Valencia mag vielleicht nicht in der gleichen Bierliga spielen wie Madrid, wo die Bierszene bunt, abwechslungsreich und spannend ist, aber zu langweilen braucht man sich hier auch nicht. Ganz im Gegenteil. Mehr und mehr Bars bieten zu ihren kleinen Gerichten Biere jenseits des San Miguel Imperiums an, überraschen mit einer großen Auswahl wirklich interessanter Fassbiere und brauen sie zum Teil sogar selbst, wie das 2011 gegründete Birra & Blues Valencia Centro.
Und so laufen wir denn auch frohgemut auf den Eingang dieser Bar zu. Zwischen zwei V-förmig aufeinander zu laufenden kleinen Straßen, nur wenige Schritte durch eine kleine, pitttoreske Gasse hindurch von der großen Markthalle entfernt sieht man ihn schon von weitem. Auf der breiten Glasscheibe oberhalb der Tür das Logo und der Birra & Blues Schriftzug, darunter steht groß und deutlich „Craft Beer – Tapas – Restaurante“. Eine klare Ansage. Links und rechts der Tür in knallbunten Lettern noch ein paar launige Sprüche. Nicht, dass man die noch nie gehört hätte, aber Werbung muss sein: „You can’t buy happiness, but you can buy pizza“ und „Today let’s try and make something beertiful“.
Wir werfen zunächst einen Blick in das Innere. Zentral die Bar mit fünf schlanken Zapfsäulen, an jeder Säule zwei Hähne. Macht zehn verschiedene Fassbiere – schon mal eine ordentliche Auswahl. Dazu noch ein paar Flaschenbiere, und bei näherem Hinsehen wird klar: Die zehn Fassbiere scheinen das Standardsortiment zu sein (sofern man bei den Sorten hier überhaupt von Standard sprechen kann, Standardsortiment also im Sinne von regelmäßig gebraut), in den Flaschen gibt es dann eher saisonal gebraute Biere. Na, ist doch prima!
Eine kleine Enttäuschung folgt auf dem Fuß. Die Kupferkessel, die durch ein Gitter im oberen Stock zu sehen sind, erweisen sich als Attrappe. Hier werde nicht gebraut, sondern die Biere entstünden zwar in einer eigenen Brauerei, diese befände sich jedoch an der Küste, nicht hier in der Stadt, heißt es seitens der Bedienung. Ein Brauereiausschank also, nun ja. Auch nicht wirklich schlecht.
Die Deko und die Atmosphäre sind ansprechend. Hinter der Theke leuchtet ein großer Schriftzug BEER, und die Körper der Leuchten, die über der Theke hängen, sind Vorratsgläser, in die eine Lampenfassung geschraubt ist. Damit sie nicht zu grell nach unten auf die Theke strahlen, ist in jedes Glas eine dünne Schicht Malz eingefüllt, gerade einmal zwei oder drei Zentimeter nur. Genug, um sowohl das Licht abzuschirmen als auch einen Bezug zum Brauprozess herzustellen. Nett.
An der Wand entlang stehen gemütliche Sitze und Sofas, hier kann man sich hinfläzen und chillen, während man sein Bier genießt.
Auf Chillen im ursprünglichen Wortsinn, also auf’s Abkühlen, steht uns der Sinn aber eigentlich nicht – wir bevorzugen es, draußen sitzen zu können. Schließlich ist es in Mitteleuropa mittlerweile schon empfindlich kühl und regnerisch, und so möchten wir lieber die Gelegenheit nutzen, den warmen Abend noch ein wenig unter freiem Himmel genießen zu können und uns zu wärmen statt zu chillen.
Die freundliche junge Bedienung mit ihren je nach Standpunkt spannenden oder gruseligen Piercings und Tattoos ist etwas umständlich, aber irgendwann haben wir dann doch unsere beiden Biere und können den ersten Durst löschen. Das Negra (5,8%) ist ein dunkelbraunes, recht malziges und nur ganz leicht röstiges Bier; das IPA Blues (5,4%) ist für ein India Pale Ale verhältnismäßig dezent gehopft. Beide Biere sind aber gut trinkbar, schöne Durstlöscher für den Auftakt des Abends.
Zur zweiten Runde Bier, dem Amber (5,9%, sehr malzig und vollmundig) und dem Double Malta (6,1%, etwas estrig, leicht phenolisch) bestellen wir uns etwas Schinken und Käse. Jamon Iberico ist angesagt, dazu kräftiger und fester Käse. Serviert wird das Ganze mit ein paar kleinen Brötchen aus Pizzateig, erläutert uns die Kellnerin fröhlich. Was sie uns aber verschweigt: Das, was wir für ein kleines Häppchen gehalten haben, entpuppt sich als veritable Platte für zwei Personen, die alleine völlig ausgereicht hätte, uns beide zu sättigen. Der deftige Cesar-Salat mit Hühnchenstreifen kommt noch obendrauf, und anstatt nur etwas zu knabbern zum Bier zu haben, futtern wir uns rundum pappsatt.
Na, andersherum wäre schlimmer gewesen.
Auf diese Völlerei müssen aber noch zwei Abschlussbiere folgen, und so gönnen wir uns etwas Kräftigeres für den ruhigen Genuss. Das Tripel (6,7%), das uns leider maßlos enttäuscht, weil es dumpf, fast schon faulig schmeckt und mit Noten nach feuchter Erde und Lagerkeller alles andere ist, nur kein Tripel, und das John Lee Blues (6,5%), das beste Bier des Abends. Komplex, malzig, rund, eine Fülle von Estern und ein mächtiger Körper. Leicht wärmend, ohne dass der Alkohol spritig wirken würde, ist es ein gelungener Digestif und rundet den Abend in hervorragender Weise ab.
Birra & Blues Valencia Centro – eine gemütliche Bar, ganz zentral in der Stadt gelegen. Gute Biere aus der eigenen Brauerei vor der Stadt, freundliche Bedienungen und eine Küche, die die Portionen durchaus reichlich bemisst. Was wir allerdings vermisst haben, war der Blues. Birra gab’s genug, Blues leider überhaupt nicht (auch wenn man nach dem Tripel emotional den Blues hätte kriegen können…). Die im eher naiven Stil gehaltenen Wandgemälde spielen zwar mit dem Thema, Vinylschallplatten hängen als Dekoration neben der Theke und die Papier-Deckchen auf den Tischen sind mit einem Vinylplattenspieler bedruckt und wecken nostalgische Gefühle. Allein – die Musik fehlt.
Stattdessen stellt sich ein Straßenmusiker zwischen die Tische auf dem Bürgersteig und beginnt, seine Gitarre und unsere Ohren zu malträtieren. Ein uraltes Männlein mit brüchiger Stimme, die keinen Ton trifft, und mit einem Rhythmus-Gefühl, mit dem es ihm gelingt, bei einer dreiminütigen Darbietung mit etwas Glück im zweiten Anlauf des dritten Refrains den Takt zu treffen. Uns tränen die Ohren – wir haben noch nie einen so schlechten Straßenmusiker erlebt. Singen kann er nicht, Gitarre spielen kann er nicht – wenn er wenigstens ein bisschen Show machen würde oder ein paar Sprüche klopfen… Ein paar Mitleids-Münzen sammelt er, und dann trollt er sich weiter, zur nächsten Bar. Und das Birra & Blues Valencia Centro wird wieder still.
Kein Blues weit und breit.
Trotzdem aber schön. Eine Bierempfehlung!
Das Birra & Blues Valencia Centro ist täglich ab 11:00 Uhr bis weit nach Mitternacht geöffnet; kein Ruhetag. Es liegt zentral in der Altstadt; vom Südosteingang der großen Markthalle des Mercat Central sind es achtzig Meter zu Fuß durch eine kleine Gasse in Richtung Osten, und dann steht man schon vor der V-förmigen Einmündung, an der die Bar liegt. Auch der Stadtbus ist eine gute Optiion: Linie 28, Haltestelle Plaça de l’Ajuntament, und von dort aus geht man etwa 150 m in Richtung Norden.
Birra & Blues Valencia Centro
Avenida María Cristina, 12
46001 Valencia
Spanien
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