Das Café Lassa – ein kleines und unabhängiges Biercafé im Neunten Bezirk, eröffnet im April 2013. Das waren die Fakten, die wir mitbekommen haben, einer Empfehlung eines Facebook-Kontakts folgend.
Und nun stehen wir vor der Tür, sind eigentlich noch viel zu früh dran. Es ist der 18. Januar 2018, gerade ein paar Minuten nach achtzehn Uhr, gerade erst ist aufgeschlossen worden. Wir betreten die noch leere Gaststube.
Dunkles Holz überall, es erinnert sofort an die braunen Biercafés in den Niederlanden oder Belgien. Im vorderen Teil des Schankraums die große Theke mit einigen Sitzplätzen rundherum und an der Wand, im hinteren Teil des Raums, hinter einem Raumteiler, noch ein paar mehr Tische und weitere Sitzplätze. Es sind hohe Hocker überall, keine tiefen Sessel, so dass sich, auch wenn alle Sitzplätze besetzt sind, immer noch jemand dazustellen kann. Die Gesprächsrunden können wachsen und wieder schrumpfen – eine Einrichtung, die die Kommunikation fördert.
Die junge Dame bringt uns die Bierkarte: Ein kleines Klemmbrett mit einem Stapel hektographierter Zettel. Nein, strenggenommen sind sie nicht hektographiert. Wer benutzt heutzutage noch diese alten Vervielfältigungsmaschinen mit Matrizen und mit Alkohol als Lösungsmittel? Wie spannend war es früher in der Schule immer gewesen, vor Jahrzehnten, als der Lehrer mit einem Stapel Hektographien kam. Dunkelviolettes Schriftbild, die einzelnen Blätter noch nach Alkohol duftend. Waren es unterhaltsame Unterrichtsmaterialien oder doch eher Fragen für eine überraschende Wissenskontrolle? Die Spannung war groß, bis wir endlich die auf dem Kopf verteilten Zettel umdrehen durften: Ah, Glück gehabt, nur ein paar Anekdoten oder Zitate zum Lernen, kein Test!
Heute ist das alles fotokopiert oder auf dem Laserdrucker erstellt. Also: Keine hektographierten Zettel, sondern gedruckte bilden die Getränkekarte. Aber nicht minder schlicht.
Das Deckblatt bewirbt den Gehopften Bock mit Orange von Next Level Brewing, ein Bier, das zur Vienna Beer Week eingebraut worden ist. Sieben Prozent Alkohol, schöne malzige, leicht hopfige und vor allem fruchtige (Orange!) Aromen. Wir denken nicht lange nach – die erste Bestellung erfolgt blitzschnell. Zweimal eben diesen, den Gehopften Bock!
Wir werden nicht enttäuscht, ganz im Gegenteil. Ein gefährlich süffiges Bier, schön ausgewogen. Völlig problemlos könnten wir zwei, drei, vielleicht sogar vier Halbe davon im Laufe des Abends trinken, ohne des Geschmacks überdrüssig zu werden. Aber die Wirkung würde sich spätestens dann offenbaren, wenn wir aufzustehen versuchten…
Also belassen wir es bei einem kleinen Glas und wenden uns dann den weiteren in der Liste aufgeführten Bieren zu. Der Einfachheit halber bleiben wir bei Next Level Brewing, der kleinen Wiener Wanderbrauerei aus dem Zwölften Bezirk. Der High Diver ist angesagt, ein India Pale Ale mit herrlich fruchtigen Hopfenaromen. Tropische Früchte erschnuppern wir, und nach dem ersten Schluck spüren wir eine schöne, feste Bittere, die sich eng an den Gaumen legt, ohne zu kratzen und – vor allem – ohne dort zu lange hängen zu bleiben. Ein schönes Bier und ein feiner Begleiter zu den knusprigen Pizzen, wie wir uns dazu bestellt haben. Ein hauchdünner Teig, knusprig gebacken, leckerer und aromatischer Belag, dazu das kernige und selbstbewusste Bier.
Langsam, ganz langsam füllt sich das Café, und leider, leider, bedeutet das auch, dass die Luft dicker wird. Das Café Lassa ist eine der zum Glück nur noch wenigen Lokalitäten in Wien, in denen noch gestunken werden darf. Nein, es sind nicht irgendwelche Darmwinde, denen man hier hemmungslos ihren Lauf lassen darf, dies ist – im Vergleich seltsamerweise – verpönt. Nein, hier darf noch legal mit Zigaretten, Pfeifen oder Zigarren gestunken werden. Zunehmend dick legt sich der Nikotindunst auf unsere Zungen, frisst sich in unsere Kleidung und beginnt, in den Augen zu brennen. Erneut kommen Erinnerungen an meine Schulzeit auf, als in jeder Kneipe, in jedem Restaurant geraucht werden durfte, soviel das Herz begehrte. Haben wir als Oberstufenschüler einmal eine Brückenstunde frei gehabt (oder gar blaugemacht) und uns irgendwo im Café getroffen, hat es die Mutter sofort gerochen; keine Ausrede, und war sie auch noch so originell oder exotisch, hat gezogen, es gab unweigerlich Ärger.
Nun, offenen Ärger gibt es heute nicht, aber doch einen gewissen inneren Ärger. Ein letztes Bier gönnen wir uns, solange wir noch etwas schmecken, aber dann ziehen wir weiter, verzichten sogar auf den für später heute Abend avisierten Tap-Takeover der Xaver-Brauerei. Ein Tiger Berry darf es noch sein, eine milde Gose mit Himbeeren und Tigerpfeffer, gebraut wieder von Next Level Brewing. Erneut eine gute Wahl. Die Himbeeren und die sehr dezente und milde Säure der Gose harmonieren wunderbar, der Tiger Pepper unterstreicht die fruchtige Exotik, und etwas Salz gibt dem Bier eine robuste, mineralische Note, fast wie eine weiße Leinwand, auf der die Frucht- und Säurenoten bunte Gemälde malen können.
Noch viele weitere interessante Biere stehen in der Karte. Die Atmosphäre ist schön, über die Lautsprecher kommt zeitlose Rockmusik, aber nicht der Quatsch, der aus den Radiosendern klingt („Musik der Achtziger und Neunziger und das Beste von heute…“ – würg!), sondern Lieder, die von den Gästen des Café Lassa über eine eigene App vom Smartphone aus vorgeschlagen werden dürfen. Der Service ist aufmerksam und nett, und es könnte alles einen wunderbaren Rahmen für einen langen Abend bei gutem Bier bieten. Wenn …
… ja, wenn uns nicht der Nikotingestank heraustreiben würde.
Wer selbst Raucher ist, bitte sehr, der möge hier gerne einkehren, aber für uns ist das nichts. Wir gehen wieder hinaus auf die Straße in die frische Winterluft und fragen uns einmal mehr, warum es verpönt ist, nach einem leckeren Erbseneintopf, nach geschmorten Zwiebeln oder Sauerkraut seinen Körperausdünstungen freien Lauf zu lassen, ein vergleichbar schlimmer Nikotingestank, der noch dazu viel länger in der Kleidung hängen bleibt und noch tagelang an einen Besuch in einem Raucheretablissement erinnert, aber gesellschaftlich immer noch akzeptiert ist.
Abgesehen vom Nikotingestank stimmt im Café Lassa aber alles. Es ist täglich ab 18:00 Uhr durchgehend bis nach Mitternacht geöffnet; sonntags ist Ruhetag. Mit der Bim, wie der Wiener seiner Straßenbahn liebevoll nennt, ist es problemlos zu erreichen: Linie 1 oder D, Haltestelle Bauernfeldplatz, und von dort aus anderthalb Minuten zu Fuß.
Nachtrag 30. Januar 2018: Die gute Nachricht des Tages erreicht mich heute via Facebook. Adi Lasić, Betreiber des Café Lassa, informiert mich, dass ab dem 1. März 2018 hier nicht mehr geraucht werden soll. Na, wenn das nicht einen Nachtrag wert ist! Gute Entscheidung! Und wenn ich das nächste Mal in Wien bin (nach dem 1. März, natürlich…), dann komme ich nun gerne wieder in’s Café Lassa.
Café Lassa
Thurngasse 19
1090 Wien
Österreich
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