Hält man das Buch über die Geschichte der Bracki Browar Zamkowy, die Brüder-Schlossbrauerei, in Cieszyn in den Händen, das 2005 erschienen ist, so merkt man sofort, dass es sich hierbei um ein Dokument der Zeitgeschichte handelt. Und zwar weniger wegen seines Inhalts, der ist natürlich wertvoll und beschreibt die Geschichte der Brauerei in hohem Detaillierungsgrad, sondern eher wegen seines Stils und seiner Aufmachung. Wer in dieser Zeit, den ersten Jahren des neuen Jahrhunderts, regelmäßig in Polen gewesen ist, dem wird nicht entgangen sein, wie sich viele Dinge im Detail gewandelt haben, teils in atemraubendem Tempo, teils in kleineren, aber dennoch recht rasch aufeinanderfolgenden Schritten, und das Buch dokumentiert dies ein wenig – merkt man ihm doch an, das es mitten in dieser Entwicklung erschienen ist.
Einerseits ist das Buch noch der alten, von mir oft als ein wenig schwulstig empfundenen Tradition verhaftet, auch noch die sachlichste Abhandlung mit mehr oder weniger gelungenen Gedichten und Versen von manchmal zu Recht in Vergessenheit geratenen Poeten zu schmücken und sich dadurch mühsam ein gewisses literarisches Niveau zu erringen. Das Vorwort bringt gleich an drei Stellen solche Dichtkunst, und auch der Rest des einleitenden Texts strotzt vor bewusst umständlichen Formulierungen, die für einen recht geringen Informationsgehalt viele Zeilen benötigen, herummäandrieren, gedankliche Schleifen drehen, komplexe und längst nicht mehr gebräuchliche grammatische Konstruktionen hervorkramen, nur um dann irgendwann einmal umständlich auf den Punkt zu kommen. Oder auch nicht.
Und dann folgen viele, viele Seiten Text. Details aus der Geschichte der Brauerei, aus einem, wie das umfangreiche Literaturverzeichnis zeigt, gewaltigen Quellenfundus zusammengetragen, wenn auch nicht sauber dokumentiert und zitiert. Und mittendrin, nicht nur wie zufällig zwischen den Seiten 80 und 81, sondern sogar mitten im Kapitel Spory o szynk w Uchylanach, ja, mitten in einem Satz dieses Kapitels gar, eingeschoben, insgesamt sechzehn Bilderseiten. Farbige Abbildungen auf hochwertigem Papier, die Seiten separat von I bis XVI durchnummeriert. Schöne Abbildungen, aber ohne Bezug zum Text, der Leser blättert vor und zurück und versucht verzweifelt, Wort und Bild in einen Zusammenhang zu bringen.
Wie oft habe ich während meines Studiums in Warschau Ende der Neunziger Jahre diese Unart verflucht, Bücher nicht sauber aufzubereiten und zu strukturieren, keine Quellenangaben zu verwenden, klare Strukturen des Textes vermissen zu lassen und dem Leser das geballte Wissen ungeordnet um die Ohren zu schlagen.
Andererseits weist das Buch aber auch schon in die Zukunft. Ordentliches, weißes Papier statt des in Zeiten des Sozialismus weit verbreiteten holzigen, gelblichen, rasch vergilbenden Papiers. Die Farbfotos in hoher Qualität, auf bestem, gestrichenem Papier. Der Umschlag zwar noch ein wenig altmodisch gestaltet, aber in bester Druckqualität und hochglanzversiegelt.
Ein Buch im Übergang. Noch kein vollausgestatteter Bildband, aber auch kein unlesbares Textgebirge mehr.
Abgesehen von ein paar unnötig detaillierten Auflistungen – wer interessiert sich wirklich für eine zwei Seiten lange Tabelle, die exakt auflistet, welcher Kunde im März 1804 wieviel Achtel, Eimer oder Töpfe Bier geliefert bekommen hat? – ist das Buch gut lesbar, erfreut mit der einen oder anderen eingestreuten Anekdote und liefert eine Menge an manchmal sogar spannender Information.
Seit seiner Herausgabe 2005 hat sich in der Bracki Browar Zamkowy viel verändert. Sie hat ihren rechtlichen Status innerhalb des Braukonzerns Grupa Żywiec geändert und heißt nun auch anders: Zamkowy Browar Cieszyn, Schlossbrauerei Cieszyn.
Zeit wäre es also für eine Neuauflage, für eine Fortschreibung, und schön wäre es, wenn dabei Bild und Text besser aufeinander abgestimmt würden und insbesondere eine qualitativ bessere, haltbare Bindetechnik angewandt würde.
Ryszard Kincel
Od Mastnego do Brackiego
z dziejów piwowarstwa cieszyńskiego
Bracki Browar Zamkowy
Cieszyn 2005
ISBN k.A.
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