Reklame?*
Ein bisschen amüsiere ich mich ja manchmal schon, wenn mich Pressemitteilungen erreichen. Sie sind oft so berechenbar und schablonenhaft in ihren Darstellungen, dass man schon nach wenigen Sätzen die eigentlich gute Absicht erkennt, aber auch rasch merkt, dass das Produkt, das beworben wird, gar nicht so richtig anders ist. Gut bestimmt, aber eben nichts wirklich Besonderes.
In der Bierszene können wir das gut beobachten. Es gibt die althergebrachten Traditionsbrauereien, an denen jeder Trend abprallt. Sie machen ihr eigenes Ding, immer schon das gleiche, hoffentlich gute Bier, und basta. Manchmal könnte man den Eindruck bekommen, sie läsen weder Zeitung noch verfolgten sie in den Social Media die Entwicklung in der Bierszene.
Dann gibt es die Innovativen. Die Kreativbrauer. Die Experimentalbrauer. Die Provokateure. Alles, was sich in Küche, Garten oder Feinkostgeschäft findet, wird mit verbraut. Neue, experimentelle Biere allerorten. Oft auch in der Verirrung groß; manchmal aber genial. Zu diesem Ansatz gehört Mut.
Und dann bleiben die Unentschlossenen. Die, die gerne mitmachen würden, aber nur ein bisschen. Die, die sich nicht so richtig trauen. In der Schule haben wir sie die Schisser genannt. Nicht ausreichend in sich selbst ruhend, um die provozierenden, übermütigen Rowdys zu ignorieren, aber auch zu feige, bei deren übermütigem Tun mitzumischen.
Wir finden so etwas auch in der Bierszene. „Mensch, da tut sich was in der Bierszene“, sagt der Unternehmensberater, ohne so richtig zu verstehen, was er da beobachtet. „Lasst uns mitmachen, da öffnet sich vielleicht eine Goldgrube!“ Aufspringen auf den Bandwaggon, um auch etwas zu profitieren.
„Aber halt, nicht so übermütig, bitte! Nur ein bisschen!“
Und dann bringen kleine, mittelständische, manchmal aber auch große Brauereien ganz vorsichtig ein „revolutionäres“ Bier heraus. Ungefiltert. Naturtrüb. Sensationell! Etwas ganz Neues! So, wie Veltins mit dem Grevensteiner oder Paulaner mit dem Zwickel. Als „besonders“, „sensationell“ oder gar „revolutionär“ empfindet das allerdings nur der, der die vergangenen zehn Jahre nicht hinterm Ofen vorgekommen ist.
Ob das beim Gustl Kellerbier der Bad Reichenhaller Alpenbrauerei auch so ist?
„Start ins große Jubiläumsjahr mit dem neuen ‚Gustl Kellerbier‘“, heißt es in der Überschrift der Pressemitteilung. Das bewährte Bayrisch Hell kommt nun auch ungefiltert auf den Markt. Bisher nur probehalber vom Fass erhältlich, kommt es jetzt in Flaschen daher. 4,9%, 20 Bittereinheiten, mit hell honiggelber Farbe, malzaromatischem, würzigem Geruch, wie es in der Pressemitteilung steht. Im Geschmack sehr ausgewogen und süffig mit einer malzigen Süße im Antrunk und einer dezent hefig-milden Bittere im Abgang.
Schön ist das, denn grundsätzlich ist jedes neue Bier auf dem Markt zu begrüßen. Aber ist es wirklich etwas so Besonderes? Das Portfolio der Brauerei umfasst mit dem Jahrgangsbier, dem Hellen Bock und dem Dunklen Doppelbock doch schon durchaus spannende Biere. Macht das Kellerbier da jetzt wirklich viel her?
Ach, vermutlich gibt es genügend Bierliebhaber in der Region, die damit zufrieden sind. Sollen sie auch. Mögen sie das Bier genießen, und ich werde, wenn ich das nächste Mal in der Region bin, mir sicherlich auch eine Flasche davon kaufen. Aber wieviel spannender wäre es doch gewesen, einen etwas größeren Schritt zu machen. Nicht gleich zu einem Double Sour Peat Smoked Red Bean Ale, aber vielleicht doch mal zu einem dezent, aber interessant gehopften Pale Ale?
Aber wer bin ich schon, hier Vorschläge machen zu wollen…
* Reklame? Es gibt immer wieder Diskussionen, ob die Beschreibung eines Artikels, zu dem ich eine Pressemitteilung zur Verfügung gestellt bekommen habe, Reklame ist. Im Zweifelsfall sollte ein Blogbeitrag daher entsprechend gekennzeichnet werden. Ich habe eine ausführliche Pressemitteilung zum Gustl Kellerbier bekommen, allerdings davon nur wenige Informationen genutzt. Der Rest dieses Blogbeitrags ist Meinung. Nicht Reklame.
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