BrewAge GmbH
Wien
AUT

Österreich kommt nicht so richtig aus dem Quark. Überall in Europa und der Welt, selbst in Deutschland, wächst die Begeisterung für kreative Biere gewaltig, wandelt sich die Bierszene in atemraubendem Tempo. Die USA, Großbritannien, die Niederlande, Polen, Dänemark und, ja, sogar das Weinland Italien gehen mit Riesenschritten voran. Deutschland zeigt sich noch ein wenig behäbig, sieht sich oft noch dem rumpeldummen und alles im Keim erstickenden Totschlagargument „das braucht kein Mensch“ ausgesetzt, berappelt sich aber langsam; und nur in Österreich scheint es noch zäher zu gehen, als in Deutschland.

Es bewegt sich aber auch in der Alpenrepublik etwas, wenn auch vorwiegend nur in Wien, und selbst dort nur Schritt für Schritt. Als befände sich die Bewegung in einem Topf voll zähem Honig, als erfordere jede einzelne Handlung den zweifachen Aufwand, die doppelte Kraft wie in Berlin, Rom oder Kopenhagen.

Dabei findet sich dafür überhaupt kein Grund. Außer vielleicht in der Trägheit der Menschen. Denn das gute Bier ist da, die kleinen und guten Brauer auch. Und mehr noch: Die guten Biere der kleinen und guten Brauer sind keine Glückstreffer, keine Eintagsfliegen, sondern werden konstant und konsistent in bester Qualität gebraut. Zumindest von den vier Jungs der BrewAge GmbH.

Seit kaum mehr als drei Jahren erst gibt es BrewAge, aber sie sind aus der Bierszene Österreichs schon nicht mehr wegzudenken. Dabei ist es noch gar keine richtige Brauerei, sondern Raphael Schröer, Michael Mauer, Johannes Kugler und Thomas Mauer sind noch als Wanderbrauer oder Gipsybrauer unterwegs; sie besitzen noch keine eigene Brauerei, sondern mieten sich anderswo ein – üblicherweise in der Brauerei Gusswerk GmbH in Salzburg.

Was sie jedoch schon haben, dass ist ein Büro mit einem kleinen, angeschlossenen Geschäft mitten in Wien. Und vor dem stehen wir jetzt. Keine große Reklame außen, lediglich ein kleines Firmenschild am unauffälligen Eingang, und fast schon zögern wir, die Tür aufzudrücken. Rampenverkauf? Hier? Es sieht eigentlich nicht danach aus.

Aber die Überlegungen haben sich sehr schnell erledigt, die Tür ist nämlich zu. Wir rütteln vorsichtig, aber es ist abgeschlossen. Mist. Habe ich nicht eben im Internet noch die Öffnungszeiten verglichen?

Doch plötzlich öffnet sich die Tür wie von Geisterhand, drinnen steht Raphael und grinst: „Bei dem kalten Winterwetter klemmt die Tür immer – kommt ruhig rein!“

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fröhlich und bunt – Büro und Verkaufsraum in einem

Uns empfängt ein kunterbuntes, fröhliches Durcheinander. Zwei Schreibtische mit großen Monitoren, davor Regale, ein Kühlschrank, ein Tisch mit einer Bank und ein paar Stühlen, und überall viel buntes Werbematerial, meistens mit dem Affenkönig darauf, dem Wappentier der Brauerei. Und die Wand über der Sitzbank ist über und über mit Urkunden behängt. Dutzende Auszeichnungen und Zertifikate von was weiß ich wie vielen Bierwettbewerben: Staatsmeisterschaft, Meiningers International Award, European Beer Star, Alltech Dublin Craft Beer Cup, Barcelona Beer Challenge, … Ganz schön viel für gerade mal drei, vier Jahre!

Raphael räumt die Bank frei, wir nehmen Platz und beäugen das Regal. Zwölf verschiedene BrewAge-Biere stehen hier, dazu noch eine erkleckliche Auswahl an Gusswerk-Bieren. Ich überschlage im Kopf, wieviel Platz ich im Rucksack habe und komme zu dem Ergebnis, dass wir, wenn überhaupt, dann eine Flasche von jeder Sorte BrewAge kaufen können, für die Gusswerk-Biere reicht der Platz dann aber nicht mehr.

Ob es denn die Möglichkeit einer kleinen Kostprobe gebe, bevor wir uns den Rucksack vollladen, wollen wir wissen. „Klar, kein Problem“, heißt es. Es gebe zwar keinen offiziellen Ausschank, schließlich sei das ein Geschäft und keine Bar, aber gegen eine Kostprobe vor dem Kauf sei nichts einzuwenden.

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die zahlreichen Auszeichnungen sind beeindruckend

Wir entscheiden uns für zwei leichte Biere – es ist ja erst früher Nachmittag. Das Steckenpferd, ein Hoppy Lager, überrascht uns mit kräftigen Hopfenaromen und einer schlanken Bittere, schön ausbalanciert, sehr sauber und bei gerade einmal 4,6% Alkohol auch gut trinkbar. Wirklich gelungen, wie hier die volle Aromatik trotz nur geringem Alkoholgehalt zu überzeugen weiß!

Das andere Bier, die Malzstraße, ist ein klassisches Wiener Lager. Ebenfalls nicht allzu stark, 5,0% Alkohol. Dafür aber kräftige Malzaromen. Beim ersten Schnuppern schon rieche ich das Wiener Malz, und der erste Schluck bestätigt es: Rund und vollmundig, malzig, leicht süßlich, nur eine leichte Bittere. Ein hervorragender Botschafter seines Bierstils. Und mich bringt es in einen Gewissenskonflikt: Soll ich es hochloben, weil es den Stil des Wiener Lagers geradezu perfekt wiedergibt? Oder soll ich doch eher kritisch sein, weil ich diesen Stil als solchen gar nicht wirklich mag, da er mir zu sättigend ist, ich nach ein oder zwei kleinen Schlucken von der Intensität des Malzaromas bereits genug habe?

Die Lösung ist einfacher als gedacht: Ich schiebe das Glas zu meiner holden Ehefrau rüber, sie möge doch auch einmal verkosten und ihre Meinung äußern. Viel sagt sie zwar nicht, aber die Tatsache, dass nach einem kleinen Verkostungsschluck das Glas auf wundersame Weise plötzlich leer ist, sagt alles. Ein leises „Hmmm!“ höre ich noch…

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die fassgereiften Spezialitäten sind aufwändig verpackt

Während wir nun doch noch ein drittes Bier verkosten, bevor wir das Regal leerräumen, erzählen Raphael und Johannes, der mittlerweile dazu gekommen ist, ein wenig mehr über BrewAge. 20 hl groß sei das Sudwerk in Salzburg, und das sei natürlich schon jedes Mal eine gewaltige Herausforderung. Da dürfe nichts schiefgehen, denn bei einem misslungenen Sud 2000 Liter Bier in den Ausguss zu kippen, das wäre fatal. Aber bisher habe es immer gut geklappt, die Rezepte, die daheim in der Küche entstanden seien, auf das professionelle Sudwerk zu übertragen.

Die Qualität sei dabei auch so konsistent, dass es ihnen mittlerweile gelungen ist, in den Supermärkten der Kette Inter Spar gelistet zu werden, und so gebe es die BrewAge-Biere mittlerweile in der ganzen Republik. Einfach sei dieser Schritt nicht gewesen, denn Österreich wäre doch noch sehr konservativ-traditionell. Mitten in der weltweiten Bierrevolution zeige sich das Land völlig unbeeindruckt. „Österreich kommt nicht aus dem Quark!“, stelle ich fest.

Wie gut, dass sich mit BrewAge vier junge Leute gefunden haben, die sich von dieser Trägheit nicht beirren lassen. Mit origineller Werbung (der Affenkönig, der mit seiner Maske auf einem winzigen Motorrad auftritt) und absoluter Transparenz in der Produktion (nicht nur die Braustätte ist auf jedem Etikett exakt genannt, sondern auch die Zutaten – die Hefe- und Malzsorten und die verschiedenen hinzugegebenen Hopfen sind alle aufgelistet) sowie konstanter Qualität und großer Stiltreue (wenn Wiener Lager draufsteht, ist auch echtes Wiener Lager mit viel, viel Wiener Malz drin, und nicht nur ein goldgelb eingefärbtes Standard-Bier) kämpfen sie gegen die Beharrungskräfte des Marktes an und vermögen zu überzeugen.

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neben Sudnummer und MHD immer auch noch ein cooler Spruch

Wenn jetzt noch die Pläne einer eigenen Brauerei Wirklichkeit werden, am besten auch mit einem kleinen Ausschank drumherum, und – natürlich! – in Wien, dann steht BrewAge der Biermarkt offen.

Wie groß denn die eigene Brauerei geplant sei, möchte ich noch wissen. 20 hl, so wie in Salzburg, wäre ja schon eine gewaltige Investition… Andererseits, mit 2 hl anzufangen und nach einem halben Jahr festzustellen, dass man schon erweitern müsse, sei ja auch doof.

Ich sehe in nachdenkliche Gesichter und merke, dass ich genau den wunden Punkt getroffen habe. Nicht nur die vier von BrewAge, sondern viele andere neue Brauereien stellen sich genau diese Frage: Reicht das Kapital, um gleich richtig groß einzusteigen, aber dann zu riskieren, sich übernommen zu haben? Oder geht man das Risiko ein, bereits nach einem halben oder einem Jahr Geld nachschießen zu müssen, um die Kapazitäten auszuweiten?

Keine leichte Frage, und ich bohre nicht weiter nach. Irgendwann werde ich wieder einmal in Wien sein, und dann wird die BrewAge-Brauerei stehen – dann werde ich es ja sehen, welche Option die vier jungen Leute gewählt haben. Aber egal, für welchen Weg sie sich entscheiden werden: Wenn die Bierqualität so bleibt, wie sie derzeit ist, sollte der Weg zum Erfolg bereits vorgezeichnet sein!

Die BrewAge GmbH ist eine Brauerei ohne Brauerei, das heißt, die BrewAge-Biere werden anderswo auf fremder Hardware gebraut. Noch. Solange dies so ist, befindet sich am Firmensitz in Wien nur ein Büro mit angegliedertem Flaschenverkauf. Es ist dienstags bis donnerstags von 14:00 bis 19:00 Uhr und freitags von 12:00 bis 17:00 Uhr geöffnet. Zu erreichen ist der kleine Shop bequem mit den Öffis. Am Westbahnhof halten S-, U- und Straßenbahnen sowie Busse aus allen Richtungen, und von dort sind es dann etwa fünf bis sieben Minuten zu Fuß.

Bilder

BrewAge GmbH
Mittelgasse 4
1060 Wien
Österreich

3 Kommentare

    • Hallo, Tilda,

      herzlichen Dank für Deinen Kommentar.

      Ich bin mit Superlativen immer eher zurückhaltend, aber es stimmt: Die BrewAge-Biere sind klasse!

      Mit bestem Gruß,

      VQ

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