Sehr geehrter Herr Dr. Ebbertz,
ich weiß, dass Ihnen die Bewahrung der bayerischen Brautradition sehr am Herzen liegt. Und Sie dürften sich daran erinnern, dass es bei mir – was die fränkische Brautradition angeht – nicht anders aussieht. Wir hatten uns ja beim Deutschen Brauertag länger darüber unterhalten.
Aber diese „Säuberungswelle“, die im Moment in Bayern vor sich geht, ist meines Erachtens nach weder mit einer diffusen Angst um die Bayerische Brautradition noch mit dem Hinweis auf den Geburtstag des 1516er Reinheitsgebots im nächsten Jahr zu rechtfertigen.
2005 urteilte das Bundesverwaltungsgericht zum Thema Reinheitsgebot:
„Mit Art.12 Abs. 1 GG unvereinbar wäre es jedenfalls, die Herstellung von Bier dem Reinheitsgebot ausnahmslos zu unterwerfen; zu rechtfertigen ist die Geltung des Reinheitsgebots vielmehr allenfalls als Regel, die begründeten Ausnahmen zugänglich ist. § 9 VorlBierG genügt diesen Anforderungen, weil er in Absatz 7 die Möglichkeit von Ausnahmen vorsieht. Allerdings muss die Auslegung und Anwendung dieser Vorschrift von den beschriebenen verfassungsrechtlichen Anforderungen geleitet sein. Das verlangt eine großzügige Handhabung.“
(Quelle:
http://www.bverwg.de/entscheidungen/entscheidung.php?ent=240205U3C5.04.0)
Im Klartext heißt das: Das Reinheitsgebot ist nur mit den Grundgesetz vereinbar, wenn bei begründeten Ausnahmen großzügig verfahren wird! Niemand will Biere mit chemischen Zusätzen – ich genauso wenig wie Sie! Aber was spricht ernstlich gegen Ausnahmen wie z.B. bei einem Witbier, einem Milkstout oder einem Gruitbier?
Warum will sich Bayern hier über das Grundgesetz stellen?
Warum besinnt man sich nicht auf die oft beschworene Liberalitas Bavariae und sagt sich „Leben und Leben lassen“?
Warum meinen Sie, die bayerische Brautradition tatsächlich nur dadurch erhalten zu können, indem man kategorisch alles „ausrottet“, was nicht ins traditionelle Bild vom bayerischen Bier passt?
Und das alles nur, damit man im nächsten Jahr stolz verkünden kann:
„Ganz Bayern steht geschlossen hinter dem Reinheitsgebot!“
Sehr geehrter Herr Ebbertz,
noch ist Zeit bis zum Jubiläum 2016. Noch wäre es möglich, den Graben zwischen „Kreativbrauern“ und dem Bayerischen Brauerbund zu überbrücken. Denn ich bin mir sicher, dass Bayern bei aller konservativer Grundhaltung ein großes Herz hat, in dem vieles Platz hat: Laptop und Lederhosen genauso wie die traditionelle Maß und das kreative Milkstout.
Ich für meinen Teil sehe die vielen modernen (und nicht nach dem Reinheitsgebot gebrauten) Biere, die es bisher in Franken gab, als Bereicherung, ja manchmal sogar als Chance für meine fränkische Bierheimat. Eine Gefahr sind sie sicherlich nicht.
Mit bierigen Grüßen,
Norbert Krines
wiederveröffentlicht von Norberts Facebook-Account
mit freundlicher Genehmigung des Autors
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