29. Lahnsteiner Bierseminar
„Im tiefen Keller reif‘ ich hier“

Während die letzten beiden Bierseminare die Grenzen des Fassungsvermögens des Schalanders der Lahnsteiner Brauerei ausgetestet hatten, war das Seminar am 6. März 2014 etwas weniger stark besucht. Ein Zugeständnis, dass am Tag vorher mit dem Aschermittwoch gerade erst die im Rheinland doch recht anstrengende Karnevalszeit vorbeigegangen war?

Der Qualität des Seminars tat die Teilnehmerzahl von 14 jedoch keinen Abbruch. Ganz im Gegenteil – die überschaubare Gruppe bot nicht nur die Gelegenheit, die jeweils verkosteten Biere ein wenig ausführlicher vorzustellen und zu besprechen, sondern Markus Fohr, Seminarleiter und Eigentümer der Lahnsteiner Brauerei, konnte die kleine Gruppe auch als besonderes Highlight durch seinen Bierkeller führen.

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der Lahnsteiner Bierkeller

„Bierkeller? Was soll daran besonders sein?“, fragte sich die Gruppe zunächst, doch bevor diese Frage beantwortet wurde, gab es erst einmal die beiden ersten Biere zu verkosten. Ein Camba Bavaria Hell machte den Auftakt, ein vom Stil her zwar einfaches Bier, aber handwerklich ordentlich gebraut. Gefolgt von einem schon anderthalb Jahre gelagerten Jubiläumsbier der Hallerndorfer Brauerei Rittmayer – speziell eingebraut zum 150jährigen Jubläum der Fachzeitschrift Brauwelt. Trotz seines Alters wies es noch hervorragende Hopfenaromen und sogar noch eine deutliche Hopfenbittere auf.

Mit dem „hohen Alter“ fiel auch das entscheidende Stichwort, und während wir die Treppen vom Schalander bis in den Bierkeller hinabstiegen, erläuterte Markus Fohr, dass es Biersorten gebe, die von einer mehrjährigen Lagerung im Bierkeller sehr profitieren, in ihrem Geschmack reifen und ganz neue Aromanuancen entwickeln würden.

Im Bierkeller der Lahnsteiner Brauerei stehen somit von allen hier gebrauten Bockbieren (Schneebock und Martinator) seit Ende 2010 Kisten aus jedem einzelnen Sud und reifen unter recht stabilen Bedingungen vor sich hin. Doch damit nicht genug. In mehreren einfachen Metallregalen stehen auch andere Bierspezialitäten aus unterschiedlichen Ländern, von unterschiedlichen Brauereien. Und nur zu besonderen Gelegenheiten, wie beispielsweise diesem Bierseminar, wird ab und an einmal eine Flasche aus dem Regal genommen und verkostet.

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Schneebock und Martinator aus den vergangenen Jahren

Die Schlichtheit des Bierkellers überraschte. Aber letztendlich handelt es sich dabei ja auch nicht um ein Biermuseum, sondern tatsächlich lediglich um einen Raum, in dem das Bier unter stabilen, sich im Laufe der Jahreszeiten nur schwach ändernden Bedingungen und insbesondere ruhig und dunkel stehen soll. Spannend waren allerdings die Inhalte der Regale. Egal, ob es sich um mehrere Dutzend Flaschen „Dies Irae“ aus dem Brauhaus Gusswerk, um einige mit Siegelwachs verschlossene Flaschen Schorschbock oder um unterschiedliche Biere des Gueuze-Stekers Frank Boon handelte – der Bierkenner sah sofort, um welche Raritäten es sich hier handelte.

Nach dieser kurzen Einweisung ging es wieder hinauf in den Schalander, und dort wurden nun langzeitgelagerte Biere verkostet. Es begann mit einem direkten Vergleich eines frischen Martinators mit einem aus dem Jahr 2011. Entgegen der Überzeugung einiger Anwesender, „da schmecke ich sowieso keinen Unterschied!“, erwies sich der „alte“ Martinator als viel aromareicher und ausdrucksstärker als sein jüngerer Bruder. Schöne Honignoten hatten sich gebildet, die Farbe war etwas dunkler geworden und der Geschmack runder und voller.

Gleiches galt für den Vergleich des frischen Schneebocks mit dem des Jahres 2011. Erneut rundere, kräftigere Aromen, honigartige Noten, nur das Nachdunkeln fiel hier nicht so prägnant aus, da der Schneebock schon frisch recht dunkel ist.

Es folgte ein etwa zwei Jahre altes Bockbier aus Bulgarien, das Stolichno, das durch angenehme Röst- und Kaffeenoten überzeugen konnte. Etwas untypischer fiel das anschließende India Pale Ale der Hachenburger Brauerei aus – hier hatten im Verlauf der mehr als zwei Jahre Lagerung die frischen Hopfenaromen ein wenig eingebüßt; gleichwohl überzeugte das Bier nach wie vor mit einer großen, fruchtigen Vielfalt.

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Verkostungsteilnehmer

Höhepunkt des Abends war der als nächstes verkostete Doppelbock der Wippraer Brauerei – der Wipprator. Schon die Anspielung mit seinem Namen und die ungewöhnliche Flaschenform ließen Assoziationen zu, die mit dem Geschmack dieses Biers eigentlich nichts zu tun hatten, aber dergestalt vorbelastet konnten die Seminarteilnehmer gar nichts anderes als begeistert sein. Obwohl… Ich meinte schon, eine leichte Säure auszumachen, und hatte das Gefühl, dass diesem Bier die lange Lagerung vielleicht nicht so gut bekommen war.

Weiter ging es mit einem intensiv nach Kaffee und Lakritze schmeckenden Caulfield Roggen IPA der Braustellte Ehrenfeld in Köln – 10% Alkohol und der wirklich außerordentlich intensive Geschmack überforderten aber den einen oder anderen Seminarteilnehmer.

Das folgende Infinium, ein Kooperationsbier der amerikanischen Samuel Adams Brauerei und der Brauerei Weihenstephan, das mit einer Champagnerhefe endvergoren war, sprach mit seinen weinartigen Aromanoten und seiner hefebedingten Trockenheit (Champagnerhefe ist dafür bekannt, alle Restzucker komplett zu vergären) insbesondere die Damen unter den Seminarteilnehmern an.

Krönender Abschluss heute war der Cascade-Bock aus eigener Produktion der Lahnsteiner Brauerei – kräftig mit Cascade-Hopfen aus den USA gestopft, rief dieses Bier wahre Begeisterungsstürme hervor. Die Heu- und Grapefruitnoten kamen bei allen Seminarteilnehmern gut an. Hier handelte es sich allerdings nicht um ein gelagertes Bier, sondern um ein ganz frisches, das gerade erst auf Flaschen gezogen worden war und ab dem Freitag nach dem Bierseminar überhaupt erst in den Verkauf kam.

Neben den zahlreichen verkosteten Bieren bleiben natürlich auch die Hinweise von Markus Fohr in Erinnerung, welche Biere sich am besten für eine längere Lagerung eignen. Starke Biere mit mehr als sechs Prozent Alkohol, hopfengestopfte oder überhaupt stark gehopfte Biere, Biere mit Spontangärung und Biere in großen Flaschen.

Da es auch in ganz normalen, gut sortierten Getränkeläden Biere gibt, die diese Bedingungen erfüllen, stünde dem Beginn einer eigenen Sammlung von Bieren für die Kellerreifung eigentlich nichts entgegen, ermunterte Fohr die Seminarteilnehmer noch zum Abschluss.

Der Chronist lächelte und schwieg. Er dachte sich seinen Teil. Vor seinem geistigen Auge tauchte sein eigener Bierkeller auf, in dem die eingelagerten Flaschen (vorwiegend belgischer Provenienz) immerhin bis ins Jahr 2005 zurückreichen, und während er sich auf den Heimweg machte, nahm er sich vor, am nächsten Wochenende doch mal wieder die eine oder andere dieser fast zehn Jahre alten Spezialitäten zu verkosten!

Bilder vom 29. Lahnsteiner Bierseminar

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