Eigentlich ist es ja nur eine einfache Bahnhofskneipe, das Restaurace Krušovická Šalanda mitten im Prager Hauptbahnhof, in der ich am 25. Februar 2017 sitze.
Aber ist es überhaupt erlaubt, bei einer einfachen Kneipe irgendwo in Tschechien von „nur“ zu sprechen? Ist nicht jede kleine, einfache Kneipe in der Biernation Nr. 1 automatisch eine Stätte, an der man, wie sonst fast nirgends auf der Welt, dem Bier huldigen, durch einfaches Beobachten der Nachbartische auch komplexe soziale Studien betreiben und schließlich einfach nur wunderbar entspannende Momente genießen kann?
Sind es nicht genau diese kleinen Kneipen, die den Unterschied machen zwischen einem x-beliebigen Dorf, einer x-beliebigen Großstadt und einem Dorf oder einer Großstadt in Tschechien?
Zugegeben, es gibt hier nichts Besonderes zu berichten: Der Zugreisende ist wegen einer Verspätung, eines verpassten Anschlusses oder vielleicht auch – bei den tschechischen Bahnen kommt so etwas vor! – zu früher Ankunft eines Fernzugs am Prager Hauptbahnhof gestrandet und hat ein paar Minuten oder vielleicht auch eine ganze Stunde Zeit, die es zu überbrücken gilt. Was liegt näher, als ein frisch gezapftes tschechisches Bier?
Im Restaurace Krušovická Šalanda wird dies in unkomplizierter Atmosphäre geboten. Zugegeben – es gibt Bier nur von einer einzigen Brauerei, der Pivovar Krušovice nämlich, denn es handelt sich hier um einen Brauereiausschank. Eine ganze Kette verbirgt sich hinter der Bezeichnung Restaurace Krušovická Šalanda, man findet einen Schalander – Šalanda – nicht nur am Prager Hauptbahnhof, sondern an rund zehn verschiedenen Orten in der ganzen Tschechischen Republik. Aber es ist gutes Bier, und die Pivovar Krušovice bietet auch ein recht breites Angebot, vom einfachen Desítka 10° (aus dem Tank, nicht aus dem Fass, und daher besonders frisch!) über das Dvanáctka 12°, das ungefilterte Mušketýr, das halbdunkle Malvaz bis zum dunklen Černé. Und auch ein Weizenbier, das Pšeničné, und ein Alkoholfreies gibt es – alle vom Fass!
Eine Stunde Wartezeit ist also schnell gefüllt. Die Zeit vergeht wie im Flug, der Gast hat gerade erst ein Drittel oder, wenn er fleißig war, die Hälfte des Bierangebots verkostet, und schon fährt der Zug wieder. Zum Bier rustikale und deftige Küche, Burger beispielsweise – frisch gestärkt kann so die Reise wieder angetreten werden.
Und wer wirklich während des Biers niemanden gefunden hat, mit dem er (oder sie) sich unterhalten kann (das ist in Tschechien eigentlich schwierig, aber vielleicht mag der- oder diejenige heute auch einfach selber mal nicht reden), der kann sich wenigstens weiterbilden und die Zeichnungen an den Wänden studieren, die den Brauprozess stilisiert wiedergeben. Oder, wie die Digital Natives, über das frei verfügbare WLAN ins Internet gehen.
Also, eigentlich nichts, was hunderte andere tschechische Kneipen nicht auch bieten, aber definitiv die bessere Lösung, als bei einem Schnellimbiss einzukehren oder gelangweilt am Bahnsteig herumzustehen.
Nachtrag 30. August 2017: Zu früh am Bahnhof. Wo war denn der Innenstadtstau in Prag, den ich mit in die Anfahrt einkalkuliert habe? Ich stehe am Bahnhof und habe noch Zeit. Viel Zeit. Zeit für ein Bier? Na klar. Zwar heute nur ein alkoholfreies (ich muss nach der Bahnfahrt noch ein Stückchen mit dem Auto auf’s Land), aber immerhin. Die Sonne scheint, und ich sitze im warmen Biergärtchen.
Nun ja, Biergarten… Es fehlen die schattenspendenden Bäume, es ist eigentlich nicht mehr als ein abgeteiltes Areal auf dem überbreiten Bürgersteig vor der Bahnhofshalle. Sei’s drum. Es ist gemütlich, die Bedienungen sind freundlich und, erstaunlich, selbst das alkoholfreie Bier: Es schmeckt!
Das Restaurace Krušovická Šalanda ist täglich von 07:00 bis 21:00 Uhr geöffnet; kein Ruhetag. Zu erreichen ist es am besten … mit der Bahn. Logisch. Egal ob Fernverkehr, Nahverkehr, Metro oder Straßenbahn. Alle halten sie hier. Klarer Fall!
Restaurace Krušovická Šalanda
Hlavní Nádraží
Wilsonova 300/8
110 00 Praha
Tschechien
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