Trappistenbier – wohl über wenige Begriffe in der Bierwelt werden so viele Halbwahrheiten und Legenden erzählt und unkritisch weitergegeben. In zahlreichen dilettantisch gemachten Bierführern und Bieratlanten ist die Rede davon, es handele sich um einen belgischen Bierstil, andere wiederum erklären kurzerhand alle Klosterbiere zu Trappistenbieren, manch eine Brauerei in Übersee bezeichnet ihre Biere fälschlicherweise als Trappistenbiere, um ihren Verkauf damit anzukurbeln, und, und, und…
Zeit, mit all diesen Mythen einmal aufzuräumen und gleichzeitig einen Überblick zu geben, welche Trappistenbiere es auf dem Markt gibt, welche Brauereien berechtigt sind, ihre Biere auch wirklich Trappistenbiere zu nennen, und das ganze einmal in Buchform zu bringen.
Der belgische Biersommelier und Autor Ben Vinken hat dies getan, und sein Buch Trappistenbier van A tot Z bietet auf rund 160 Seiten in der Tat einen hervorragenden Überblick über die Situation 2014.
Vier Jahre alt ist das Buch also zum Zeitpunkt dieser Rezension, und man sollte meinen, dass vier Jahre in der klösterlichen Welt der Trappisten (korrekter der Zisterzienser der strengeren Observanz), in der die Uhren langsamer gehen, nicht viel sind und das Buch weiterhin aktuell sein dürfte. Aber…
Doch dazu später!
In 22 Kapiteln führt uns der Autor in die Welt der Trappistenbiere ein. Nicht chronologisch, nicht einem didaktischen Ansatz folgend, sondern wie ein kleines Lexikon alphabetisch nach Stichworten. Man kann also hin und her blättern, mal hier mal da lesen, denn jedes Kapitel ist ein in sich abgeschlossener Abschnitt. Aber man kann das Buch natürlich auch von vorne bis hinten durchlesen und sich in voller Breite über das Thema informieren, eine Gelegenheit, die sich die meisten Bierliebhaber wohl nicht entgehen lassen werden.
Für den Anfänger, der sich mit dem Thema Trappistenbier noch nicht näher befasst hat, empfiehlt es sich, zunächst auf Seite 9 mit dem Buchstaben A zu beginnen und die Idee des Authentic Trappist Product ATP zu verstehen, anschließend bei C weiterzumachen, um etwas über den Orden der Zisterzienser (flämisch: Cisterciënzers) zu erfahren, und dann zum Buchstaben I zu springen, zum Thema Internationale Vereniging Trappist IVT.
Mit diesem Wissen ausgestattet (und dabei sind die Kriterien für das ATP vermutlich der wichtigste Teil: Produktion durch eine der Trappistenabteien, die Mitglied im IVT sind; Herstellung im Kloster oder in seiner unmittelbarer Umgebung; Herstellung unter direkter Aufsicht der Mönche oder Nonnen; Verwendung der Gewinne für das klösterliche Leben, den Trappistenorden oder charitative Zwecke) lassen sich dann die anderen Kapitel unbeschwert genießen.
Ben Vinken berichtet von seinen Besuchen in den Trappistenklöstern, von seinen zum Teil bemerkenswert intensiven und offenen Gesprächen mit den Mönchen und – natürlich! – von den dort produzierten Bieren. In bewährter Weise vermag er es, Lust auf die Biere zu machen, Lust darauf, einmal wieder in den Keller zu gehen und ein vielleicht schon länger dort lagerndes Trappistenbier zu öffnen und zu verkosten.
Die Welt der Trappistenbiere ist eine bunte. Es handelt sich mitnichten um einen Bierstil, also um eine verhältnismäßig enge Definition, wie das Bier auszusehen, zu riechen und zu schmecken hat. Jede Trappistenbrauerei hat ihre eigene Vorstellung davon, wie ihr Bier (oder ihre Biere) zu schmecken hat., ob sie nur ein einziges Bier braut (wie Orval und Tynt Meadows), ob sie ein festes Grundsortiment von drei oder vier Bieren hat (wie die meisten Trappistenbrauereien), oder ob sie einen bunten Reigen immer wieder neuer Biere entwirft (wie La Trappe). Die Biere können hell, rötlich, braun oder tiefschwarz sein. Sie können relativ leicht sein (meistens sind das die Biere, die die Mönche für den Eigenbedarf brauen und die für den Bierliebhaber gar nicht so ohne weiteres zu bekommen sind), sie können aber auch kräftig bis extrem im Alkohol sein, gerne auch bis in den zweistelligen Bereich. Sie können hopfengestopft sein (Orval), mit Kräutern versehen (Tre Fontane) oder holzfassgereift (Chimay, La Trappe). Sie können in winzigen Mengen gebraut und nur rationiert abgegeben (Westvleteren) oder in größerem Maßstab produziert und weltweit exportiert werden (Chimay, La Trappe). Sie stammen aus Belgien, den Niederlanden, Österreich, Italien, den USA, Großbritannien oder Frankreich. Selbst in Lizenz gebraute Trappistenbiere gibt es, wenn nämlich Chimay für das Kloster Monts des Cats, das über keine eigene Brauerei verfügt, deren Trappistenbier herstellt.
Was für eine bunte und spannende Welt. Und allen Bieren ist gemein: Sie sind von exzellenter Qualität. Die Mönche lassen sich nicht von Kommerzialisierungsgedanken beeinflussen, sondern brauen so, dass das Endprodukt ihren Idealvorstellungen eines guten Biers entspricht.
Einige Trappistenklöster produzieren auch ihre eigenen Käsesorten, und was liegt da näher, als die Biere mit den Käsen zu kombinieren. Und wer Ben Vinken kennt, weiß, dass ihm diese Kombination ganz besonders am Herzen liegt (er hat zusammen mit dem Käsesommelier Michel van Tricht im Jahr 2011 das Buch 50 Bier & Kaas Combinaties herausgegeben, ein Bildband, der mir allein schon beim Durchblättern das Wasser im Mund zusammenlaufen lässt…).
Eine schöne und empfehlenswerte Lektüre also, die die Welt des Trappistenbiers im Jahr 2014 erschöpfend beschreibt.
Aber…
Eingangs hatte ich es bereits geschrieben: Das Buch sollte nach vier Jahren eigentlich noch aktuell sein. Ist es aber nicht mehr. Hat sich die Welt der Trappistenbiere in den vergangenen Jahrzehnten nur ganz langsam gewandelt und war das Entstehen einer neuen Trappistenbrauerei, die dann auch das Recht bekam, das Label Authentic Trappist Product zu führen, ein seltenes Ereignis, so hat sich dies vor wenigen Jahren geändert, und es sind in den Abteien Tre Fontane mit dem gleichnamigen Bier in Rom 2015 und Mount St. Bernard mit dem Bier Tynt Meadows in Coalville 2018 bereits zwei weitere Trappistenbrauereien eröffnet worden.
Ben Vinken
Trappistenbier van A tot Z
Roularta Books
Roeselare, 2014
ISBN 978-90-8679-486-7
In diesem Zusammenhang ist auch der Bierhistoriker Roel Mulder erwähnenswert. Ich habe Ende Juni einen Vortrag von ihm beim Carnivale Brettanomyces in Amsterdam gehört. Er beschäftigt sich auch immer wieder damit, mit Mythen und Halbwahrheiten aufzuräumen. Sehr empfehlenswert ist dazu auch sein Blog „Lost Beers“.
Danke für diesen Tipp, David,
da muss ich mich – wenn ich Zeit finde – unbedingt mal reinlesen!
Mit bestem Gruß,
VQ