Wie hat sich die deutsche Craft-Bier-Szene in den letzten Jahren entwickelt, und welche Berührungspunkte hat das Café Abseits damit?
Im Herbst 1997 wurde das 1983 eröffnete Café Abseits brauereifrei. Endlich konnten wir Biere ausschenken, die uns schmeckten, und begannen mit einer für die damalige Zeit ungewöhnlich umfangreichen Bierkarte mit ca. 30 verschiedenen Bieren.
Ab 2003 wurde das Café Abseits von Biertouristen entdeckt. John Conen hatte uns in seinem Bierführer „Bamberg and Francónia: Germany’s Brewing Heartland“ empfohlen, der von der britischen CAMRA vertrieben wird. 2006 wurden wir dann zum ersten Mal auf Ratebeer.com bewertet. Mittlerweile hat Ratebeer uns in den letzten drei Jahren (2012 bis 2014) als beste deutsche Bierbar ausgezeichnet.
Zum ersten Mal in Berührung gekommen mit dem, was man als deutsche Craft-Bier-Szene bezeichnen könnte, auch wenn man sie damals so noch nicht nannte, bin ich im Jahre 2010 durch den Kontakt zu Sebastian Sauer. Er war damals schon mit Andreas Gänstaller befreundet, der 2007 begonnen hat, damals noch in Trabelsdorf im Landkreis Bamberg, ungewöhnliche Biere zu brauen. Weil Sebastian Sauer als bierkompass.de belgische Biere importierte, organisierten wir spontan eine belgische Bierverkostung im Café Abseits am 4. April 2010, an der durch Mundpropaganda gut 30 Bierliebhaber teilnahmen, die Hälfte davon Brauer und Braumeister. Daraus wurde eine kleine Bierkarte des Café Abseits mit belgischen Bieren abgeleitet.
Sebastian Sauer ist befreundet mit Peter Esser, dem Bräu der Kölner Braustelle, der mit einem ehrenamtlichen Team das erste Craft-Bier-Festival in Deutschland, das „Festival der Bierkulturen“, veranstaltet. Es findet seitdem jedes Jahr statt und ist immer noch mein Lieblingsbierfestival. Auch wenn ich mich seit 1997 intensiv mit Bier beschäftige, waren der persönliche Kontakt zu den Brauern und die Festivalatmosphäre inspirierend und die Biere, zu einer Zeit als solche Biere noch kaum verfügbar gewesen sind, berauschend. Lars Seyfrid von der Kampagne für Gutes Bier e.V. und Markus Harms vom Magazin „Bier und Brauhaus“ waren vor Ort, die ich zuvor nur online kannte. Ich lernte kleine deutsche Craft-Bier-Brauer kennen wie Dieter Birk von der Alzeyer Volkerbräu mit seinem Haferbier oder die Siegburger Abteibrauerei mit einem Gerstenwein. Am Stand von Mikkeller schenkten sie die Gläser viel zu voll ein. Die BierVision Monstein aus der Nähe von Davos in der Schweiz war vertreten. Die Weyermann® Braumanufaktur aus Bamberg war mit Oliver Honsel und seinem „Raspberry Porter“ vor Ort. Es gab einen Stand eines deutschen Stekkers, Stände von Revelation Cat aus Rom und von Alvinne aus Belgien und nicht zuletzt die für damalige Verhältnisse höchst ungewöhnlichen Biere der Braustelle.
Im März 2010 haben wir zum ersten Mal ein Bier von Andreas Gänstaller vom Fass ausgeschenkt. Ende 2010 kam Sabine Weyermann auf uns zu, ob wir auch Biere der Weyermann® Braumanufaktur ausschenken möchten. Seitdem gehören deren Bierspezialitäten zu unserem ständigen Flaschenbiersortiment, und ab und zu schenken wir Weyermann-Biere auch vom Fass aus. Die Bedeutung der Mälzerei Weyermann für die Entwicklung des Craft-Bieres in der Welt, aber auch in Deutschland, wird häufig unterschätzt.
Sebastian Sauer vermittelte 2011 den Kontakt zu Thomas Wachno, dem ersten, der mit seiner Marke Hopfenstopfer ausschließlich auf internationale Bierstile gesetzt hat und seit 2008 damit experimentierte. Ich erinnere mich noch an einen Abend, an dem wir mit einer großen Flasche vom Hopfenstopfer begannen und erst ein Ende fanden, als drei Flaschen, die Sebastian von Thomas mitgebracht hatte, ausgetrunken waren (Hopfenstopfer Amarillo Strong Ale, Hopfenstopfer Chinook Strong Ale und Hopfenstopfer Citra Strong Ale, drei wunderbare hopfengestopfte Single Hop Ales).
Als erstes Craft-Bier im engeren Sinne boten wir im Café Abseits im März 2013 das „Monarchy Son of a Bitch Gose Hickory“ aus der Braustelle in Köln an. Das erste Craft-Bier vom Fass war das „MainSeidla Porter“ von Jörg Binkert im Juni 2013, gefolgt vom Weyermann® Pumpernickel-Porter und vom Wiethaler ‚Hoptimum‘ Pale Ale, eine Empfehlung von Norbert Krines (Bier des Tages), das er auf dem Fränkischen Bierfest in Nürnberg entdeckt hat.
Ab und zu gibt es im Café Abseits spezielle Events, meist weil wir darum gebeten werden, so Bierverkostungen der Sticke Warriors European Tour, das Bamberg Post Xmas Blues Jolly, ein Treffen von Ratebeer-Tickern, oder wie am 5. März dieses Jahres eine Bierverkostung böhmischer Biere der Brauerei Modrá Hvězda in Dobřany als Start einer Reihe in Zusammenarbeit mit Bierreise Pilsen.
Autor: Gerhard Schoolmann
wiederveröffentlicht von Café Abseits
mit freundlicher Genehmigung des Autors
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