Na, dann lüften wir doch einmal das Geheimnis des Hausbrauens, denn nichts anderes verheißt der Titel des Buchs Pivařka – Tajemství Domácího Pivovarství.
Ein gewaltiges Werk. Fast 330 Seiten. Großes Format. Hochwertiges weißes und ziemlich festes Papier. Durchgehend farbig gedruckt. Ein stabiler Kartoneinband. Die Grafikelemente auf dem Einband in Hochglanz, der Hintergrund in matt. Den Unterschied sieht man nicht nur, sondern fühlt ihn auch, das Buch wirkt also schon beim Anfassen hochwertig.
Der Anspruch ist hoch: Der Autor Petr Novotny und sein Kollektiv, das an diesem Buch mitgearbeitet hat, möchten das Hausbrauen komplett darstellen und ein echtes Nachschlagewerk anbieten, das nicht nur ein paar einfache Anleitungen für den Anfänger bereithält, sondern auch den fortgeschrittenen Hausbrauer dabei unterstützt, seine Biere und seinen Brauprozess weiter zu perfektionieren.
Beurteilen, ob das Buch seinen eigenen Anspruch erfüllt, vermag ich nicht. Dazu hätte ich es durcharbeiten müssen und zahlreiche Male mithilfe seiner Anleitungen und Tipps brauen müssen. Aber es kommt ihm auf alle Fälle nahe. Sehr strukturiert und mit einer Menge an Details wird der Leser zunächst in die Rohstoffe Wasser, Malz, Hopfen und Hefe und ihre Eigenschaften eingewiesen, anschließend wird er an den Brauprozess herangeführt, Phase für Phase.
Das Schroten, das Einmaischen, Läutern und Schwänzen, Hopfenkochen, Würzekühlung, Anstellen der Hefe und Vergärung, das Abfüllen in Flaschen, die Flaschenreifung, Hygiene und Sauberkeit, Bierfehler und das Lösen von Problemen – jeder Schritt wird sorgfältig beschrieben, mit Bildern und Grafiken unterstützt erläutert, so dass der Leser nach ausgiebiger Lektüre dieses Kapitel mit dem grundsätzlichen Ablauf mehr als nur ein bisschen vertraut ist und eigentlich direkt loslegen kann.
Jetzt folgt aber harter Stoff für die Fortgeschrittenen: Berechnungen rund ums Bier! Es geht um mehr als nur Stammwürze, Grad Plato oder Brix. Es geht um Berechnungen des echten und des scheinbaren Vergärungsgrads und des Alkoholgehalts, um Restextrakt, um Temperaturkorrektur und um die Isomerisierung des Hopfens. Dieses Kapitel ist voller Formeln, und wer – warum eigentlich? – damit kokettiert, schon in der Schule keine Ahnung von Mathe gehabt zu haben, wird hier seine liebe Not haben.
Das Durcharbeiten dieses Kapitels lohnt sich aber, denn mit Anwendung des hier erworbenen Wissens können Rezepte angepasst, der eigene Brauprozess optimiert und die Qualität der Biere signifikant erhöht werden. Und so lautet denn auch ein Abschnitt in diesem Kapitel Bier-Design, also das auf ein bestimmtes Ergebnis hin ausgerichtete Planen und Durchführen eines Brauprozesses. Hilfreich dabei eine fast zwanzig Seiten lange Sammlung von Nomogrammen, also Grafiken, die das Berechnen von einzelnen Werten vereinfachen. Anstatt eine komplizierte Formel zu berechnen und sich dabei vielleicht auch noch zu vertippen, wird einfach ein Lineal über die richtigen Skalen gelegt, am einen Ende an den Ausgangswerten ausgerichtet, und am anderen Ende das Ergebnis abgelesen. Ob es um die Größe des Hefestarters geht, die Farbe des Biers oder die Temperaturkorrektur des mit einer Spindel abgelesenen Extraktwerts – die Nomogramme lösen jedes Problem.
Bevor dann schließlich eine umfangreiche Rezeptsammlung folgt, die auf über hundert Seiten Beispielrezepte für so ziemlich jeden Bierstil bietet, den man sich vorstellen kann, kommt noch ein kurzes, aber wichtiges Kapitel: Hausbrauen in Tschechien. Rechtliche Bestimmungen und ein paar Kontaktadressen zu Hausbrauervereinen und Hausbrauwettbewerben. Zwar ist das Hausbrauen in Tschechien recht weit verbreitet, aber die meisten Familienväter köcheln am Wochenende irgendetwas für den Eigenverbrauch vor sich hin, haben aber kein großes Interesse an Vereinsarbeit, Wettbewerben oder stilgerechtem Brauen. Diese Szene wächst erst langsam auf.
Spannend ist der Blick in die rechtlichen Bestimmungen, denn dort hat sich die Tschechische Republik sehr eng an Deutschland orientiert. Die steuerfreie Höchstgrenze (200 l), das Anmeldeverfahren (jährlich im Voraus) und die zuständigen Behörden (der Zoll, nicht das Finanzamt) sind exakte Kopien der Vorschriften in Deutschland. Aber sie werden mit einer gewissen tschechischen Schlitzohrigkeit behandelt, und so wunderte sich der Zollbeamte im Zollamt Vyškov einst über die gewissenhafte Anmeldung meines Hobbies. Von den mehreren Dutzend Hausbrauern, die es in der Stadt vermutlich gebe, sei ich der erste und einzige, der sein Hobby angemeldet habe, hieß es sinngemäß…
Der ausführliche Rezeptteil, der mehr als ein Drittel des Buchs ausmacht, ist übersichtlich gestaltet; die Darstellung der Rezepte so einheitlich wie möglich. Mit dem in den vorangegangenen Kapitel erworbenen Wissen kann man die Rezepte problemlos ändern und die Biere an die eigenen Geschmacksvorlieben anpassen.
Und als ob es eine ungeschriebene Regel, ein ehernes Gesetz für Bierautoren gebe: Auch dieses Buch kann nicht ganz auf einen Rückblick auf die Entstehung des Bierbrauens bei den Sumerern verzichten oder das sogenannte „Reinheitsgebot“ unerwähnt lassen. Man merkt geradezu, wie die Autoren sich gequält haben müssen, dieses Pflichtprogramm auf fünf kurze Absätze, auf gerade mal eine halbe Seite Text zusammenzustutzen. Es ganz wegzulassen, das haben sie sich aber nicht getraut…
Von dieser halben Seite aber einmal abgesehen: Ein wertvolles Buch.
Mit nur einem Nachteil: Zum mal eben in der einen Hand halten, während man mit der anderen mit dem Maischescheit im Topf rührt – dafür eignet es sich nicht. Zu groß, zu schwer, zu sperrig.
Petr Novotny a kolektiv
Pivařka – Tajemství Domácího Pivovarství
Nakladaleství JOTA s.r.o.
Brno, 2017
ISBN 978-80-7565-108-2
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