Nach stundenlangem Flug, gefühlt noch längerer Wartezeit am Immigration Counter, nach Bus- und U-Bahn-Fahrt sind wir endlich im Hotel angekommen. Der Koffer fliegt in die Ecke, und jetzt geht es erstmal los. Der Hunger ist groß, und der Bierdurst ist noch größer.
Bis zur nächstgelegenen Brauerei, die Onkel Google findet, sind es genau drei Stationen mit der U-Bahn – vier Minuten mit der roten Linie, und schon stehen wir in Chinatown. Einen Block weiter, und wir sind da: District ChopHouse & Brewery. In großen roten und gelben Neon-Buchstaben steht es an der Front des Hauses schon angeschrieben: Bezirks-Steakhaus und Brauerei.
Erleichterung macht sich breit. Nach dem Bordmenü von Austrian Air, begleitet von einigen 16er Blech, also Bier aus der Ottakringer Brauerei im 16. Stadtbezirk Wiens, getrunken aus der Blechdose, steht uns nämlich jetzt wirklich der Sinn nach etwas richtig Gutem.
Auch ohne Reservierung haben wir Glück und bekommen einen schönen Tisch nicht weit vom Eingang entfernt zugewiesen. Und: Wir haben Blick nach oben auf die Lagertanks der Brauerei. Zwar sind sie durch die spiegelnden Glasscheiben nur schwer zu erkennen und durch ein dickes Geländer aus unserer Perspektive auch halb verdeckt, aber immerhin: Wir haben einen Tisch mit Blick auf die Lagertanks.
Freudestrahlend, als habe er seit Stunden nur auf uns gewartet, begrüßt uns unser Kellner und legt uns die Bierkarte auf den Tisch. Neun Biere vom Fass verspricht diese, und für diejenigen, die auch noch richtig viel Geld ausgeben wollen, bietet sie auch noch drei Bierspezialitäten in der 0,75-l-Flasche an – für jeweils 25,00 USD.
Während meine holde Ehefrau sich sofort für ein Pint Amber Ale entscheidet – „Ich habe jetzt richtig Durst!“ – gewinnt in mir der Feinschmecker und Degustator: Ich bestelle mir den Beer Sampler. Alle Fassbiere im kleinen Glas auf einmal.
Unser Kellner trabt davon und ist überraschend schnell wieder da. Das Zapfen der kleinen Probiergläser ging wie im Flug. „Aaaber“, er macht ein bedauerndes Gesicht und zieht das „a“ zögernd in die Länge …
… also eigentlich sagt er ja „Hooowever“, aber da ist das „a“ mindestens genauso lang …
… er müsse sich entschuldigen, aber das Velvet Amber gebe es heute nicht, auf dem Probierteller bliebe eine Lücke frei. Dafür seien aber die anderen acht Gläschen besonders gut gefüllt!
Sein Kollege flitzt vorbei. Auch er trägt Bierproben, zwei Paletten gleichzeitig sogar. Komisch, bei ihm stehen neun Gläschen auf jeder Palette!
„Ja, der wäre zweimal hin und her gelaufen und habe den Gästen am Tisch angeboten, eines der anderen acht Biere zweimal zu kriegen“, erläutert unser Kellner. Uns ist es jetzt ziemlich egal. Hauptsache, wir können bald den ersten Schluck nehmen, bevor alles warm wird.
Und so schmecken wir uns durch die acht Biersorten.
Wir?
Ja, natürlich wir. Denn meine holde Ehefrau hat sich keinen Tester bestellt, will aber trotzdem von allem etwas abhaben… Es ist wie immer. Erst etwas anderes wollen und dann neidisch zu mir rüberkucken…
Das Light Lager (4,6%) erfreut uns mit sauberer Frische, das Amber Ale (5,4%) mit rundem, malzigem Geschmack. Ein guter Auftakt. Das American Zwickel (5,8%) verrät uns nicht, wie sich ein American Zwickel von einem ganz normalen deutschen Zwickel unterscheiden soll – es schmeckt frisch und süffig, genauso, wie man es irgendwo in Deutschland in einer Dorfbrauerei erwarten würde.
Das Oatmeal Stout (6,6%) ist solide, könnte aber etwas mehr spielerische Röstigkeit vertragen. Das India Pale Ale (6,8%) ist zu rau, zu kratzig, und Ellie’s Saison (6,2%) spielt die leicht phenolischen Noten der Saison-Hefe zu aggressiv in den Vordergrund.
Das Inverted Jenny Imperial India Pale Ale (7,6%) macht aber alles wieder gut. Kräftige Bittere, schön ausbalanciert mit einem mächtigen Malzkörper. Fein!
Die Krönung ist aber das Bourbon Stout (7,6%), bei dem sich kräftige Bourbon-Aromen mit dem mächtigen Malz- und Röstkörper eines starken Stouts wunderbar mischen und ergänzen. Endlich einmal wieder ein Fünf-Sterne-Bier. Hatten wir schon länger nicht mehr.
Das Essen dazu ist mächtig. Steak für den Herrn, Salat für die Dame. „Dazu hätten wir gerne etwas Brot!“ – „Kein Problem, wir haben ein selbst gebackenes Maisbrot!“
Das selbstgebackene Maisbrot erweist sich als eine Art Kuchen. Eine große Form mit süßlichem Teig; frisch gebacken und ganz warm kommt das Brot an den Tisch. Schmeckt lecker, sättigt ungemein, ist aber etwas völlig anderes, als wir erwartet haben. Mit Brot hat das nicht viel zu tun, sondern hätte besser an eine Kaffeetafel gepasst.
Wir sind gleichwohl mit Bier und Essen rundum zufrieden.
Mit den Preisen eher nicht, aber das haben wir vorher gewusst: In Washington D.C. in der Innenstadt essen zu gehen ist ein teures Vergnügen.
Und mit noch etwas sind wir nicht zufrieden: Im oberen Bereich des Restaurants ist eine geschlossene Veranstaltung. Es bleibt mir also verwehrt, die Treppe hinaufzugehen und die Lagertanks, vielleicht ja auch den Rest der Brauerei unmittelbar in Augenschein zu nehmen. Schade. Es bleibt also bei dem eingeschränkten Blick durch das Geländer und die dicken Glasscheiben.
Das 1997 gegründete District ChopHouse & Brewery ist täglich von 11:00 bis 23:00 Uhr durchgehend geöffnet, sonntags und montags nur bis 22:00 Uhr; kein Ruhetag. Zu erreichen ist es bequem mit der Metro, rote Linie, Haltestelle Judiciary Square, von dort aus sind es nur 250 m zu Fuß.
District ChopHouse & Brewery
509 7th Street NW #1
Washington
DC 20004
USA
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