Élesztő heißt Hefe. Élesztőház dementsprechend wohl Hefe-Haus. Und dahinter verbirgt sich nach eigenen Angaben DIE Craft-Bier-Adresse in Budapest. Seit Frühjahr 2013 gilt das Motto: Wenn sich irgendwo in der Pannonischen Tiefebene etwas in der Bierszene tut, dann wird das Élesztőház der erste Anlaufpunkt sein, um daran teilhaben zu können.
Ein hoher Anspruch, und so ist klar, dass wir den heutigen Tag, obwohl er eigentlich schon übervoll mit Biererlebnissen war, hier beenden werden müssen. Wenigstens ein Abschlussbier muss drin sein, einmal wollen wir uns umsehen, auch wenn die Aufnahmekapazität eigentlich schon erschöpft ist, der Bierdurst nachgelassen hat und die Augen müde sind.
Das dichte Straßenbahnnetz in Budapest bringt uns in wenigen Minuten in die Nähe, noch ein paar Schritte durch die frische Luft, und schon stehen wir vor dem alten Fabrikgebäude. Ganz früher hat es mal eine Glasbläserei beherbergt, dann ein Parkhaus, und irgendwann begannen ein paar Szene-Kneipen, hier ihr Glück zu versuchen. Bis 2013 dann das Élesztőház eröffnete.
Schon als wir die Einfahrt zum Gelände entlangschlendern, merken wir, dass sich hier mehr verbirgt als nur ein kleines Pub mit leckeren und seltenen Bieren. Links und rechts von uns stehen Sofas, mit dickem Kunststoff bezogen. Knallbunt sind sie, und das Material sieht unverwüstlich und wetterfest aus, erinnert an Lkw-Planen, ist vielleicht sogar aus solchen geschneidert. Bei halbwegs trockenem und mildem Wetter kann man hier draußen schön sitzen, sich hinfläzen, in rustikaler Atmosphäre sein Bier trinken.
Ein paar Schritte weiter treten wir durch einen Vorhang aus dicken, transparenten Kunststoffbahnen, wie man ihn in Werkshallen oft sieht. Dahinter ein zweiter Biergarten. Nun nicht mehr bunte Sofas, sondern robuste Tische aus Holz und Metall, davor jede Menge Barhocker, darüber ein von dunkelgrünen Stahlträgern gehaltenes Dach. Hier wird zwar nicht geheizt, aber das Dach, die Wände und der Kunststoffvorhang halten den Biergarten trocken und nicht allzu kalt. Und so sitzen denn auch trotz Dezemberfrost ein paar unverdrossene Frischluftfanatiker mit ihrem Bier hier draußen.
Von hier aus können wir uns überlegen, durch welche Tür wir gehen. Wenden wir uns nach links, so sehen wir eine Glastür mit der Beschriftung Grillkitchen Import Craft Beer, dahinter sehen wir eine Holztheke. Hier gibt es rustikale, fleischbetonte Küche. Deftiges zum Bier.
Wenden wir uns stattdessen nach rechts, so sehen wir zunächst eine Art Schaufenster, in und vor dem zahlreiche Prospekte und Werbeheftchen liegen – Anregungen, die bunte Kulturszene Budapests zu erkunden. Und daneben geht es in die eigentliche Bierbar.
Hunger haben wir keinen mehr, also gehen wir nach rechts. Zwar haben wir eigentlich auch keinen Durst mehr, aber … Ach, das Thema hatten wir schon. Der Tag war lang gewesen …
Uns empfängt Industrial Chic und Steampunk vom Feinsten. Grobe Wände, unverputzt, überall irgendwelche merkwürdigen stählernen Installationen und Konstruktionen. Oft sinnfrei, aber dekorativ. Lampen sind geschickt in alte Rohre integriert und beleuchten die schwarze Tafel mit dem Bierangebot indirekt. Die Theke ist grob mit alten Latten verkleidet, teilweise aber auch einfach nur schwarz überstrichen. Dahinter, an der Rückwand, dicke, rostige Rohrleitungen, an denen blitzblanke Zapfhähne installiert sind. Links daneben ein aus Stahlrohren zusammengeschweißtes Gestell, in dem zahlreiche KEGs lagern und per Flaschenzug herausgehoben und zur Theke transportiert werden können.
Alles wirkt so grob und rustikal, dass wir uns ohne Blaumann, Warnweste und Bauhelm fast fehl am Platze fühlen. Statt eines Flaschenöffners benutzt man hier bestimmt unterarmlange Schraubenschlüssel, denke ich mir heimlich, und fühle mich auf eine Offshore-Bohrplattform versetzt.
Ich frage den jungen Mann hinter der Theke, ob er etwas Fruchtiges, Alkoholstarkes habe, ein Betthupferl für meine holde Ehefrau gewissermaßen, und er empfiehlt mir ein Honeymoon Braggot der Brauerei Rothbeer aus einem Vorort von Budapest. Ein Bier das mit Honig versetzt ist, der mitvergoren worden ist. Ein Hybrid zwischen Bier und Met. Süßlich, aromatisch, süffig und alkoholstark – in diesem Falle 8,0%. Für mich selber wähle ich etwas Leichteres, ein India Pale Ale mit lediglich 5,0% Alkohol namens Munkaszünet. Gebraut vom Wanderbrauer Pandula. Was immer auch Munkaszünet heißen mag – das Bier ist hopfig, aromatisch und erfrischend, und obwohl ich heute schon einige Biere probiert habe, zischt es gut, und das Glas ist rasch geleert.
Während meine bessere Hälfte ihren Braggot lieber ganz langsam genießt und sich freut, wie sich eine alkoholische Wärme breit macht und ihr die Wangen rötet, erkunde ich noch den Rest des Élesztőház. Ich entdecke ein ausgedehntes Kellergewölbe mit langgestreckten Tischen und feuerroten Stühlen. Hier kann man bestimmt mit größeren Gruppen hervorragend feiern, ist vom Rest der Gäste deutlich separiert und hat doch nur ein paar Schritte bis zur Theke, um fleißig Nachschub holen zu können.
In der entgegengesetzten Richtung schließen sich noch einige weitere Räume an, und auch eine zweite Theke finde ich noch. Jeder Raum ist ein wenig anders gestaltet, hat seine jeweils eigene Stimmung. Und überall ist es voller junger Menschen. Das Bier fließt in Strömen, die Stimmung ist ausgelassen, man feiert, als gebe es kein Morgen. Und das an einem Montagabend – eigentlich doch der toteste Tag der Woche.
Wären wir etwas früher hier eingekehrt, hätten wir uns mit Sicherheit festgesetzt. Hätten ein Bier ums andere getrunken, die anderen Gäste beobachtet, die rustikale und trotzdem sehr angenehme Atmosphäre genossen. Eine wirklich schöne Adresse.
Und sie soll sich noch weiterentwickeln. Braukurse und weitere Veranstaltungen rund ums Bier sollen hier stattfinden; Haus- und Hobbybiere sollen hier verkostet werden können. Ein kleines Hotel soll entstehen, mit einfachen, aber bierig eingerichteten Zimmern, in deren Minibars ungarische Kreativbiere angeboten werden sollen. Und ein etwas feineres Café soll ebenfalls integriert werden, nicht zu abgehoben, nicht zu exklusiv, gerade so fein, dass auch diejenigen, die den Industrial Chic und den Rotten Charm nicht so schätzen, sich wohlfühlen können. Große Pläne, aber nach dem heutigen Besuch habe ich keine Zweifel, dass sie nach und nach umgesetzt werden. Schon jetzt macht das Élesztőház einen hervorragenden Eindruck!
Das Élesztőház ist täglich von 15:00 bis 03:00 Uhr durchgehend geöffnet; kein Ruhetag. Es bietet neben Craftbier auch deftige Küche und soll sich zu einem Eventzentrum rund um kreatives Bier weiterentwickeln. Mit den öffentlichen Verkehrsmitteln ist es bequem zu erreichen: Die Haltestelle Corvin-negyed ist etwa zwei Minuten entfernt; dort halten die Straßenbahnlinien 4 und 6 sowie die Metrolinie M3.
Élesztőház
Tűzoltó u. 22.
1094 Budapest
Ungarn
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