Horka nad Moravou, ein kleines, ordentliches und blitzsauberes Städtchen in der Nähe von Olomouc. An einem Sonnabendnachmittag herrscht hier ländliche Ruhe. Zwei Autos stehen noch vor dem kleinen Supermarkt, eine alte Dame wackelt über den holprigen Bürgersteig und verschwindet ganz langsam in einer Seitengasse. Ein Storch fliegt über uns hinweg, so niedrig, dass wir seinen Flügelschlag hören können.
Vor uns taucht eine unscheinbare graue Mauer auf, gelbe Plakate sind darauf befestigt und eine kleine schwarze Tafel lädt uns ein: PIVOVÁREK MELICHÁREK OTEVŘEN. Die Pivovárek Melichárek ist geöffnet. Durch ein blau gestrichenes Metalltor geht es in den Innenhof, und wir stehen in einem schlichten, aber dennoch (oder gerade deswegen?) urgemütlichen Biergärtchen. Auf der saftig grünen Wiese stehen Biergarnituren und robuste Holztische und -bänke, einige davon von Sonnenschirmen beschattet, andere in der hellen, warmen Nachmittagssonne.
Ganz am Rand ein kleines Holzbüdchen, zwei junge Mädchen sitzen daneben und warten auf Gäste. Am anderen Rand eine kleine Spielecke für Kinder, mit Trampolin, Schaukel und ein bisschen Sandspielzeug, daneben ein selbst konstruierter Grill und Räucherofen, aus dem appetitlich riechende Schwaden quellen.
Gerade einmal zwei Gäste sitzen auf einer Bierbank und unterhalten sich leise, kaum lauter als das Rauschen der Blätter in den Bäumen über uns; abgesehen davon herrscht angenehme Stille. Wir haben noch gar nicht richtig Platz genommen, da ergreift uns schon das Gefühl der absoluten Entspannung. Die Zeit scheint fast stillzustehen, eine tiefe Ruhe liegt über dem kleinen Biergarten.
Fast wie in Zeitlupe schlendere ich zum Holzbüdchen und bestelle uns ein Glas Bier. Das jüngere der beiden Mädchen zapft sorgfältig und bringt uns nach einigen Minuten ein Glas Bier wie aus dem Bilderbuch. Goldgelbe Farbe, ein feiner, kremiger Schaum, das Glas leicht beschlagen, von der Sonne angestrahlt. Behutsam setzt sie es in die Mitte des Bierdeckels, klemmt einen kleinen Notizzettel darunter und verschwindet wieder hinter dem Tresen.
Ich betrachte das Glas vor mir, und für einen Moment verschwindet die Welt um mich herum. Die sowieso schon leisen Gespräche scheinen völlig zu verstummen; die weiche Luft, die milde Temperatur, die angenehme Sonne, der zarte Windhauch – sie alle bilden nur noch Kulisse für den ersten Schluck, der auf mich wartet. Sekundenlang ist alles im Einklang, und fast fürchte ich mich, das Glas anzusetzen, die Harmonie zu stören. Aber die Sorge ist unbegründet. Ein feiner Hopfenduft umschmeichelt meine Nase, kühl, ganz leicht malzig und süßlich, nicht zu stark gespundet, sondern wunderbar weich rinnt das Bier über meine Zunge. Eine zarte Bittere legt sich auf den Gaumen, ich rieche und schmecke ein wenig Heu, und ich merke, wie sich das Bier perfekt in die Stimmung einpasst.
Einer dieser wunderbaren Biermomente, in denen man merkt, dass der Brauer all seine Liebe und Erfahrung in dieses Bier eingebracht hat, dass ihm ein wunderbarer Sud gelungen ist, und dass dieses eine Bier, genau das Glas, das jetzt gerade vor mir steht, wie für diesen einen perfekten Moment gemacht zu sein scheint.
Ich nehme einen tiefen Zug, setze ab, schmecke noch ein wenig dem Schluck hinterher, horche in mich hinein und bin mit mir und der Welt zufrieden. Für den Augenblick stimmt einfach alles. Ein perfektes Bier in einem perfekten Moment. An einem Sonnabendnachmittag, irgendwo in der mährischen Provinz…
Natürlich bleibt die Zeit nicht stehen, natürlich wird das Glas irgendwann leer, natürlich kommen irgendwann weitere Gäste, die die Ruhe und Idylle zerstören. Aber es bleibt tiefenentspannt, es bleibt diese ganz eigentümliche Atmosphäre dieses kleinen Biergärtchens.
Das wunderbare helle Lager, das Světlý Ležák Melicharék 11°, ist für heute sicherlich nicht mehr zu übertreffen – dieser makellose Biermoment lässt sich nicht wiederholen. Aber auch die anderen Biere, die ich hier noch verkosten kann, stehen qualitativ kaum nach. Das Simcoe American Pale Ale 13° erfreut mit einer knackigen, blitzsauberen und aromatischen Bittere, das Kazbek India Pale Ale 17° mit einem kräftigen Malzkörper und einer fast schon aggressiven Hopfung, deren Bittere aber ebenfalls sauber und rund bleibt, nicht kratzig und nachhängend wirkt, sondern trotz aller Macht angenehm weich bleibt.
Passend zu diesen wunderbaren Bieren gibt es eine kräftige, deftige Wurst frisch aus dem Räucherofen. Dick und fett liegt sie vor mir, dazu ein dicker Klecks Senf, ein großer Löffel frisch geriebener Kren, ein bisschen Brot. Das frische Raucharoma vom langsam verschwelenden Holz, der scharfe Kren, dazu immer wieder ein Schluck Bier – das Leben kann so schön sein!
Zum Abschluss darf es noch ein Glas Weizenbier sein, das Hanácká Pšenice 13° steht noch auf der Getränkekarte. Frisch und spritzig spült es die Zunge von Rauch, Fett, Senf, Kren und Hopfen wieder frei, kann zwar charakterlich nicht an die drei anderen Biere anschließen, aber erfrischt und macht wieder munter.
Ich lasse mir von den beiden jungen Damen noch vier große Bierflaschen aus dem Kühlschrank geben. Auch wenn ich den Biergarten selbst nicht mitnehmen kann – die leckeren Biere kann ich einpacken und daheim in Ruhe noch einmal genießen, den Nachmittag in Gedanken noch einmal erleben, das Gefühl der Ruhe und Entspannung bis daheim retten.
Ein Kleinod, in einem kleinen Hinterhof irgendwo in Horka nad Moravou.
Und irgendwann, wenn ich wieder einmal hier bin, dann melde ich mich vorher an, und dann werde ich mir die kleine Brauerei, in der Petr Melichárek diese herrlichen Biere braut, ebenfalls ansehen.
Die Pivovárek Melichárek verfügt über einen kleinen Biergarten, der mittwochs bis freitags von 16:00 bis 21.00 Uhr, sonnabends und sonntags von 11:00 bis 21:00 Uhr geöffnet ist; montags und dienstags ist Ruhetag. Neben dem eigenen Bier gibt es Kleinigkeiten vom Räuchergrill, Eis und Süßigkeiten. Zu erreichen ist die Brauerei am besten mit dem eigenen Auto, dann darf man aber nichts trinken. Alternativ fährt nach Horka nad Moravou auch ein Nahverkehrsbähnchen, vom Bahnhof sind es dann etwa 800 m zu Fuß.
Pivovárek Melichárek
1. máje 10
783 35 Horka nad Moravou
Tschechien
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