Eine schöne Holzfassade, zusammengesetzt aus Brettern, die vielleicht von einer alten Scheune draußen auf dem Land stammen, die Rahmen und Konstruktionselemente aus schwarz brüniertem Stahl – wir könnten uns vielleicht in einer Kleinstadt irgendwo in Tschechien befinden?
Halt, nein, da weht ja der Star Spangled Banner, vielleicht also eher irgendwo in den Weiten der dünn besiedelten Staaten des Mittleren Westens?
Ach, natürlich nicht, denn schaut man von der Holzfassade nach rechts oder links, dann sieht man Stein und Beton, und auch oberhalb der Fassade, ab dem zweiten Stock bereits, herrscht wieder eintöniges Grau vor. Wie ein gar nicht zum Set passender Lego-Baustein ist lediglich der Eingangsbereich des City Tap House of DC in den Standard-Büroblock eingepasst worden, und nur wenn man direkt davor steht, erweckt seine rustikale Anmutung die Illusion, sich irgendwo auf dem Land zu befinden.
Betritt man den Schankraum, so stellt man fest, dass die Designer aber ganze Arbeit geleistet haben und konsequent geblieben sind. Das Thema wiederverwendete Holzbalken und Stahlträger zieht sich durch die gesamte Inneneinrichtung, ergänzt vom Industrial Chic der unverkleideten Lüftungsrohre und Installationen unter der Decke und den aus dicken Tauen und Stahlelementen bestehenden, die Glühlampen nackt präsentierenden Leuchten unter der Decke. Die Theke ist mit Kupferblech überzogen und erzeugt ein wenig Brauereifeeling, bringt einen Funken Glanz in die robuste Rustikalität – fast wie die Kupferkessel einer kleinen Brauerei.
Das City Tap House of DC ist aber keine Brauerei, sondern „nur“ eine Bierbar mit rund vierzig verschiedenen Fassbieren im Angebot. Hinter der Theke sieht man die zu 14er-Batterien zusammengefassten Zapfhähne, aber was noch viel eindrucksvoller ist: Biegt man um die Theke herum und schaut nach links, dann sieht man hinter einer riesigen Panoramascheibe die gerade angestochenen Bierfässer. Stolz werden sie präsentiert, sorgfältig beschriftet und über ein für den Besucher unentwirrbares Labyrinth von Schläuchen mit den Zapfhähnen verbunden.
Wäre dieser Platz nicht auch gleichzeitig der Gang zu den Toiletten, könnte man hier einen Moment stehenbleiben und eine Art Schaufensterbummel machen. Einige der bekannteren Brauereien sind hier zu sehen: Flying Dog, New Belgium, Oskar Blues, Allagash oder Brooklyn, um nur einige zu nennen.
Aber, und das zeigt uns der Blick auf die Bierkarte, die uns die etwas kurz angebundene Kellnerin unter die Nase hält, es sind auch viele kleinere, unbekanntere und – vor allem – regionale Brauereien vertreten, Brauereien aus DC und dem benachbarten Virginia.
Einen Bier-Taster mit vier kleinen Gläsern kann man sich hier zusammenstellen lassen – ein Angebot, von dem ich gerne Gebrauch mache. Auf einem vorbereiteten Zettel trage ich meine vier Wunschbiere ein, und wenige Minuten später stehen die Biere vor mir. Und der Zettel, auf dem ich die Bestellung aufgegeben habe, dient nun als Vordruck für meine Verkostungsnotizen. Nett gemacht.
Während ich mich also an die Arbeit mache und die Verkostung beginne, bestellt meine holde Ehefrau unser Essen. Wir sind im Land der Burger, insofern ist die Sache schnell erledigt. Ein gewaltiger Burger, dazu eine ordentliche Portion Fritten. Fertig ist die Laube. Angesichts der Portionsgrößen halte ich mich lieber zurück und bestelle nur ein paar Chicken Wings. Es werden gleich noch genügend Fritten von meiner Frau übrigbleiben, so dass ich wieder Reste verwerten darf…
Aber zurück zum Bier: das All Day India Pale Ale von Founder’s ist genau das, was der Name verspricht: Ein Bier für jeden Tag. Nichts, was irgendwie der ausdrücklichen Erwähnung wert wäre. Mit 4,7% Alkohol, also überraschend wenig für ein IPA, gut durchtrinkbar. Schluck und weg. Was bleibt, ist eine saubere Bittere vom reichlich, aber nicht verschwenderisch eingesetzten Hopfen.
Das Lil Sipa von O’Connor ist nicht unähnlich. 4,5% Alkohol, leicht, süffig, zwei große Schlucke zu den scharf gewürzten Chicken Wings, und das Glas ist alle.
Das Pine’hop’le von Evolution Craft ist dann schon ein wenig interessanter. Kräftiger im Alkohol (6,8%), mit vielen exotischen Fruchtaromen, einer kräftigen Hopfenbittere und einem kräftigen Körper. Die Fruchtaromen kommen nicht nur vom Hopfen, sondern es ist auch Ananassaft mit verbraut worden – und das schmeckt man. Lecker, und definitiv ein Bier, das eher im Gedächtnis hängen bleibt, als die beiden Biere vorher.
Das letzte Glas für hier und jetzt: Das Citradelic Tangerine India Pale Ale von New Belgium. Ähnlich wie beim vorherigen Bier ist auch hier nicht nur der Hopfen für die intensiven Fruchtnoten verantwortlich, sondern es sind ebenfalls die Früchte selbst mit eingebraut worden, in diesem Falle – der Name sagt es ja schon – Tangerinen. Mit dem Citra-Hopfen – ebenfalls im Namen verewigt – paaren sich die Aromen der Früchte gut. Schmeckt! Und beide fruchtigen Biere harmonieren auch mit den scharf gewürzten Chicken Wings, bilden mit ihren Fruchtaromen und der Malzsüße hinter der Hopfenbittere einen schönen Kontrapunkt.
Satt und zufrieden blicken wir uns um. Ich habe in der Tat noch reichlich Frittenreste zu meinen Wings genießen können; meine holde Ehefrau sitzt pappsatt auf ihrem Stuhl und amüsiert sich über die großen Portionen. Um uns herum Stimmengewirr, Fettgeruch, Gläserklirren und … natürlich der schöne Blick auf die Glaswand mit der KEG-Batterie dahinter. Eigentlich könnte ich ja schon wieder einen neuen Bier-Taster bestellen…
Das City Tap House of DC ist täglich ab 11:30 Uhr durchgehend geöffnet, sonntags bereits ab 11:00 Uhr; kein Ruhetag. Zu erreichen ist es bequem mit der Metro, blaue, orangene, rote oder silberne Linie, Haltestelle Metro Centre, und von dort aus sind es vier Blocks, etwa 300 m zu Fuß.
City Tap House of DC
901 9th Street NW
Washington
DC 20001
USA
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