Eine gewisse Lakonie kann man den Betreibern der Ølbaren sicherlich nicht absprechen – unnötig viele Worte werden nun nicht gerade gemacht, um Besucher hierher zu locken. Biegt man in die winzige Elmegade in Kopenhagens Stadtteil Nørrebro ein, begrüßt einen schon von weitem ein einziges Wort – Bier. Auf Dänisch noch einmal um 50% kürzer als auf Deutsch: ØL.
Zwei Buchstaben. Blutrote Neonröhren im heraufziehenden Dunkel der Nacht. Ein bisschen verrucht wirkend, fast, als hätten wir uns ins Rotlichtviertel verirrt.
Neugierig treten wir näher und werfen einen kurzen Blick durch das Schaufenster in das Innere. Ein kleiner Raum nur, kaum größer als unser Wohnzimmer daheim. Bunt gestrichene Wände, eine kleine Theke in der Ecke und dahinter eine farbenfrohe Liste von Bieren aus aller Welt.
Vorsichtig schieben wir uns an den Rauchern vorbei, die die Pause zwischen zwei Regenschauern nutzen, um ihrem Laster zu frönen, und betreten die Ølbaren.
Der Name der Bierbar ist nicht weniger lakonisch als die Leuchtreklame. Ølbaren heißt nichts anderes als Bierbar. Was auch sonst. Eine Bar, in der es Bier gibt. Warum soll man sie nicht Bierbar nennen. Ølbaren.
Wir haben Glück und finden zwei Plätze im Schaufenster. Soll heißen, auf zwei Barhockern an einem Brett, das fast wie eine Fensterbank vor die große Scheibe montiert ist. Zwar sitzen wir dann mit dem Rücken zur Bar, aber können bequem nach draußen schauen und beobachten, wer so alles durch die Straße schlendert. Und das ist in der Elmegade, so kurz sie auch sein möge, ein wirklich buntes und gemischtes Publikum. Alte Alters- und Einkommensklassen, alle Geschlechter (definitiv mehr als nur zwei), alle Nationen, Hautfarben und Stilrichtungen laufen, stöckeln, schlurfen, springen, flanieren und eilen vorbei. Ein endloser Korso.
Aber um dieses Panoptikum wirklich in Ruhe genießen zu können, brauchen wir natürlich erstmal ein Bier. Ich blicke zu unserem Nachbarn: Er hat einen robusten Halbliterkrug vor sich stehen, klassisch bayerisch, gefüllt mit goldgelb schimmerndem, klarem Ayinger Pilsner. Mit Sicherheit eine hervorragende Wahl und hier in Dänemark auch ausreichend originell, aber für uns heute natürlich kein Vorbild. Ayinger kennen wir, mögen wir, lassen wir aber heute links liegen.
Uns interessieren eher die exotischeren Biere und so bestelle ich mir ein Sputnik American Pale Ale der Brauerei North Brewing aus Leeds. Vom Stil her vielleicht nicht so wirklich exotisch, aber von der Herkunft, denn Biere von North Brewing bekommt man nun nicht gerade an jeder Straßenecke. Eine solide und erfrischende Wahl. Ordentlich, aber nicht übermäßig gehopft, fruchtig, herb und frisch. Und mit 5,0% angenehm leicht und trinkbar.
Meine holde Ehefrau bevorzugt ihr kleines Schwarzes, und zwar ein Outrageous Sexy (in my teens), ein Oatmeal Stout von Braw aus Kopenhagen. Keine echte Brauerei, sondern eher die Spielwiese für den Brauer Emil Rosendahl, der sich im Nørrebro Bryghus auf dem dortigen Sudwerk austoben darf und immer wieder neue Rezepte kreiert. Kräftig röstig, schöne Kaffeearomen, tiefschwarze Farbe, sahniger Schaum. Das einzige was ein bisschen ausgeprägter sein könnte, ist die samtige Textur, die der Hafer in ein Oatmeal Stout zaubern sollte. Trotzdem prima, und mit 5,7% auch nicht übermäßig stark.
Und so sitzen wir mit diesen beiden Bieren gemütlich am Schaufenster, werden gelegentlich von den vorbeigehenden Passanten angestarrt, starren genauso zurück und kommen uns manchmal vor wie im Zoo. Nur dass uns nicht immer ganz klar ist, auf welcher Seite des Fensters sich denn gerade die Besucher, und auf welcher die Affen befinden.
Der Eigner und Barmann hinter der Theke arbeitet ruhig und effizient vor sich hin, spricht nicht viel. Lakonie scheint zu seinem Geschäftsmodell zu gehören. Um so lauter unterhalten sich die Gäste – der kleine Schankraum ist erfüllt von Stimmengewirr und fröhlichem Geschnatter. Trotzdem ist es aber nicht zu laut, es dröhnt keine laute Musik, die es zu übertönen gilt; kein Fernseher läuft. Es geht wirklich in erster Linie darum, miteinander zu sprechen, sich vielleicht sogar gegenseitig einmal zuzuhören. Und dazu ein gutes Bier zu trinken.
Die Bierauswahl in der Ølbaren ist nicht unendlich groß, aber sie wechselt ständig, und so solle man, so heißt es, am besten regelmäßig hier einkehren und sich so Schritt für Schritt durch die Bierwelt trinken.
Uns bleibt dies verwehrt – nach fast einer Woche ist dies der letzte Abend, und an diesem letzten Abend auch die letzte Bar in Kopenhagen. Morgen geht es wieder heim, die Flugtickets liegen schon im Hotel bereit. Ein schöner und entspannter Abschluss einer Reise mit vielen bunten Biererlebnissen.
Die Ølbaren ist täglich ab 16:00 Uhr geöffnet; montags erst ab 21:00 Uhr, dafür freitags schon ab 15:00 Uhr und sonnabends und sonntags sogar ab 13:00 Uhr. Kein Ruhetag. Zwar werden hier gelegentlich Fußballspiele übertragen (Champions League und so), aber es ist keine Sportsbar, und die verhältnismäßig wenigen Übertragungen kann man zum Glück gezielt vermeiden. Zu erreichen ist die kleine Bar in der ebenso kleinen Gasse mit dem Bus, Linie 3A, Haltestelle Elmegade, gerade einmal 50 m enfernt.
Ølbaren
Elmegade 2
2200 København
Dänemark
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