Es gibt diese Bars und Restaurants, in denen objektiv alles stimmt und in denen ich mich subjektiv trotzdem nicht wohlfühle. Und dann grüble ich manchmal ewig lange, und am Ende weiß ich doch nicht eindeutig, woran es vielleicht gelegen haben könnte, dass ich mich nicht rundum wohl gefühlt habe, dass der Funke am Ende nicht übergesprungen ist. Und selbst wenn ich das nicht weiß, bin ich mir meistens sicher, dass meine holde Ehefrau genauso empfindet – nach dreißig Jahren haben wir diesbezüglich wohl eine gemeinsame Wahrnehmung entwickelt.
Heute sitzen wir im Nota Bene in Prag, und es geht uns genau so, wie eben beschrieben.
Liegt es vielleicht an der Vorgeschichte?
Zwei Mal bereits habe ich versucht, im Nota Bene einzukehren. Und beide Male war, im Gegensatz zu den im Internet angeschriebenen Öffnungszeiten, das Lokal geschlossen. Einmal hing ein Zettel an der Tür: „Heute geschlossen!“ oder so ähnlich stand darauf. Und beim zweiten Mal war die Tür einfach nur so verschlossen. Kein Hinweis, nichts. Beide Male bin ich ein wenig unzufrieden wieder davon gedackelt, aber heute habe ich dem Lokal eine letzte Chance gegeben. Und siehe da: Es war geöffnet. Chance genutzt. Endlich einmal da, endlich ist die Tür einmal offen.
Eine tschechische Website über Bier und Brauereien führt das Nota Bene als Brauerei, als Gasthausbrauerei besser gesagt, in der es neben eigenen Bieren auch andere tschechische Biere geben soll. Und in der dazugehörigen Bierbar Beerpoint soll es darüber hinaus auch internationale Biere vom Fass geben. Auf der Website von Nota Bene selber ist von eigenen Bieren allerdings nicht die Rede, von einer eigenen Brauerei schon gleich gar nicht, und so bin ich denn neugierig, was uns erwartet.
Wir drücken die Tür auf und betreten einen elegant eingerichteten Gastraum, zu recht früher Stunde noch nicht sehr voll. Unverputzte Ziegelwände, Parkettfußboden, Spiegel, alte Schwarzweißfotos, eine schwarze Kreidetafel mit Getränkeangebot, Holzbänke, -tische und -stühle. Alle Zutaten, die ein Restaurant ansprechend und einladend machen, sind da. Aber irgendwie zündet da nichts. Es ist elegant und nett, aber es ist nicht gemütlich. Es wirkt zu perfekt, zu künstlich, zu steril.
An den Tischen hört man leise Gespräche, im Hintergrund läuft undefinierbare Musik. Einzelne, wohlklingende Takte, die aber kein Ganzes ergeben, sondern gleichförmig dahindudeln, keine Spannung erzeugen, einfach nur da sind. Die von mir so gehasste Muzak. Manche mögen das als Barmusik empfinden, ich empfinde es als Hintergrundlärm.
Die sehr freundliche junge Kellnerin kommt angeflitzt, fragt uns, was wir denn haben möchten, und wahrheitsgemäß antworten wir, dass wir nur wegen des Biers gekommen seien, nichts essen sollten. „Kein Problem“, lächelt sie unsere Bedenken weg, und wir bestellen nach einem kurzen Blick auf die drei roten Bretter neben der Theke ein Red Ale und ein Žitná IPA. Und zwar von der Hausmarke – ein eigenes Bier gibt es hier also.
Die Frage, ob dies eigene Biere seien, versteht die junge Dame noch, die nach der Brauerei und wo diese denn stünde, offensichtlich nicht mehr. Meine paar Worte Tschechisch reichen nicht aus, ihr verständlich zu machen, worum es mir geht. Also frage ich aufs Geratewohl nach der Bierbar Beerpoint. Die sei im Keller, deutet sie fröhlich an, aber es sei geschlossen. Nur montags bis freitags sei dort geöffnet. „Auch wenn draußen an der Leuchtreklame noch ‚montags bis sonnabends‘ steht“, denke ich, erinnere mich aber auch daran, dass das „sonnabends“ irgendwie zerkratzt, durchgestrichen aussah. Heute ist Sonnabend…
Die beiden Biere werden blitzschnell serviert, appetitlich stehen die Gläser vor uns. Das Red Ale schmeckt rund und aromatisch, ein feines, ganz leicht melanoidiniges Aroma, ein malziger und weicher Körper. Gut! Und auch das Žitná IPA, ein India Pale Ale mit Roggenmalz, enttäuscht uns nicht. Eine leicht sämige Note, ein Hauch einer Brotigkeit vom verwendeten Roggen. Mit persönlich behagt es zwar nicht so, weil für mich die hopfige Bitterkeit und die Brotkrustenaromen des Roggens nicht miteinander harmonieren, aber das ist meine persönliche Abneigung gegen diese Aromenkombination und hat mit der Qualität des Biers nichts zu tun. Meine holde Ehefrau ist hingegen genau mit diesem Bier ausdrücklich zufrieden.
Aber nur mit dem Bier. Denn an ihren suchenden Blicken merke ich: Sie fühlt genau wie ich die Sterilität dieses Lokals. Irgendwie wirkt die Gemütlichkeit zu erzwungen, zu künstlich, ist nicht wirklich behaglich. Die anderen Gäste wirken zu gestylt. Als ob sie nicht hierher kämen, um einfach nur das gute Essen und das leckere Bier zu genießen, sondern „weil man hier eben hingeht“ oder weil man hier gesehen werden möchte. Schade, denn die beiden Biere, die wir getestet haben, waren sehr lecker, und das Essen, das wir auf den anderen Tischen gesehen haben, sah außerordentlich appetitlich aus. Und auch an der Freundlichkeit des Service gibt es nichts auszusetzen. Gar nichts!
Trotzdem, wir brechen auf, suchen uns lieber etwas Anderes. Etwas, das durchaus ein bisschen schäbig sein kann, ein bisschen abgewohnt und improvisiert wirken kann. Dadurch aber vielleicht mehr Atmosphäre hat.
Das Restaurant Nota Bene und die dazugehörige Bierbar Beerpoint bieten Biere einer eigenen Marke an, die angeblich selbst hergestellt werden. Die angegebenen Öffnungszeiten des Restaurants – täglich ab 11:00 Uhr, sonnabends ab 12:00 Uhr, sonntags Ruhetag – und der Bar – montags bis freitags abends – sind in der Praxis möglicherweise nicht hundertprozentig korrekt. Zu erreichen sind Bar und Restaurant bequem mit der Metro, Linie C (rote Linie), Station I.P. Pavlova, von dort aus sind es etwa 200 m zu Fuß.
Nota Bene
Mikovcova 4
120 00 Praha
Tschechien
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