Pivovarský Klub
Praha
CZE

Hier in Tschechien, so heißt es manchmal, lege man nicht sehr viel Wert auf Äußerlichkeiten, die inneren Werte seien viel entscheidender. Und manchmal gelte das nicht nur für Fassaden, sondern auch für weitere Schichten, die, Zwiebelschalen gleich, den wahren Wert einer Sache, einer Begebenheit umhüllen und verbergen würden.

Es gibt solche Beispiele, wo man als Bierreisender sich in der Tat durch mehrere Schichten der Unattraktivität hindurcharbeiten muss, bevor man reich belohnt wird. Ein verwitterter, fast unleserlicher Wegweiser zum Einstieg. Es folgt eine hässliche, heruntergekommene Fassade, an der der Putz schon eine Weile bröckelt, aber niemand sich die Mühe macht, daran etwas zu ändern. Betritt man das Gebäude, begrüßt den Gast eine kahle Halle mit einfachem, ja, geradezu billigem Mobiliar, und zu guter Letzt, und das ist dann schon der vierte Eindruck in Folge, ist das Bierglas, das auf den Tisch gestellt wird, zerkratzt, etwas schief, mit Luftbläschen im simplen Pressglas und erinnert an die Senfkristall genannten Trinkgefäße meiner Kindheit – lieber gab man uns Jungs Senfgläser statt guter Trinkgläser für unsere Limonade, wir hätten vermutlich sowieso nur alles kaputt gemacht. Irgendwann, nach all den rauen und unansehnlichen Fassaden und Schichten folgt aber der erste Schluck, und das wunderbare tschechische Bier versöhnt mit allem. Mit diesem ersten Schluck ist man endlich zum wahren Kern vorgedrungen, zum reinen Genuss, unverfälscht von Äußerlichkeiten, unbeeinflusst vom Geschwätz der Marketing-Fritzen, denen der Markenauftritt, das Styling und die Corporate Identity immer noch wichtiger sind als die Qualität des Endprodukts, des Biers in diesem Fall.

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wenig einladend, die Fassade, aber die inneren Werte zählen

All diese Gedanken schießen mir durch den Kopf, als ich auf eine aschgrau verputzte Wand in Prag blicke. Karlín, ein nicht sonderlich attraktiver Stadtteil. Die Bahnlinien überqueren die viel befahrene Křižíkova-Straße; die Züge rattern laut. Autos stehen im Stau, ihre Fahrer hupen ungeduldig, als ob sich dadurch die Baustelle, auf der zwei altersschwache Bagger Schotter und Betonbrocken hin- und herschaufeln und gewaltige Rußwolken in die Luft blasen, spurlos auflösen würde. Alte Bürgerhäuser reihen sich aneinander; die eine oder andere Fassade mag vor vielen Jahrzehnten mal schön ausgesehen haben.

Eine aschgrau verputzte Wand also, hinter der sich der Pivovarský Klub verbirgt. Ich trete durch die beiden Türen und stehe in einem großen Raum – eine Mischung aus Bierbar und Biergeschäft. An der Wand stehen zahlreiche simple Regale, endlos lange Reihen von Bierflaschen stehen darauf; dazwischen – sind es Stützpfeiler oder ist es Dekoration? – sind KEGs gestapelt, sie geben den Regalen eine Gliederung, eine Struktur. Linker Hand eine einfache Bar mit einer Reihe von Zapfhähnen und in der Mitte des Raumes simple Holztische und -stühle.

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zahlreiche Bierflaschen in den Regalen an der Wand

Sechs Biere vom Fass gibt es hier, und bis zu zweihundert aus der Flasche. Wenn ich die Regale entlang blicke, ein paar Kühlschränke dazwischen sehe und die große Metallwanne neben dem Treppengeländer betrachte, die als Flaschenkühlung dient, glaube ich die Zahl sofort.

Es ist früher Abend, alle Plätze sind besetzt, und so gehen wir die kleine Treppe nach unten in den Keller. Unter dem ausladenden Ziegelgewölbe erstreckt sich eine kleine Bierhalle; eine Bar in der Mitte, und überall ebenfalls einfache Tische und Stühle. In den an Fenster erinnernden Glasregalen vor den Lichtschächten stehen gesammelte Bierflaschen – seltene Sorten, Trophäen aus fernen Ländern. Stimmengewirr und Gläserklirren erfüllen den Raum. Mit etwas Glück finden wir noch einen Platz, und blitzschnell bringt uns die Kellnerin eine Art Büchlein – die Speisekarte. Beziehungsweise eher die Bierkarte, denn die Speisen sind rasch auf einer Doppelseite abgehakt, während die Liste der Biere sich Seite um Seite erstreckt. Nach Bierstilen und Ländern geordnet. Vom simplen tschechischen Alltagsbier bis zur teuren belgischen Bierspezialität ist alles vertreten.

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die Bierhalle im Keller

Mich interessieren aber eher die Fassbiere, und nach einem kurzen Blick auf die weißen Zettel hinter der Bar entscheide ich mich für das Muflon Summer Ale der Pivovar Kunratice. Es wird in einem simplen Glas serviert. Robust, ohne Schnörkel, ein einfacher umgedrehter Kegelstumpf, lediglich mit dem Wappen des Pivovarský Klub versehen. Ich schnuppere kurz am Bier, rieche das kräftige Hopfenaroma und nehme einen großen Schluck. Und fühle mich bestätigt: Niemand hat bis hierher Wert auf attraktives Äußeres gelegt, alles war simpel, zweckmäßig, schmucklos. Aber nun zählt der Inhalt! Das Bier ist wunderbar. Knackig herb, ohne die Zunge über Stunden mit einer übermäßigen Bittere zu belegen. Hopfig aromatisch, mit kräuterigen und nur dezent fruchtigen Noten. Frisch und schlank, erfrischend und sehr süffig. Ein herrlicher Durstlöscher für den frühen Abend nach einem glutheißen Spätsommertag. Passt!

Auch das zweite Bier, das Blond IPA 14° der Brauerei Raven wird im gleichen Glas serviert. Und erneut gilt: Das Glas ist nicht schön, sondern einfach nur praktisch. Aber das Bier ist ein wahrer Genuss. Ein wenig grasiger das Hopfenaroma, ein wenig kräftiger die Bittere. Spürbar kräftiger der Malzkörper. Nachdem das Muflon den Durst rasch gelöscht hat, ist das Blond IPA nun für den kleineren, langsameren Schluck gedacht. Mit etwas Glück habe ich also die richtige Reihenfolge gewählt. Alles stimmt.

Der Service ist unaufdringlich, aber aufmerksam. Zum Bier gibt’s einfache Speisen, zum Teil auch vegetarisch, was in Tschechien noch relativ selten ist. Schicki-Micki-Kram gibt es nicht; einziger Blickfang im Pivovarský Klub ist eine kleine, kupferne Brauanlage, die im Fenster steht und zwar grundsätzlich funktionsfähig aussieht, aber offensichtlich nicht mehr benutzt wird. Der Fokus liegt auf dem Bierangebot und darauf, dass sich die Gäste miteinander unterhalten und nicht unterhalten werden müssen. Recht so!

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Blickfang: ein kleines, kupfernes Sudwerk im Schaufenster

Neben dem Gastronomiebetrieb funktioniert der Pivovarský Klub auch als Biergeschäft. Tagsüber wird weniger vor Ort getrunken, dafür mehr eingekauft und mitgenommen; gerne auch vorgekühlte Flaschen. Zusätzlich betreibt man auch einen Online-Handel, und zwar sowohl für Flaschenbier, als auch für Bier-Sammelartikel und für Hausbrauzubehör und -zutaten.

Der Pivovarský Klub ist täglich von 11:00 bis 23:00 Uhr durchgehend geöffnet; sonnabends und sonntags ab 11:30 Uhr. Kein Ruhetag. Von der Metrostation Florenc, Linien B und C, sind es etwa 150 m zu Fuß in ostwärtiger Richtung.

Bilder

Pivovarský Klub
Křižíkova 17
180 00 Praha
Tschechien

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