt, wieso trinken? Das ist doch hier ein Bottle-Shop!
Pepín lacht. „Klar, ein Bottleshop, aber wir haben immer auch zwei Biere am Hahn“, sagt er und zeigt auf die Kreidetafel hinter dem Kassentresen. Und schon bin ich ihm in die Falle getappt. Das Myrcia von Buxton ist angeboten, ein Oatmeal Hopburst Session India Pale Ale. Nur 4,0% Alkohol – wer kann da schon nein sagen… Und einen Moment später habe ich ein kleines Glas in der Hand.
Während ich an meinem Bier nippe, unterbricht Pepín seine Foto-Session und zeigt mir das Angebot von Be Hoppy. Schon die bunten Etiketten und die langen Reihen der Bierflaschen und -dosen beeindrucken auf den ersten Blick, aber der wahre Reichtum zeigt sich erst bei einem genaueren Hinsehen. Es ist nicht einfach nur ein großes und buntes Angebot, sondern es sind samt und sonders handverlesene Biere. Spezialitäten, die nicht in jedem zweiten Craftbier-Laden erhältlich sind, sondern Biere, die richtig selten sind. Entweder selten hier in Madrid, oder aber auch ganz absolut selten.
Mein Blick fällt auf den Kristall Weizenbock aus Weihenstephan. Die Brauerei hat nach vielen Jahrzehnten zum ersten Mal wieder einen Weizenbock gebraut, der vor der Flaschenabfüllung filtriert und dann kristallklar ausgeschenkt wird. Ein fast vergessener Bierstil, und dabei doch so naheliegend. Die Brauerei hat zunächst nur eine recht kleine Menge dieses Biers auf den Markt gebracht, und ich staune, es gerade hier, in Madrid, zu finden.
Pepín strahlt stolz und erzählt, dass es sein Ehrgeiz ist, Biere anzubieten, die eben nicht an jeder Ecke zu kriegen sind. Das Standard-Portfolio der großen Bierimporteure zu übernehmen, kann schließlich jeder. Dann hat man zwar zweihundert verschiedene Biere aus aller Welt, aber eben genau dieselben zweihundert Marken wie alle anderen Biergeschäfte im Land auch. Das wären dann keine Raritäten mehr.
„Vom Pliny the Elder hast Du aber nur noch eine leere Flasche“, lache ich und deute auf das oberste Regalfach, in dem eine ganze Reihe leerer Flaschen von ganz besonderen Bieren stehen. Neben dem berühmten Pliny the Elder auch das nicht minder berühmte Dogfish Head 120 Minute IPA, beispielsweise. Oft zeigen Siegelwachsreste an den Flaschenhälsen, dass es sich um ganz besonders edle Kreationen gehandelt haben muss.
Beim Photography Prohibited der Brauerei To Øl kann ich natürlich nicht widerstehen und muss das Etikett fotografieren…
Klar ist, dass auch die Trappistenbiere Belgiens vollständig im Angebot sind. Rochefort, Westmalle, Achel, Orval und Chimay. Bis auf Westvleteren, natürlich, das ist ja fast nirgends erhältlich, denke ich… Doch was ist das? Ein halbes Regalfach voller Westvleteren-Flaschen? Und sogar alle drei Sorten? Pepín lacht verschmitzt. „Selbst vor Ort besorgt“, zwinkert er mir verschwörerisch zu. „Ziemlich viel Aufwand für ein paar Flaschen Bier!“
Stundenlang könnte ich hier in dem kleinen Bierlädchen noch herumstöbern. Könnte gewissermaßen jede Bierflasche einzeln umdrehen, von allen Seiten betrachten, und mir dann eine Geschichte dazu anhören. Aber ich habe mittlerweile mein Hopburst Session IPA ausgetrunken; und auch wenn es nur 4,0% Alkohol hat – auf nüchternen Magen spüre ich es ein wenig – es war ein perfekter Aperitif, und ich bekomme Hunger.
„Hunger? Für die perfekte Bier- und Speise-Kombination kann ich Dir das El Sainete empfehlen. Von hier aus nicht ganz eine halbe Stunde Spaziergang, einmal mitten durch die schönsten, malerischen Gässchen Madrids“, weiß Pepín. „Dort bekommst Du hervorragendes Essen und eine tolle Bierauswahl dazu!“
Na, das ist doch mal ein wirklich wertvoller Vorschlag. Ich bezahle mein Bier und danke Cristina und Pepín artig für die viele Zeit, die sie sich genommen haben. Ein schönes Fachsimpeln in einem wunderbaren kleinen Laden. Hätte ich ihn gleich zu Anfang meiner Madrid-Reise entdeckt, ich hätte fleißig eingekauft und den Minibar-Kühlschrank im Hotelzimmer bis oben hin vollgepackt. Jeden Abend hätte ich dann einen kleinen Absacker trinken, seltene Biere aus aller Welt genießen können… Vielleicht ein Andermal. Jetzt aber mache ich mich auf den Weg zu El Sainete, aber das wird dann eine gesonderte Geschichte.
Pepín und Cristina betreiben Be Hoppy seit rund zweieinhalb Jahren mit einem großen Herz für leckere und seltene Biere. Der kleine Laden ist montags bis sonnabends von 11:00 bis 15:00 Uhr und von 17:00 bis 21:30 Uhr geöffnet; sonntags ist Ruhetag. Über die neuen Bierangebote informieren die beiden brandaktuell auf ihrer Homepage. Zu erreichen ist das Lädchen am besten mit der Metro, Linie 1 (hellblaue Linie), Haltestelle Atocha. Von dort aus etwa drei Minuten zu Fuß. Achtung: Es empfiehlt sich, einen großen und robusten Rucksack mitzubringen, es gibt gar zu viele Biere zu kaufen!
Be Hoppy
Calle Almadén, 18
28014 Madrid
Spanien
Hinterlasse jetzt einen Kommentar