„Zielgruppe? Gut betuchte Detektive vermutlich!“, brumme ich unwillig, als wir endlich am Tisch sitzen und unser Bier genießen können. Und: „Manchmal ist Dein Job als selbsternannter Biertester scheinbar ganz schön nervig, oder?“ provoziert mich auch noch meine bessere Hälfte. „Du siehst aus, als hättest Du eine Kakerlake in Deinem Bier gefunden!“, setzt sie noch oben drauf.
Nun ja. Detektivische Spürarbeit ist jetzt vielleicht etwas übertrieben, aber ein bisschen doof war es ja trotzdem… Läuft man nämlich ohne Stadtplan oder Nokia Maps einfach drauf los, auf sein Glück vertrauend, dann sieht man, wenn man die Straße entlang blickt, erstmal nichts. Kein Ausleger, keine Leuchtreklame. Die freundlichen Passanten zucken ratlos mit den Achseln. Rechts oder links? Keine Ahnung, aber irgendwo in dieser Straße soll es sein.
Murphy hatte Recht, es war links… Logisch, weil wir nach rechts gegangen waren. Na endlich, da steht’s, auf die Hauswand gemalt: Mikkeller & Friends. Schnell hinein.
„Rumms!“ … „Aua!“
Also, das Holztor ist definitiv zu. Meine Schulter schmerzt.
Die werden doch jetzt im Frühsommer nicht zu haben? Gerade jetzt? Quatsch.
Ah, dort, eine kleine Treppe hoch, neben einer normalen, unbeschrifteten Haustür, da sieht man Menschen an Tischen sitzen, mit Bier. Also, nix wie hinein.
„Hm!“, denke ich. Seit wann gibt es bei Mikkeller etwas zu essen? Und die Liste der Biere ist zwar interessant und deutlich länger als in den meisten deutschen Restaurants, aber Mikkeller ist nicht dabei? Hier sind wir falsch.
Nochmal raus, nochmal gekuckt, nochmal wieder rein.
Die Kellnerin gefragt.
„Hahaha, da müsst Ihr die Holzstiege hier hoch!“ sagt sie. „Aber ihr seid nicht die ersten. Es kommt jeder erst bei uns rein, der noch nie hier war. Und wenn wir die fragenden Blicke sehen, dann wissen wir schon Bescheid. Meistens zeigt dann nur unser Barmann mit dem Zeigefinger nach oben!“ lacht sie.
Also hoch, weit und breit kein Hinweis, kein Schild, aber dann sieht man es nach zwei, drei Stufen schon. Und das typische Mikkeller Feeling macht sich breit. Wunderliche Typen, kleine Probiergläser, lange Schlange an der Theke. Wissende Gesichter, verschwörerische Mienen, Geraune und Fingerzeige vor der großen schwarzen Tafel mit den zwanzig hier angebotenen Bieren. Mit Masse Mikkeller und To Øl.
„Okay, ein Milk Stout für meine Frau, die liebt das, und ein IPA mit Lakritze („Kolswart Lakrids IPA“) für mich. Aber bitte im kleinen Probierglas!“ Etwa 150 ml dürften das sein, höchstens.
„2000 Kronen!“
„Nein, nein, nur das Bier! Als ich sagte, bitte in Probiergläsern, da wollte ich die Gläser nicht kaufen, Davon habe ich genug. Nur das Bier! Die Gläser bringe ich zurück!“
Der Barmann schaut mir verständnislos in die Augen, verzieht keine Miene.
„Oder ist da Pfand auf den Gläsern?“
Immer noch keine Reaktion.
Und mir dämmerts. Dänemark ist teuer, Finnland teurer, Norwegen am teuersten. Und Island, zumindest hier beim Mikkeler, toppt dies offensichtlich noch, geradezu unverschämt.
Beim Lakrids-IPA hätte ich es vielleicht ob der Exklusivität noch verstanden, dass 150 ml sechs Euro kosten. Aber beim normalen Milk Stout, einem einfachen Trinkbier? Puh!
Brummig starre ich auf die beiden Gläser, die lustigen Mikkeller-Hütchen aus dem Logo scheinen mich auszulachen. Zugegeben, das Milk Stout war richtig gut – die perfekte Balance zwischen knackiger, röstiger Herbe und milder Süße. Meine Frau ist begeistert. Aber das Lakrids-IPA war dann doch keine Offenbarung. Manchmal zeigt sich eben auch ein Mikkeller in seiner Verirrung groß. Zumal dann, wenn die Experimentierlust mal wieder Überhand gewonnen hat. Da sind 150 ml vielleicht auch schon eine reichliche Portion.
Unausgewogen kämpfen die Salmiak-Aromen der Lakritze und die wilde Bittere des Hopfens in meinem Rachen um die Vorherrschaft, während sich die Süßholzaromen und die fruchtigen Ester eher auf der Zunge balgen. Von Balance keine Rede. Eher ein Bier, das Lust auf ein „richtiges Bier“ macht, also auf ein frisches Pale Ale, mit nicht zu viel Hopfen, sondern gerade richtig ausbalanciert. Mit dem Malz tänzelnd, und nicht kämpfend. Zum Spülen! Zum Re-Kalibrieren, gewissermaßen!
Und ein solches fanden wir dann auch, hundert Meter weiter in der MicroBar.
Aber das ist eine andere Geschichte.
Das Mikkeller & Friends in Reykjavik hat täglich ab 16:00 Uhr durchgehend geöffnet, freitags und sonnabends sogar schon ab 14:00 Uhr. Steht man vor der Aufschrift „Mikkeller & Friends“ an der Hauswand, dann geht man links die Treppe hoch, durch die unbeschriftete, hölzerne Haustür und dann gleich links die Treppe hoch. Und dann ist man da.
Mikkeller & Friends
Hverfisgata 12
101 Reykjavik
Island
Hinterlasse jetzt einen Kommentar