Brew House No. 16
Baltimore
USA

Die Touristen-Information in Baltimore wirbt damit, dass die Stadt eine der besten der USA für gutes Essen und Restaurants sei, und wenn man ein wenig konkreter nachfragt und um Empfehlungen bittet, dann fokussiert sich die Wahrnehmung auf die Inner Harbor Area. Für die Masse der Bars und Restaurants mag das auch stimmen, aber in den letzten Jahren hat sich im historischen Viertel Mount Vernon ebenfalls eine veritable Gastronomie-Szene entwickelt, und man kann hier durch die kleinen und großen Straßen bummeln und immer wieder neue Genuss-Möglichkeiten entdecken.

Heute haben wir das allerdings noch gar nicht im Sinn. Wir haben eben erst im Hotel gefrühstückt und laufen nun kreuz und quer durch Mount Vernon und bestaunen alte Gebäude, Parks und Denkmäler. Irgendwo im Hinterkopf habe ich zwar abgespeichert, dass es hier auch eine kleine Brauerei geben soll, aber die hat noch Zeit, da gehen wir gegebenenfalls heute Abend noch hin.

Aber das alte Spritzenhaus, das No. 16 Firehouse, wollen wir uns wenigstens im Vorübergehen noch ansehen; hier, wo einst die Stadtteil-Feuerwehr ihre Fahrzeuge und Pumpen stehen hatte, soll die schöne Fassade noch zu sehen sein.

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Brew House No. 16

Und wie schön die Fassade ist! Wir stehen vor dem Gebäude und staunen: Aus dem alten Spritzenhaus ist das Brew House No. 16 geworden, und ohne es jetzt schon beabsichtigt zu haben, stehen wir vor genau der Brauerei, die ich auch im Hinterkopf hatte.

Und sie ist geöffnet!

Insofern gibt es nicht viel nachzudenken, natürlich gehen wir hinein!

Uns empfängt ein großer Saal, Fliesenmosaike an der Wand, Jugendstil, mit ansprechender Dekoration. Neben einigen Bierkrügen und anderen Dekorationen an der Wand hängt in einem Abschnitt in einem Glaskasten auch eine komplette alte Feuerwehruniform, mit Brandschutzkleidung, Helm und großer Axt. Weiter hinten ein großer Thekenbereich und daneben eine lange Reihe von Lagertanks, leider mit spiegelnden Plexiglasscheiben abgetrennt.

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der große Schankraum

Für einen kurzen Moment sind wir unschlüssig, ob wir nicht lieber am Abend wiederkommen wollen. Hunger haben wir noch nicht, und für die ersten Biere des Tages ist es eigentlich noch zu früh, und vor allem: Viel zu heiß und drückend.

Eigentlich…

Aber da kommt schon die junge und nette Kellnerin auf uns zu gelaufen, weist uns einen Tisch in der Mitte des Raums mit Blick auf die Lagertanks zu und fragt nach unseren Getränkewünschen. Augenblicke später habe ich einen Tasting Flight vor mir stehen – vier hauseigene Biere. Die Gläser sind schmucklos und schlicht und stehen in einem einfachen Holzbrettchen mit vier Löchern. Ich ziehe meinen Fotoapparat aus der Tasche und hantiere herum, um die Bierprobe zu fotografieren, als mich ein freundlicher, grauhaariger Herr anspricht: So ginge das ja nicht. Das sei doch ein viel zu unruhiger Hintergrund. Ob ich den Tasting Flight nicht lieber auf den Nachbartisch stellen wolle, gegen den roten Hintergrund der Sofalehne dort kämen die Gläser doch viel besser zur Geltung.

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Tasting Flight vor rotem Hintergrund

Recht hat er, und nachdem das Foto im Kasten ist, kommen wir ins Gespräch, und er stellt sich vor: Harry Hummel, Architekt und zusammen mit seinem Sohn Eigner der Brauerei.

Über viele Jahre hinweg habe die alte Feuerwehrstation leer gestanden, erfahren wir. Vorübergehend seien mal kleine Büros eingerichtet worden, sogenannte Cubicles, aber vor vier Jahren habe er mit seinem Sohn Ian begonnen, das Gebäude zu renovieren und die kleine Brauerei einzurichten, die schließlich im Oktober 2015 eröffnet worden sei. Viel Arbeit sei es gewesen, denn das Gebäude selbst, sein Mauerwerk, sei zwar in Ordnung gewesen, die Inneneinrichtung aber völlig heruntergekommen. Neue Elektrik, neue Installationen, alles Mögliche habe man neu machen müssen, bis hin zur Ventilation. Er deutet an die Decke, wo Lüftungs- und Beleuchtungsinstallationen offen verlegt sind und Industrial Chic ausstrahlen. Wenigstens die Fliesen an den Wänden mit den Jugendstilmustern seien gut erhalten gewesen und gäben dem Gebäude nun seinen besonderen Charme. Und die Uniform im Glaskasten, die sei in der Tat ein Original. Der Feuerwehrmann, der diese Uniform seinerzeit getragen hat, sei schon lange im Ruhestand, aber dennoch ab und an als Gast hier.

Er erzählt und erzählt, und wir erfahren vieles aus der Geschichte des Gebäudes und von seinen Plänen für einen weiteren Ausbau der kleinen Brauerei. Und: Er weist uns stolz auf seine deutsche Abstammung hin. Sein Name Hummel (er spricht es Hammel aus) sei ja wohl eindeutig deutsch, und deswegen hinge auch eine Hummel als Symbol über dem Eingang zum Brauhaus.

Während wir uns noch unterhalten, beginne ich, die Biere zu verkosten und bin mehr als zufrieden. Das Belvedere White Pale Ale, 5,0%, begeistert mit einer schönen Kombination aus hopfigen Aromen und der Spritzigkeit des mit verbrauten Weizens, das Rahr-Punzel Golden Blond Ale, 4,8%, mit einer hohen Drinkability und ganz sauberen Hopfen- und Malz-Aromen. Zwei schöne Biere für den großen Durst bei der sommerlichen Hitze.

Das mit 6,0% etwas stärkere Saison de la Maison mag vielleicht zu dieser Tageszeit, am späten Vormittag, schon etwas zu stark sein, aber mit seiner Spritzigkeit und den leichten, phenolischen Aromen der Saisonhefe gefällt es mir trotzdem ausnehmend gut. Ein hervorragendes Bier, wenn man prägnanten Charakter haben möchte, ohne gleich auf starke, belgische Biere mit sieben, acht oder mehr Prozent Alkohol zurückgreifen zu wollen.

Der Gipfel ist aber das eine Bier, das nicht in der Getränkekarte stand, sondern als besondere Spezialität angeboten wurde: Das Pineapple Saison. Ein Saison-Bier, das mehrere Monate im Holzfass gereift und mit frischen Ananas versetzt worden ist. Die Holzaromen sind nur dezent im Hintergrund zu spüren, sie dominieren nicht, spielen aber eine ganz wichtige Rolle: Sie verpacken die prägnante Säure dieses Biers in eine weiche Matrix, machen sie kremig und sanft, fast wie bei einem Balsamico-Essig. Und diese weiche, samtige Säure paart sich perfekt mit den Fruchtaromen der Ananas und ganz feinen phenolischen Aromen der Saisonhefe. Ein tolles Bier, wenn ich auch schon nach dem ersten Schluck spüre, dass es einen hohen Alkoholgehalt hat. Es wärmt in Mund und Rachen wunderbar, und nach dem Schluck spüre ich auch, wie sich die Wärme in der Speiseröhre und im Magen weiter ausbreitet. 12,0% Alkohol, wie ich rasch erfahre.

Harry Hummel ist begeistert ob unserer Begeisterung und holt seinen Sohn Ian, den Brauer, mit hinzu, denjenigen, der die Biere nicht braut, sondern komponiert, wie er sagt.

Ian hat vor vier Jahren in Berlin an der VLB, der Versuchs- und Lehranstalt für Brauerei, gelernt, und im Nu sind wir beim Fachsimpeln. Den einen oder anderen gemeinsamen Bekannten identifizieren wir recht schnell, und rasch kommen wir im Gespräch von Hölzchen auf Stöckchen, sehen uns die schlichte, aber zweckmäßige Brauerei noch etwas näher an, die hinten im Feuerwehrgebäude in einem separaten, aber für die Gäste gut einsehbaren Raum steht, und überlegen, welche Bierstile sich hier noch gut machen würden.

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das schlichte, aber zweckmäßige Sudwerk

Meine holde Ehefrau hat derweil einen leckeren Salat verspeist, aber nun wird sie zu Recht ein wenig ungeduldig. Wir haben nur zwei Tage in Baltimore, und die Stadt hat noch so viel mehr zu bieten. Sie möchte weiter. Und auch Ian hat ja eigentlich zu tun und kann nicht den lieben langen Tag mit Biergesprächen vertändeln. Ein letztes großes Lob also noch einmal für die Biere, und ein kurzer Rundumblick: Definitiv einen Umweg wert, um hier einmal einzukehren. Eine nette Brauerei in einem sehr schönen Gebäude mit wirklich leckeren Bieren!

Das in der alten Feuerwehrstation No. 16 befindliche Brew House No. 16 wird von Vater (Harry, Architekt) und Sohn (Ian, Brauer) Hummel betrieben und hat im Oktober 2015 eröffnet. Es ist täglich ab 16:00 Uhr (sonnabends und sonntags ab 16:30 Uhr) bis 21:00 Uhr geöffnet, freitags und sonnabends bis 23:00 Uhr; kein Ruhetag. Zusätzlich ist dienstags bis sonntags von 11:00 bis 14:30 Uhr für Lunch oder Brunch geöffnet. Zu erreichen ist es bequem mit dem Gratis-Stadtbus Charm City Circulator, Purple Line, Haltestelle Madison Street, und von dort aus kaum mehr als eine Minute Fußweg.

Bilder

Brew House No. 16
831 N Calvert Street
Baltimore
MD 21202
USA

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