Wien Josefstadt, der 8. Bezirk. Der kleinste Stadtbezirk Wiens, aber auch einer der edleren mit einer kaufkräftigeren Kundschaft. Rathaus, Parlament, Burgtheater und Museumsquartier liegen direkt nebenan, und in den Gassen des Bezirks finden sich gute Hotels und hervorragende Lokale.
Ganz mittendrin, dort, wo man Pi mal Daumen den Mittelpunkt in einer Karte des 8. Bezirks markieren würde, befindet sich ein kleines Bierfachgeschäft, der Biergreissler-Shop Wien. Max Gaspar, der in seiner Heimatstadt Eggenburg im Waldviertel bereits ein Bierfachgeschäft betreibt und 2016 einen Online Biershop gegründet hat, ist seit dem Frühjahr 2017 auch in Wien vertreten.
Es sind nur wenige Schritte von der Josefstädter Straße in Richtung Norden, und schon stehen wir vor dem kleinen Lädchen, das sich in der eleganten, hellen Fassade des Bürgerhaus verbirgt. Ein paar Fähnchen und ein Reklamereiter machen auf das Geschäft aufmerksam, und so lenken sich die Schritte der Bierliebhaber fast schon automatisch in die richtige Richtung.
Wir drücken die Tür auf und stehen in einem alten, gepflegten Kolonialwarenlädchen. Jedenfalls ist das der atmosphärische Eindruck – die Inhalte der Regale sprechen natürlich eine andere Sprache. In zwei kleinen und gemütlichen Räumen stehen, sorgfältig nach Ländern sortiert, hunderte von verschiedenen Biermarken. Sehr vieles kommt von kleinen Kreativbrauereien aus Österreich und Deutschland, aber auch Großbritannien, Skandinavien und Belgien sind, natürlich!, reichlich vertreten. Ein alter Holzschrank, ein ehemaliger Küchenschrank mit Anrichte, beherbergt Trappistenbiere und belgische Abteibiere.
Wir stehen für einen Moment in der Mitte des Raums und genießen einfach nur den Anblick. Viele Bierläden wirken übermäßig durchgestylt, zu perfekt und damit dann auch zu kühl, um gemütlich zu sein. Andere sind urig und chaotisch, laden zum Stöbern ein, aber machen es schwer, ein bestimmtes Produkt zu finden. Hier im Biergreissler-Shop Wien ist es gelungen, einen guten Mittelweg zu finden. Alles ist hervorragend sortiert und präsentiert, bis hin zu den Erläuterungen auf den kleinen Schildchen, die an jedem Fach zu jedem einzelnen Bier hängen, und doch wirkt es nicht überperfektioniert, bleibt trotzdem urig und gemütlich. Wer auch immer für diese Balance verantwortlich ist, er oder sie hat ein glückliches Händchen.
Während wir beginnen, die Regale zu erforschen und auf dem Grabbeltisch mit Bierspezialitäten und Bierbüchern, der in der Mitte des hinteren Raums steht, herumstöbern, kommen wir mit dem jungen Mann ins Gespräch, der heute der Laden betreut. Er erzählt ein wenig vom Online-Shop, der dahintersteht, von dessen Angebot und Versandbedingungen und von der Zukunft des Online-Shoppings. Aber auch davon, dass das Online-Shopping beim Bier wohl nie das stationäre Geschäft wird ersetzen können. Die Unterhaltung über das Bier, die Beratung, die Möglichkeit, es vor Ort zu verkosten – all dies ist online natürlich nie gegeben.
Er deutet auf die Kühlschränke im vorderen Raum, in denen zahlreiche Flaschen stehen, die direkt hier im Laden getrunken werden können, und zeigt uns auch die beiden Zapfhähne. „Zwei Biere sind hier immer angeschlossen, meistens ein eher traditionelles, konservatives für die Biertrinker, die sich noch vorsichtig an die neue Welt der Kreativbiere herantrinken, und ein eher exotisches für die, die immer auf der Suche nach neuen und spannenden Bierkreationen sind.“
Wir nehmen an dem kleinen Tisch im vorderen Raum direkt vor dem Fenster Platz und lassen uns von beiden Bieren eine kleine Probe einschenken. 100 ml kosten 1,50 EUR, 300 ml 4,00 EUR. Ein fairer Preis. „Und was kosten die Flaschen aus dem Kühlschrank?“, wollen wir wissen. „Dasselbe, als wenn Ihr sie mitnehmen wolltet. Kein Aufschlag für den Ausschank hier vor Ort“, lautet die lapidare Antwort.
Wir probieren zunächst das Original Wiener Lager von Oliver Lemke aus Berlin. Ein schönes und rundes, malzbetontes Trinkbier. Aromareich und trotzdem nicht aufdringlich oder sättigend. Das Wiener Malz nur sparsam eingesetzt, um es nicht zu mastig zu machen. 5,4% Alkohol. In der Summe ein Bier, das mit vielen schönen und süffigen deutschen Märzenbieren vergleichbar wäre. Aber Märzen sollte man es hier in Österreich nicht nennen, denn diese Bezeichnung führt gerne zu Verwechslungen. Versteht man in Deutschland unter einem Märzen ein kräftiges und malziges, aromastarkes und etwas alkoholstärkeres Bier, so wie die Festbiere und Oktoberfestbiere, so erwartet der Österreicher bei einem Märzen ein sehr helles, sehr schlankes, nur schwach gehopftes, dafür aber stärker gespundetes Zischbier, unseren Fernsehbieren gleich. Also: Ein Original Wiener Lager, gebraut in Berlin.
Das zweite Bier ist ein New England India Pale Ale, ein hopfenreiches und extrem trübes, sehr fruchtiges und duftiges Bier mit 5,6% Alkohol. Gebraut von Next Level Brewing aus Wien in Kooperation mit der ungarischen Reketye Sörfőzde. Der Name, 99 Hop Cones, macht schon deutlich, in welche Richtung es geht. Viel, viel Hopfen, viel Hopfenaromen, viel Frucht im Aroma, eine fast schon sämige Konsistenz und eine samtig im Gaumen haftende Bittere. Obwohl das Bier angeblich schon ein paar Monate alt ist, schmeckt es noch hervorragend, betört mit seinen Obstgerüchen und der feinen, niemals kratzigen Herbe im Schluck.
Es ist gerade erst um die Mittagszeit, und so verzichten wir schweren Herzens auf weitere Kostproben, nutzen aber die Gelegenheit, unseren Rucksack mit ein paar leckeren, handverlesenen Bierspezialitäten aufzufüllen. Hier ein Barrel-Aged Beer, dort ein britisches Stout. Ein belgisches Flanders Red Ale nehmen wir noch mit, und ein dänisches Stout. Während wir die Flaschen auf den Tresen bei der Kasse stellen, erfahren wir noch so einiges an Wissenswertem über den kleinen Shop. Beispielsweise benötigt er laut Wiener Marktordnung keine separate Kneipenlizenz, solange die Anzahl der Sitzplätze acht nicht übersteigt. Insofern sei es kein Problem gewesen, die zwei Zapfhähne sowie die Verkostungsmöglichkeit aus dem Flaschenkühlschrank anzubieten. Unauffällig zählen wir nach – in der Tat, es sind exakt acht Stühle im Raum.
Angeleitete Verkostungen finden auch immer mal wieder statt, hören wir noch, das nächste Mal im Februar mit dem Biersommelier Clemens Kainradl. Und, brandaktuell, vernehmen wir noch die Nachricht, dass seit gestern, seit dem 18. Januar 2018, der Biergreissler-Shop Wien das größte privat geführte Kreativbier-Geschäft der Stadt sei. So schnell sei es gegangen. Dahinter steht natürlich die Nachricht, dass der mit Abstand größte Bierhändler der Stadt, Ammersin, gestern von der Brau-Union übernommen worden ist und somit natürlich nicht mehr als privat geführt gelten kann. Zwar gibt es ihn weiterhin, aber es bleibt abzuwarten, ob die 70%-Mehrheit, die nun in den Händen der Brau-Union liegt, auch Einfluss darauf hat, ob kleine und unabhängige österreichische Kreativbrauer dort weiterhin im Angebot bleiben werden.
Ein sehr netter Besuch, eine leckere Verkostung, eine lange und interessante Unterhaltung und nicht zuletzt ein paar feine Bierspezialitäten im Rucksack. Fein! Und so kommt der Biergreissler-Shop Wien auf die Liste der Adressen, die man sich merken sollte!
Der Biergreissler-Shop Wien ist montags bis freitags von 13:00 bis 21:00 Uhr und sonnabends von 09:00 bis 13:00 Uhr geöffnet. Zu erreichen ist er in zwei Minuten zu Fuß von der Straßenbahnhaltestelle Lederergasse der Linie 2.
Biergreissler-Shop Wien
Lederergasse 4
1080 Wien
Österreich
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