Eins muss man der Brauerei Plzeňský Prazdroj a. s. lassen, und zwar unabhängig davon, wie kritisch man sie als Großbrauerei, als Ableger des Weltkonzerns SABMiller oder, seit 2016, des japanischen Bierriesen Asahi, auch sehen mag: Ihr Bier, das weltberühmte Pilsner Urquell, ist verhältnismäßig unverwechselbar und wird in sehr konstanter Qualität produziert und ausgeliefert.
Ob man es mag, sei dahingestellt. Nicht jedem gefällt der Hauch von Diacetyl, der dieses Bier auszeichnet und ihm eine zarte, buttrige Note verleiht – mir schon. Und so empfinde ich persönlich das PU, wie es oft despektierlich verkürzend genannt wird, als bestes Industriebier überhaupt. Wenn …
… wenn es denn ordentlich gezapft und serviert wird. Und da kann man leider auch mal enttäuscht werden. Wirte, die ihre Leitungen nicht pflegen, Wirtinnen, die die Gläser nicht richtig spülen, Barmänner und -frauen, die zu langsam oder zu schnell zapfen, Kellner und Kellnerinnen, die das fertige Bier nicht schnell genug servieren, oder Wirtshauseigner, die keine anständige Kühlung installieren – es gibt zahlreiche Möglichkeiten, das Bier, das die Brauerei in ausgezeichnetem Zustand verlassen hat, zu verhunzen.
Aber es gibt Ausnahmen. Eine Ausnahme sind die tschechischen Speisewagen, die in den Eurocity-Zügen eingesetzt sind und sogar bis Hamburg oder Kiel hochfahren. Das hier frisch vom Fass gezapfte Pilsner Urquell ist eigentlich immer hervorragend gepflegt.
Und die zweite Ausnahme sind die Restaurants der Kette Pilsner Urquell Original Restaurant, die auch im Tschechischen exakt so heißt und auf die alte böhmische, zweisprachige Geschichte der Brauerei verweist. Diese Restaurants haben nicht nur einen eigenen, separaten Internetauftritt, sondern unterliegen auch einer besonderen Qualitätskontrolle des Firmenmanagements, zapfen ihre Biere nicht aus einfachen KEGs, sondern aus Tanks, die aus Lastwagen-Zisternen mit ununterbrochener Kühlkette befüllt werden, und zeichnen sich durch ein ansprechendes, einladendes Interieur und gute böhmisch-internationale Küche aus.
Gewisse Qualitätsstandards kann und darf man also erwarten, und so kehren wir hungrig, durstig und gut gelaunt im Stopkova Plzeňská Pivnice ein, einem der PUORs, mitten in der Fußgängerzone von Brno.
Uns begrüßt eine edle, aber nicht überkandidelte, gemütlich-ansprechende Atmosphäre. Der Barbereich ist mit vielen Kupferelementen dekoriert, Reminiszenzen an alte Sudhäuser. Viel dunkles Holz, viel Dunkelgrün, gedämpftes Licht. Schön!
Es ist Sonnabend, und so sind viele Tische für den frühen Abend bereits reserviert, aber mit etwas Glück finden wir noch einen schönen Tisch für zwei in einer Ecke, direkt vor dem Fenster zu Straße. Ein kurzer Fingerzeig zum aufmerksamen Barmann, und Augenblicke später steht das erste frisch gezapfte Pilsner Urquell vor mir. Herrlich weißer Schaum, schön kremig, ein zarter Duft nach zerlassener Butter und feinem Hopfen, und ein runder, malziger, nur leicht bitterer Schluck. Industrieprodukt hin oder her – ich mag dieses Bier. Wenn es perfekt gezapft ist, ist es beides zugleich: Frischer Durstlöscher und bewusster Genuss. Man kann es Schluck für Schluck genießen und jedem einzelnen Geschmackseindruck hinterher sinnieren, man kann es aber auch, am besten beim allerersten Glas, in ein, zwei großen Zügen hinwegzischen.
Für einen Moment stimmt alles.
Leider aber nur für einen Moment, denn danach beweist das Restaurant Stopkova Plzeňská Pivnice, dass auch die beste Qualitätskontrolle des Ausschanks nicht vor eher mäßigem Personal schützt.
Es ist noch nicht wirklich viel los, die reservierten Tische füllen sich gerade erst, aber wir werden trotzdem nicht zügig bedient und manchmal minutenlang ignoriert. Wir haben das erste Bier vom Barmann blitzschnell bekommen, danach kamen auch recht zügig die Speisekarten, aber dann hapert es schon beim Bestellen. Niemand will unsere Bestellung aufnehmen, keiner interessiert sich für uns. Stattdessen stehen die Kellner in einer kleinen Gruppe um einen anderen Gast herum, offensichtlich einen Bekannten oder einen Stammgast. Man lacht und scherzt und ignoriert die anderen Gäste. Ein klarer Fall von zu viel Personal. Wären es zwei Kellner weniger, hätten sie für einen solchen Schnack gar keine Aufmerksamkeit, würde von einem zum nächsten Tisch flitzen. Aber so? Zu dritt bespaßt man einen Gast; jeder verlässt sich darauf, dass einer der anderen sich ja um die anderen Gäste kümmern könne.
Ratlos schwenke ich meinen leeren Bierkrug, versuche, die Aufmerksamkeit eines der Kellner zu erhaschen. Vergeblich.
Es erbarmt sich erneut der Barmann hinter der Theke. Obwohl es nicht sein Job ist, läuft er außen herum und bringt mir ein frisches Bier. Perfekt gezapft, wie schon das erste. Wunderbar. Aber warum er? Warum nicht seine Kollegen vom Bringdienst? Und warum dauert es schon wieder so lange, bis unsere leergegessenen Teller abgetragen werden?
Man steht erneut und schwätzt. Diesmal nicht mit dem Štamgast, wie es auch im Tschechischen so schön heißt, sondern untereinander. Wir würden, nach ein paar ausgezeichneten Bieren und einem wirklich guten Essen, endlich zahlen wollen…
Nach endlosen Minuten kommt einer der Kellner. Einer, der sich um unseren Tisch bisher gar nicht gekümmert hatte und zum ersten Mal in unsere Ecke kommt. Und er, gerade er, deutet beim Bezahlen mit der Kreditkarte mit dem Finger auf eine Taste des Kartenlesegeräts und kräht vergnügt: „And here, this is for the tip!“ Ausgerechnet er? Der nix geschafft hat? Und noch dazu: Trinkgeld auf Kommando? Nein, mein Freund. Überdeutlich bestätige ich: Null Kronen Trinkgeld.
So nicht!
Im Hinausgehen drücken wir dem Barmann noch ein paar Münzen in die Hand, dem einzigen, der es heute verdient hat, und denken uns, dass die Pflege des Biers und das gute Essen leider nicht alles sind. Die Organisation der PUOR könnte hier, im Stopkova, noch einiges beim Service verbessern, damit schließlich das Bier auch in einem angemessenen Rahmen serviert wird!
Das Restaurant Stopkova Plzeňská Pivnice ist täglich von 11:00 bis 24:00 Uhr durchgehend geöffnet; kein Ruhetag. Vom Hauptbahnhof aus sind es sieben bis acht Minuten Fußweg in Richtung Norden; gegebenenfalls bringen die Straßenbahnlinien 4, 8 und 9 uns auch bis zur Haltestelle Náměstí Svobody, etwa hundert Meter vom Restaurant entfernt.
Stopkova Plzeňská Pivnice
Česká 5
602 00 Brno
Tschechien
Hinterlasse jetzt einen Kommentar