Der vollkommene Bierbrauer
oder
kurzer Unterricht, alle Arten Biere zu brauen wie auch verdorbene Biere wieder gut zu machen

Das muss es sein, das Feindbild des Deutschen Brauerbundes und des Bayerischen Brauerbundes: Ein Buch, dass auf 200 Seiten ein Rezept nach dem anderen angibt, wie Biere auch jenseits des Reinheitsgebots gebraut werden können, welche natürlichen Zutaten in Form von Kräutern, Gewürzen, Früchten und Honig verwendet werden können, um es geschmacklich abwechslungsreicher, genießbarer und bekömmlicher (ja, damals durfte man ein Bier noch bekömmlich nennen…) zu machen. Oder wie man vermittels natürlicher und künstlicher Zutaten Biere, die eigentlich schon verdorben sind, wieder trinkbar machen kann …

Der vollkommene Bierbrauer
oder
kurzer Unterricht, alle Arten Biere zu brauen wie auch verdorbene Biere wieder gut zu machen

Aus heutiger Sicht kann man dieses Buch aus dem Jahr 1784, das in den neunziger Jahren des zwanzigsten Jahrhunderts nachgedruckt worden ist, natürlich nur mit einem Augenzwinkern lesen – viele der dort beschriebenen Methoden sind veraltet, nicht mehr anwendbar oder teilweise, aus heutiger Sicht und mit unserem heutigen Wissen, sogar gesundheitsschädigend. Gleichwohl, es liest sich spannend.

Biere mit Wermut, Wacholder, Rosmarin, Beifuß, Zitrone, Lorbeer, Majoran, Lavendel – allein die Liste der möglichen Kräuter scheint endlos und stellt eine Herausforderung für den Hausbrauer da, dies doch auch einmal zu versuchen. Gleiches gilt für die Beschreibungen von regionalen Bierspezialitäten. Biere aus Elbing, Thorn, Königsberg, Freiberg, Württemberg, Lübeck, Braunschweig, Glogau, Zerbst – auch hier scheint die Liste der verschiedenen regionalen Ansätze nicht enden zu wollen.

Anisbier, Fenchelbier, Nelkenbier …

Richtig spannend wird aber das Kapitel 7 „Von mancherley Gebrechen und Mängeln des Biers“. Hier wird beschrieben, wie man einem dumpfen Bier einen „lieblichen Geruch und Geschmack machen“ kann, wie „trübes, saures und verdorbenes Bier wieder lieblich, klar und schön lauter“ gemacht werden kann, und wie „man sauer Bier wiederum zurecht bringen solle, das es lustig und anmuthig zu trinken werde.“

Unterhaltsame Beschreibungen. Kurzweilig zu lesen. Und in der Summe eine durchaus spannende Übersicht, wie in den verschiedenen Regionen Deutschlands seinerzeit Bier gebraut wurde.

Für mich persönlich am Besten: Es ist vor gut 200 Jahren erschienen und beschreibt die zu damaliger Zeit üblichen Verfahren, besondere Biere zu brauen oder zu verbessern. Und widerlegt damit aufs Trefflichste die unerträglich verlogene Behauptung der Brauerbünde, das wahlweise deutsche oder bayerische Reinheitsgebot gelte seit bald 500 Jahren ununterbrochen und werde befolgt.

Mitnichten. Bereits kurz nach seiner Verabschiedung wurde es aufgeweicht, ignoriert, ausgesetzt, wieder eingeführt – ach, es ist ein Drama. Aber dazu an anderer Stelle mehr – hier soll es doch eigentlich um das kleine Büchlein vom vollkommenen Bierbrauer gehen, das beim besten Willen für die Unaufrichtigkeit der Brauerbünde gar nichts kann, sondern den Leser nur unterhalten und bilden will.

In einem letzten Kapitel widmet sich das Büchlein noch – etwas themenfremd, aber trotzdem interessant – der Meth-Herstellung, bevor es dann ein wenig unvermittelt, ohne echtes abschließendes Kapitel lapidar mit dem Wort Ende endet.

Ein nettes Lesevergnügen für den, der die alte Schrift zu lesen vermag, denn die Neuauflage etwa aus den neunziger Jahren (eine genaue Angabe fehlt im Buch) ist ein naturgetreuer Nachdruck, keine Abschrift.

Der vollkommene Bierbrauer
oder
kurzer Unterricht, alle Arten Biere zu brauen
wie auch verdorbene Biere wieder gut zu machen
Carl Wendlern
Frankfurt und Leipzig, 1784
Nachdruck
Reprint-Verlag-Leipzig
Holzminden
ISBN 3-8262-0201-5

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