Die Isländer sind ein zähes Völkchen – was haben sie nicht alles schon auszustehen gehabt. Stürme, lange, kalte und dunkle Winter, Erdbeben, Vulkanausbrüche, die Bankenkrise und jetzt auch noch die Craft-Beer-Revolution.
Aber auch letzterer begegnen sie in der ihnen eigenen Art: Wenn Du weißt, dass Du den Naturgewalten nicht stur trotzen kannst, dann lass’ Dich auf sie ein, sei flexibel, nimm‘ sie an und nutze sie zu Deinen Gunsten.
Und so entstand in Islands Norden mit Gæðingur eine kleine Handwerksbrauerei, die auch einen Ausschank mitten in Reykjavik betreibt, die MicroBar. Sie, also die Bar, nicht die Brauerei, liegt im gleichen Gebäude wie das Center Hotel, dient ihm, obwohl man wirtschaftlich voneinander getrennt arbeitet, gewissermaßen als Hotelbar. Und so lungern die Craft-Beer-Hipster denn auch nicht nur in der MicroBar, sondern fläzen sich gelassen mit den Verkostungsgläsern in der Hand auch in den Ledersesseln der Hotellobby herum. Alles geht quasi ineinander über.
Die anreisenden Hotelgäste machen, so sie denn der eher konservativen Fraktion entstammen, erstmal große Augen ob des Publikums, das die doch recht solide Adresse des Center Hotels zu frequentieren scheint, aber das freundliche Hotelpersonal klärt die Sache recht schnell auf. Und wer ein wenig länger in Reykjavik verweilt, als der Weg vom Taxi ins Hotel dauert, gewöhnt sich sowieso recht schnell an die schrillen Outfits der Reykjaviker, muss sich daran gewöhnen. Die 70jährige, grauhaarige Omi in Netzstrümpfen und roten High Heels gehört genauso selbstverständlich dazu, wie der schwarzgekleidete und leichenblass geschminkte Gruftie, der mit seiner farbenfrohen Baseballkappe einen gezielten Akzent setzt, bewussten Stilbruch betreibt.
Aber zurück zum Bier. Zur Bar. Zur Brauerei. Zehn verschiedene Biere sind im Ausschank vom Fass, die Masse davon eben aus der Brauerei Gæðingur. Aber wer partout etwas anderes haben möchte, liest geduldig die schwarze Tafel neben der Theke, und wer dann immer noch nichts gefunden hat (ja, auch solche Gäste gibt es hier…), kann den Barmann nach einem Geheimtipp fragen.
Zu später Stunde, nach langer Anreise, und noch gar nicht richtig in Reykjavik angekommen, beschränkten wir uns heute auf eine recht konservative Verkostung, ein Pale Ale und ein India Pale Ale.
Einschub.
Oh, Mann, so weit sind wir doch schon gekommen – jetzt gelten Pale Ale und IPA schon als konservativ! Ein gutes Zeichen!
/ Einschub.
Beide Biere schön fruchtig und hopfig herb. Das Pale Ale etwas gefälliger, das (Achtung, Kalauer-Alarm!) konservativere der beiden konservativen. Blumige Hopfennoten, ausgewogene Bittere, angenehme Trinkbarkeit. Das IPA etwas fordernder, fruchtige Hopfennoten in der Nase, eine knackige, etwas raue Bittere auf der Zunge. Gaumenkitzel, der Aufmerksamkeit fordert, nicht nebenher getrunken werden möchte, sondern bei jedem Schluck das Gespräch zum Erliegen bringt.
Schöne Atmosphäre. Und auch wenn wir heute, am Vorabend des Himmelfahrtstags, der auch in Island ein Feiertag, ein Bank Holiday ist und daher zum Ausgehen genutzt wird, unter all den schrillen Outfits aller Generationen die einzigen waren, die nur Jeans und Hemd trugen, fühlten wir uns doch dazu gehörend, nicht ausgegrenzt. Genauso, wie der alte Mann in der Trapperkluft, mit dem langen, weißen Bart und dem Cowboyhut, der im Hotel eincheckte, aber dann den Koffer an der Rezeption unbeachtet stehen ließ und sich erst ins Getümmel der MicroBar stürzte.
Die MicroBar ist täglich von 16:00 Uhr bis nach Mitternacht geöffnet; von 17:00 bis 19:00 Uhr ist Happy Hour. Durch die Lage im Ortszentrum von Reykjavik ist sie problemlos zu erreichen – entweder durch die Lobby des Center Hotels hindurch, oder durch den eigentlichen, den offiziellen Eingang in der Austurstræti, einer etwas unscheinbaren, vernachlässigten Nebenstraße. Und wer partout das gesamte Angebot versucht hat, zu testen, und nun nicht mal mehr nach Hause laufen kann, findet durch die wunderbar benachbarte Lage bestimmt auch ein Zimmer im Center Hotel.
MicroBar
Austurstræti 6
101 Reykjavik
Island
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