Die Brüsseler Biercafés und Bierbars haben am frühen Nachmittag ihre ganz eigene Atmosphäre. Nachdem die Hektik der Mittagspause abgeklungen ist, in der jeder nur möglichst schnell sein Mittagessen zu sich nehmen möchte, oder schnell ein Bier oder einen Café braucht, um den Nachmittag am Arbeitsplatz überstehen zu können, leeren sich die Bars, und ein, zwei Stunden Ruhe kehren ein, bevor es am Abend wieder rund geht.
Ich betrete die Bar Le Corbeau genau zu dieser ruhigen Stunde – ein kleines Zeitfenster nur, das mir diesen Barbesuch ermöglicht. Alte Bänke mit von tausenden und abertausenden Hosenböden blankpoliertem Lederbezug und Tische, deren dünne Farbschicht vom Schaben der Biergläser fast völlig abgetragen ist – man merkt, dass Le Corbeau eine der ältesten Bars in diesem Stadtteil Brüssels ist.
Ein Tisch ist besetzt, zwei junge Männer unterhalten sich leise. Der Kellner lehnt an der Bar und blättert in der Zeitung, der Barmann beugt sich hinter der Theke über einen kleinen Ordner und studiert alte Rechnungen. Ganz leise Musik ertönt im Hintergrund, und von draußen klingt, ganz fern nur, die Hektik der Großstadt. Passanten eilen vorbei, man hört Automotoren aufheulen und dann und wann auch eine Polizeisirene. Aber hier, in der Bar, Ruhe und Entspannung.
Die schön in Leder gebundene Karte bietet auf zwei Seiten ein paar Speisen, und dann auf vielen, vielen Seiten eine große Auswahl an belgischen Bieren, sorgfältig aufgelistet und sortiert. Das Corbeau, erklärt mir der Kellner, nachdem er seine Zeitung umständlich zusammengefaltet und hinter der Bar verstaut hat, sei das Hausbier, ein kräftiges Belgisches Blond mit viel Aroma und acht Prozent Alkohol.
Genau das möchte ich haben und bestelle mir zum Bier auch noch einen kleinen Snack.
Blitzbank filtriert und golden schimmernd steht das Bier vor mir. Leichte fruchtig-estrige Noten in der Nase, eine deutlich spürbare Restsüße auf der Zunge. Ein schönes Bier, im ersten Moment sehr süffig, erst nach ein paar Schlucken merkt man, wie sich eine alkoholische Wärme im Hals und im Bauch breit macht und vor allzu schnellem Genuss warnt.
Ich genieße jeden einzelnen Schluck. Die Ruhe am frühen Nachmittag erlaubt die Konzentration auf den Genuss. Ein Moment der Kontemplation, der Besinnung. Der Entspannung und des Nachdenkens, bevor es gleich wieder weiter gehen muss.
Mein Blick wandert über die Wände des Corbeau. Alte Bierwerbung hängt hier, teils poppig bunt, teils nur dezent. Noch existierende Brauereien, aber auch viele, die aufgegeben haben, geschlossen worden sind. Über der Theke eine schier endlose Reihe von 0,75-l-Flaschen des Hausbiers. Zur kleinen rue St-Michel hin der Eingang, mit einem verglasten Windfang, der sich nach innen, in den Schankraum hinein ausdehnt.
Für einen Moment stimmt hier alles. Die Atmosphäre, das Bier, die wenigen Menschen. Und als mein kleines Zeitfenster sich zu schließen beginnt, die unerbittlich vorrückenden Zeiger der Uhr mahnen, aufzubrechen, beginnt das Corbeau auch schon wieder, sich langsam zu füllen. Die ersten Gäste für den frühen Abend kommen herein. Es wird lauter, lebhafter, fröhlicher. Auch schön, aber doch schon eine ganz andere Stimmung.
Ich breche auf.
Die Bierbar Le Corbeau gehört nach eigenen Angaben zu den ältesten in Brüssel (1874). Sie ist montags bis sonnabends von 10:00 Uhr morgens an durchgehend geöffnet. Freitags und sonnabends ist hier nach eigenen Angaben die Hölle los und Brüssel tanzt auf den Tischen. Am Rande der Altstadt gelegen, ist die Bar problemlos zu Fuß oder mit Bus, Straßenbahn oder Metro zu erreichen.
Le Corbeau à Bruxelles
18, rue St-Michel
1000 Brüssel
Belgien
Leider kann ich ja im Buch nicht auf „gefällt mir“ klicken. Deshalb auf Umwegen ein dickes LIKE!
Danke!!!