Einige Stunden sind wir jetzt schon gemeinsam unterwegs – Temelko Pampov, Präsident der Bulgarischen Hobbybrauervereinigung, sein Sohn Stoycho und dessen Freundin Gabriela. Die Hills Brewery in Perushtitsa haben wir besucht und die Jägerhof Hausbrauerei in Plovdiv, haben interessante Biere verkostet, lecker gegessen, aber jetzt macht sich ein wenig Unruhe breit. Die Zeit läuft davon… Daheim wartet das Essen und eine Verkostung von Temelkos Hausbräus, aber vorher wollen wir doch noch den Stolz der ganzen Familie sehen – die Rhombus Craft Brewery.
Hoffnungslos befallen vom Brauvirus haben Temelko und seine Söhne Stoycho und Kiril die Köpfe zusammengesteckt und den Schritt gewagt: Nach vielen erfolgreichen Suden daheim im Kochtopf wollten sie eine professionelle Brauerei aufmachen. Nach langem Rechnen, Planen und wieder Rechnen war es dann vor anderthalb Jahren so weit: Ein ursprünglich für einen ganz anderen Zweck geplanter Rohbau wurde kurzerhand umgewidmet und dient jetzt als Keimzelle eines ganz neuen Projekts, nämlich der ersten Handwerksbrauerei in Pazardzhik.
Dass Temelko eine kleine Baufirma hat, die sich insbesondere auf Fußböden spezialisiert hat, kam den Plänen nur entgegen, denn so war wenigstens der versiegelte Boden im Sudhaus, immer ein gerne sorgfältig durch die Aufsichtsbehörden beäugtes Detail einer neuen Brauerei, schon mal kein Problem. Der Rest aufgrund der sorgfältigen Planung allerdings auch nicht wirklich, und nach rund einem Jahr ging die Brauerei 2016 in Betrieb.
Im Licht der schon recht tief stehenden Sonne rollen wir am Stadtrand von Pazardzhik vor das noch nicht fertiggestellte Gebäude. Eine Werbetafel weist uns den Weg: „Craft Бира Open“ heißt es in lustigem Gemisch aus kyrillischen und lateinischen Buchstaben. Wir gehen durch die Tür und stehen im großen, einfach eingerichteten Schankraum. Ein paar Biertische und Bänke, eine solide Theke, und dahinter, so, wie es sich gehört, eine schwarze Tafel mit den erhältlichen Bieren. Durch große Panoramafenster sieht man in das Sudhaus und direkt auf die stählern glänzenden Geräte.
Nur ein kurzer Rundblick durch den Schankraum, die Jacke wird in die Ecke geworfen, und dann geht es erst einmal hinter der Theke entlang ins Sudhaus. Rund dreieinhalb Hektoliter Bier entstünden hier pro Sud, erzählten Temelko und Stoycho stolz. Die Anlage stamme von der Firma Rodina in Haskovo, die sich auf Maschinen und Zubehör für die Lebensmittelindustrie und Weinherstellung spezialisiert habe und nun auch Brauereien bauen würde. Die Rhombus-Anlage sei gewissermaßen das Gesellenstück der Firma, nicht mehr Prototyp, aber auch noch nicht Routine.
Während Temelko und ich das Sudwerk genauer beäugen und die Qualität der Arbeit der Firma begutachten, macht sich Stoycho schon mal daran, uns ein leckeres Bier aus dem Lagertank zu zwickeln – ein Oat Meal Stout.
Mit dem Glas in der Hand – das Bier ist noch viel zu kalt, um es schon zu verkosten – gehen wir durch die Halle. Sudhaus und Lagertanks, daneben ein halb abgedeckter Gärtank. Vorsichtig luge ich unter die Klappe, sehe die dicke, kremige Hefeschicht und nehme eine Nase voll vom frischen, estrigen Aroma der Hauptgärung. Die Kohlensäure beißt in der Nase, aber daneben rieche ich auch fruchtige Aromen, frische Erdbeeren und andere rote Früchte.
Im nächsten Raum, ein Stück um die Ecke, um den unvermeidlichen Staub nicht bis in den Gärtank gelangen zu lassen, stehen Malzmühle und Malzlager, und daneben eine ganze Reihe von Holzfässer. Barrel Aging ist in, und so versucht sich auch die Rhombus Craft Brewery daran, ihren kräftigen und ausdrucksstarken Bieren so noch ein ganz besonderes Extra mitzugeben. „Ist aber noch zu früh zum Verkosten“, grinst Temelko, als hätte er meine Gedanken gelesen. Er klopft auf die Fässer. „Das dauert noch ein Weilchen!“
„Aber“, fährt er fort, „das Oat Meal Stout ist doch auch schon mal nicht schlecht, oder!“ Er hebt das Glas und prostet mir zu. Mittlerweile ist es nicht mehr ganz so kalt und hat ein feines Aroma entwickelt. Schön seidig und weich ist es auf der Zunge, leicht röstig, nur leicht bitter. Ein feines Bier!
„Flaschen füllen und etikettieren ist noch viel Handarbeit“, erzählen Stoycho und Temelko weiter. „Wir haben uns für die unlängst erst auf den Markt gekommene 0,33-l-Euroflasche entschieden. Die Euroflasche bietet ein schönes, nostalgisches Design mit dem kurzen Hals und dem dicken Flaschenkörper; das unterstreicht das handwerkliche Image der Brauerei. Und in der neuen 0,33-l-Version lassen sich insbesondere die starken Biere auch besser verkaufen. Nicht jeder möchte von einem hochprozentigen Bockbier oder Barley Wine gleich einen halben Liter trinken.“ Mit ein paar Handgriffen zeigen sie mir, wie die Etiketten in einem wackeligen Holzgestell auf die Flasche gerollt werden. „Selbst gebastelt. Sieht vielleicht nicht schön aus, etwas improvisiert, aber funktioniert prima!“
Mit vielem steht die Familie noch am Anfang. Hier muss noch improvisiert werden, dort besteht noch Anpassungsbedarf. Aber die Pläne sind da, und das Wichtigste ist: Die Brauerei selbst läuft, das Bier schmeckt und der Bedarf steigt.
Wir gehen zurück in den Schankraum und verkosten die Biere, die dort am Hahn sind. Während wir uns vom Weizen über das Lager und das Amber Ale bis zum Porter und zum IPA vorarbeiten, erfahre ich von den weiteren Plänen. Der Schankraum soll noch eine richtige und etwas gemütlichere Einrichtung bekommen, und dann soll als nächstes der Restaurantbetrieb starten. Wenn das dann läuft, dann kommen die oberen Stockwerke des Gebäudes dran, denn die sind alle noch im Rohbau. Ein kleiner Hotelbetrieb ist geplant, zusätzlich auch eine Wohnung für die Familie.
Ich merke schon – die nächsten Jahre sind prall gefüllt mit Plänen. Langeweile wird bei Familie Pampov nicht aufkommen.
Die Fassbiere haben wir durch, aber Temelko lässt nicht locker. „Ich habe da noch eine Handvoll türkische Craftbiere“, erzählt er. „Ein Mitbringsel, als mich die Kollegen von der anderen Seite der Grenze hier besucht haben. Ach, und hier, schau mal: Von Trima i Dvama habe ich auch noch eine Flasche!“
So könnte es denn ganzen Abend weitergehen. Die Kühlschränke in der Brauerei würden vermutlich noch jede Menge weitere Geheimnisse preisgeben. Aber die Zeit drängt. „Oh, daheim wartet ja das Abendessen auf uns.“ Temelko packt noch ein paar Flaschen unter den Arm, und Augenblicke später sitzen wir schon wieder im Auto. „Im Sommer werden wir hinter dem Haus einen Biergarten haben, und aus den alten PETainern, den Einwegfässern aus Kunststoff, machen wir lustige Blumentöpfe! Also, Du musst unbedingt in der warmen Jahreszeit noch einmal vorbeikommen“, stellt er noch abschließend fest, schlägt die Tür zu, und der Wagen rollt los.
Ein Blitzbesuch nur, aber ein beeindruckender. Wenn der Rohbau von außen auch noch wenig attraktiv wirkt, aber drinnen ist es schon prima. Ein solides und sehr gepflegtes Sudwerk, ein Schankraum mit viel Potenzial, und tolle Pläne für die Zukunft. Mit der Rhombus Craft Brewery entsteht hier am Stadtrand von Pazardzhik ein schönes Ausflugsziel für den Bierliebhaber!
Rhombus ist der historische Name des kleinen Flusses Maritsa, der Bulgarien durchquert. Die nach ihm benannte Rhombus Craft Brewery / Крафт пивоварна Ромбус ist vor zwei Jahren gegründet worden. Es gibt noch keine festen Öffnungszeiten des Schankraums, aber üblicherweise ist fast immer jemand da; ein kurzer Anruf vorher (+359 899 189 638) verschafft Sicherheit. Durch die Lage etwas außerhalb der Stadt Pazardzhik ist die kleine Brauerei eigentlich nur mit dem Auto sinnvoll zu erreichen.
Rhombus Craft Brewery / Крафт пивоварна Ромбус
Ivailovsko Schose 41 / Ивайловско шосе 41
4400 Pazardzhik / Пазарджик
Bulgarien
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