Letzten Sommer Eintritt, Livemusik und eine Lokation im heruntergewirtschafteten Fußballstadion, dieses Jahr freier Eintritt, kaum Unterhaltungsprogramm und zentral in der Mitte der Altstadt gelegen – die Macher des Bierfestivals in Brno haben ihr Konzept einmal gründlich geändert, und so fand das Pivní Festival Brno 2017 vom 2. bis zum 5. August 2017 ganz prominent zwischen den alten, ehrwürdigen Bürgerhäusern auf dem Freiheitsplatz, dem Náměstí Svobody, statt.
Rund 25 Brauereien waren mit ihren Ständen vertreten – kleine Pavillons jeweils nur, keine großen, aufwändigen Stände, an denen die Großbrauereien protzen und die Aufmerksamkeit von den eigentlich viel spannenderen Kleinbrauereien abziehen konnten. In zwei Reihen zogen sich die Pavillons über den Platz, und dazwischen blieb viel Raum für Biertischgarnituren, an denen die Genießer in Ruhe verkosten konnten.
„Deutlich gemütlicher als letztes Jahr“, stellt meine holde Ehefrau fest, als wir zum Náměstí Svobody kommen. Nur widerwillig hatte sie mich heute begleiten wollen, hatte das Stadion, in dem sich die Gäste beim Pivní Festival Brno 2016 verlaufen haben und keine Stimmung aufgekommen war, noch in unangenehmer Erinnerung. Mit Adlerblick erspäht sie blitzschnell einen freien Platz für uns beide und kommandiert: „Ich setze mich da schon mal hin, und Du holst Bier!“
„Du holst Bier“? Das höre ich nicht allzu oft, und so bin ich blitzschnell unterwegs. Der Stand der kleinen Brauerei Trautenberk, irgendwo ganz weit weg im Riesengebirge, fällt mir als erstes ins Auge. Von denen habe ich noch kein Bier getrunken, und so überlege ich nicht lang. Ein American Pale Ale 14° darf es sein, denke ich, und als die junge Dame anfängt, das Bier zu zapfen, da fällt mir auf, dass sich zwei Dinge seit dem letztjährigen Festival nicht zum Besseren verändert haben: Erstens gibt es immer noch den grässlichen, klobigen Plastikbecher, der mit seiner Haptik den Biergenuss massiv beeinträchtigt (und nebenbei auch fürchterlich aussieht…), und zweitens gibt es unverändert als kleinste Portion 300 ml, so dass auch starke Trinker eigentlich nur wenig mehr als vier oder fünf Biersorten bewusst verkosten können.
Und so trabe ich denn mit 300 ml American Pale Ale aus dem Hause Trautenberk an den Tisch, wo meine Frau schon auf mich wartet: „Sieht aus wie eine Urinprobe bei der Vorsorgeuntersuchung“, lästert sie, und sie hat nicht unrecht.
Aber es schmeckt wenigstens. Frisch, fruchtig, großzügig mit aromatischen Hopfen gebraut. Viel Aroma, aber nicht zu viel Bittere. Wir sind sehr zufrieden für den Auftakt.
Um uns herum tobt das Leben. Höhen und Tiefen latschen an uns vorbei. Bildhübsche junge Männer und Frauen, aber auch Menschen, bei denen man überlegt, zu welchen Irrungen der Modegeschmack fähig ist. Mittendrin immer wieder auch die hier in der Region so beliebten (?) Mannsbilder mit Schwabbelwampe, die stolz geschwellt unter dem offenen Hemd und locker über den Hosenbund der bunten Shorts wabbelnd präsentiert wird. Dazu gerne Plastiklatschen, wenn es geht auch mit weißen oder grauen Socken.
Langweilig wird’s hier nicht…
Direkt neben uns der Stand der Brauerei Dukla aus Polen. Interessante Etiketten, und so entscheide ich mich für ein English India Pale Ale, das Wiedźmy. Sieht im Urinprobenbecher absolut genauso aus wie das Trautenberk APA eben, schmeckt aber – leider! – völlig anders. Statt frischer und fruchtiger Hopfennoten eher eine erdige Dumpfheit, die mit ihren harzigen Noten durchaus spannend sein könnte, aufgrund einer deutlich spürbaren Säure (ist das Bier vielleicht schon am Umkippen?) aber nun überhaupt nicht gefällt. Nee, das war nix!
Die dritte und letzte Bierprobe für heute (bei weit über 30° im Schatten geht das alles nicht so, wie gewünscht…) stammt von der kleinen Gipsy-Brauerei Baran aus Brno. Brněnský Rodák 12° nennt sich das Bier, es ist ein American Pale Ale, unter anderem mit Sorachi Ace Hopfen. Ein DIN A-4 Zettel mit einer ausführlichen Beschreibung des Biers liegt am Stand aus – na, bitte, so muss das sein. Keine Geheimnisse! Schmecken tut’s hervorragend, und zwar nicht nur im unmittelbaren Vergleich mit dem verwachsten English IPA direkt vorher, sondern auch absolut. Wunderbare Hopfenaromen, eine deutliche, aber nicht kratzige oder nachhängende Bittere, die den Geschmack auch nicht zu sehr dominiert, sondern Raum lässt für einen malzigen Körper mit leichten Biskuitnoten.
Ein schöner Abschluss.
Die Sonne brennt nach wie vor gnadenlos auf den Náměstí Svobody herab. Wir sehen viele knallrote Köpfe und wundern uns, wie die Menschen es nachher schaffen wollen, heil wieder nachhause zu kommen, ohne vorher einen Kreislaufzusammenbruch zu erleiden. Ein paar schattenspendende Sonnenschirme wären vielleicht schön gewesen, aber auch so war es ein nettes Bierfestival in deutlich ansprechenderer Atmosphäre als letztes Jahr.
Und wir hätten auch sehr standesgemäß anreisen können, sehen wir, als wir das Festivalgelände verlassen: Wie immer in den Sommermonaten haben die Verkehrsbetriebe in Brno die alte, historische Straßenbahn wieder in Betrieb genommen. Langsam rumpelt der alte holzverkleidete Triebwagen am Bierfest vorbei. Nahverkehrsromantik trifft Hipsterbier…
Pivní Festival Brno 2017
Náměstí Svobody
602 00 Brno
Tschechien
Schöner Bericht! Der macht Lust, dieses Festival nächstes Jahr zu besuchen … ich habe mir es jedenfalls mal vorgemerkt.
Danke, David, es freut mich, dass Dir der Bericht gefallen hat.
Aber wenn Du wirklich mal nach Brünn kommen möchtest, dann empfehle ich Dir die etwas kleineren, familiäreren Feste, zum Beispiel dieses im Norden der Stadt http://blog.brunnenbraeu.eu/?p=10071 oder dieses ein paar Kilometer weiter http://blog.brunnenbraeu.eu/?p=1725. Dort ist die Atmosphäre viel schöner und die Bierauswahl eigentlich genauso gut. Man kann sowieso nicht mehr als zehn verschiedene Biere trinken. Also ich jedenfalls nicht…
Gib‘ aber auf alle Fälle bescheid, wenn Du hier bist!
Mit bestem Gruß,
Volker
Danke, Volker für die weiteren Tipps! Ja, ich werde mich melden, wenn ich in der Gegend bin.
Das ist prima! :-)