Ein bisschen chaotisch? Oh, ja, vielleicht, aber irgendwie auch liebenswert hier, finden wir, als wir unser Bier bekommen und feststellen, dass wir trotz langer und fröhlicher Diskussion an der Theke nicht ganz das bekommen haben, was wir bestellt haben. Und es uns trotzdem (oder gerade deswegen?) besonders gut schmeckt. Wir lehnen uns also entspannt zurück und genießen unser Bier im Tyris on Tap, mitten in Valencia.
Ein erster Spaziergang durch die Stadt führte uns durch kleine Straßen und Gassen, wir haben die Kathedrale besichtigt, sind durch kleine Grünanlagen gebummelt, haben uns von der Farbenvielfalt der Souvenirgeschäfte blenden lassen, und gerade als uns der Sinn nach einem schönen Feierabendbier stand, entdeckten wir am Ende einer eher trostlosen Gasse das Tyris on Tap.
Der kleine Platz vor der Bar steht voller Stühle und kleiner Tische, ein buntes Publikum sitzt hier beim Bier und genießt die Wärme der schon tief stehenden Sonne. Ein schon recht alter Straßenmusiker macht dicke Backen und versucht, einem alten Waldhorn Melodien zu entlocken, die sich bei genauem Hinhören als Rockklassiker aus den siebziger und achtziger Jahren identifizieren lassen. Meine holde Ehefrau und eine Arbeitskollegin – wir sind heute zu dritt unterwegs – erspähen einen freien Tisch, machen es sich bequem und schicken mich in die Bar, an die Theke: „Bring uns was Leckeres!“
Ach, wie ich diese unspezifischen Aufträge hasse. „Äh, was soll es denn sein? Eher etwas Leichtes? Oder stärker? Eher Durst oder eher Genuss? Hell oder dunkel? Malzig oder bitter?“ Ich versuche, die Auswahl ein wenig einzugrenzen. Die beiden Damen lächeln mich an: „Du wirst schon was Passendes finden“, heißt es, und ich weiß: In dieser Situation kann ich eigentlich nur verlieren. Bringe ich das Falsche, heißt es, ich hätte es doch besser wissen müssen; bringe ich das Richtige, so lautet die Bemerkung stattdessen: „Siehst Du, geht doch. Warum fragst Du denn dann vorher so dumm?“
Aber was bleibt mir anderes übrig. Ich füge mich in mein Schicksal und trotte an die Theke. Die Bar ist leer. So viel Trubel, wie draußen auch herrscht, hier drinnen ist es ruhig. Ein Pärchen sitzt an der Theke, alle anderen Plätze sind frei. So kann ich in Ruhe die nette Dekoration an der Wand bewundern: Eine Grafik, die den Brauprozess in stilisierter Form darstellt. An der anderen Wand, gegenüber der Toilette, ein überdimensioniertes Periodensystem der Biere – statt der chemischen Elemente sind hier die Bierstile der Welt gruppiert.
Die Tische und Stühle im Raum sind simpel. Einfachste Holztische, und die Stühle sind von der Sorte, dass sie bei jedem Hin- und Herschieben auf dem Betonboden ordentlich Krach machen. Wenn es draußen kühler wird oder regnet und die Bar sich füllt, dann herrscht hier bestimmt ein Höllenlärm.
Hinter der Theke die unvermeidliche schwarze Wandtafel mit der Bierauswahl, darunter, ebenfalls auf eine schwarze Wand montiert, zehn Zapfhähne. Für einen Moment studiere ich die schwarze Tafel, versuche, drei wohlschmeckende, aber doch unterschiedliche Biere auszuwählen, so dass wir im Zweifelsfall so lange hin und her tauschen können, bis jeder von uns ein Glas vor sich stehen hat, mit dessen Inhalt er auch zufrieden ist.
Ein Mensch, der nur aus Armeemütze und Bart bestehen zu scheint, taucht hinter der Theke auf und fragt mich nach meinen Wünschen. Ich deute auf drei der Biere aus der Liste und muss mich belehren lassen, dass die Liste auf der schwarzen Tafel leider nur wenig mit dem zu tun habe, was tatsächlich ausgeschenkt würde. Man müsse eigentlich mal wieder auf die Leiter klettern und alles aktualisieren, aber ich wisse doch bestimmt, wie das ist. Erst hat man keine Zeit, dann keine Leiter und am Schluss gerade keine Lust, und dann bliebe doch alles, wie es ist.
Aber die Beschriftung unter den Zapfhähnen, die sei schon korrekt, heißt es zum Abschluss, und ich versuche erneut mein Glück. „Das Brown Ale hätte ich dann gerne, das Red India Pale Ale, und das Amber Ale,“ bestelle ich und trolle mich wieder nach draußen. Nicht ganz die Biere, die ich eigentlich haben wollte, aber trotzdem wohl interessante Sorten, die den Damen hoffentlich zum Auftakt genehm sind. Das Brown und das Red sollten wohl gut ankommen, und ich gönne mir das Amber. Alles nicht zu extrem, nicht zu alkoholstark.
Wenige Minuten später kommen die Biere an den Tisch. „Einmal das Brown Ale, einmal das Red IPA, und einmal das Belgian Triple“, zählt der bärtige Kellner freudestrahlend auf. „Triple? Wieso Triple?“, frage ich, und bekomme eine entwaffnende Antwort: „Oh, je, ich wusste nur noch, dass es eines der Biere war, die nicht aus unserer eigenen Brauerei stammen!“, heißt es. „Also nicht das Triple? Du wolltest eigentlich das Amber Ale?“
Ach, egal, seufzend nehme ich auch das Belgian Triple. Ist zwar etwas alkoholstärker als das Amber Ale, aber ich freue mich jetzt trotzdem darauf. Schön aromatisch, kräftig. Es wird schon passen!
„Oh, ein Belgian Triple!“, lässt sich meine holde Ehefrau vernehmen, entwindet mir das Glas und schiebt mit das Brown Ale hinüber. „Das ist doch bestimmt für mich!“
„Und ich nehme dann das Brown Ale“, heißt es von der anderen Seite des Tisches, und ich ende schließlich beim Red IPA. Breites Grinsen beider Damen. „Hast Du ganz toll ausgesucht! Wussten wir’s doch!“
Zum Glück darf ich wenigstens reihum probieren und mir einen Eindruck verschaffen, wie denn die anderen Biere vielleicht geschmeckt hätten, und in der Summe sind wir alle drei zufrieden. Das Paquita Brown Ale (5,2%) der Tyris Brauerei leicht karamellig, rund und weich; das Diablos Joe! Red India Pale Ale (6,5%), ebenfalls von Tyris, schön hopfig und eher in die klassische, harzige Richtung tendierend, und das Belgian Triple (7,5%) der Brauerei Domus estrig-fruchtig mit einem kräftig-kernigen Körper.
Zu essen gibt es zu dieser frühen Stunde, also kurz nach 19:00 Uhr, leider noch nichts – in Valencia, so erfahren wir, sei es vor halb neun nahezu unmöglich, etwas Ordentliches zu bekommen. Lediglich ein paar kleine Tapas zum Bier könnten wir haben. Und so bestellen wir halt eine zweite Runde Bier. Während meine holde Ehefrau beim Triple bleibt, bekomme ich endlich mein Arrau Amber Ale vom Basqueland Beer Project, und als fünftes Bier für heute verkosten wir auch noch das Au Yeah! American Pale Ale von Tyris. Beide Biere sehr ordentliche Vertreter ihres jeweiligen Stils, aber mehr noch als die Biere interessieren uns die Schafskäsewürfel und die wunderbaren Oliven, die wir als Tapas bekommen – immerhin haben wir seit dem Abflug heute Morgen nichts Anständiges mehr zu essen gekriegt.
Der Straßenmusiker hat inzwischen erschöpft aufgegeben, ein paar Euro eingesammelt und sich seines Weges getrollt. Die Sonne steht mittlerweile hinter den Häusern, und es beginnt, sich abzukühlen. Die ersten Gäste setzen sich schon ins Innere der Bar.
Tyris on Tap – ein schöner Anlaufpunkt für einen allerersten Bierabend in Valencia. Die erst vor wenigen Jahren (2010) von Gonzalo Abia und Daniel Vara gegründete Brauerei Tyris liegt vor den Toren der Stadt, in Riba-Roja del Túria, und hat mit dieser Bar einen eigenen Ausschank im Herzen der Altstadt.
Der Brauereiausschank Tyris on Tap ist täglich ab 19:00 Uhr geöffnet; kein Ruhetag. Küche ab 20:30 Uhr. Zu erreichen ist die kleine Bar bequem zu Fuß, sie liegt im Gewirr der Altstadtgassen, nur wenige Schritte westlich der Kathedrale. Alternativ bietet sich der Stadtbus an, Linien 7, 27 und 73, Haltestelle Mercat Central – Llotja, etwa 100 m südlich der Bar.
Tyris on Tap
Carrer de la Taula de Canvis, 6
46001 Valencia
Spanien
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