Zürich. Angekommen am Hauptbahnhof, und es öffnet sich ein Zeitfenster von zweieinhalb Stunden.
Eigentlich haben wir es vorher gewusst, die Reise war von langer Hand geplant. Insofern schaut mich meine holde Ehefrau erwartungsvoll an: „In welche Bierbar gehen wir denn jetzt, um die Zeit zu überbrücken?“
Peinlich berührt muss ich ihr gestehen, dass ich diesmal aber sowas von überhaupt keine Vorsorge getroffen habe, und ziehe mein schlaues Telefon aus der Tasche. „Ich glaub‘ es nicht“, höre ich sie noch sagen, bevor ich tief in Onkel Googles Universum abtauche. Es ist Sonnabendnachmittag, und da ist es mit den Öffnungszeiten so eine Sache. Hier macht man die Bar erst abends auf, dort ist die Brauerei nur an Werktagen geöffnet, und an dritter Stelle ist nur mittags und abends geöffnet, nachmittags aber Pause.
„Hunger hätte ich übrigens auch gerne“, schlägt sich meine Gattin auf die Seite des Problems und verkompliziert die Suche. Aber nach ein paar Mal klicken, wischen und drücken steht fest: Wir laufen jetzt eine Viertelstunde oder zwanzig Minuten durch die pralle Sonne, und dann gibt’s Bier und Burger, und zwar im Korner – Gourmet Burger Restaurant & Craft Beer Bar.
Zum Glück führt der Weg am idyllisch dahinfließenden Schanzengraben entlang und ist nicht halb so langweilig und heiß wie befürchtet. Noch ein paar Schritte querab, und dann sind wir da. Ein Eckhaus, unauffällig, nur die kleine, schwarze Tafel vor dem Eingang lockt mit Gourmet Burgers & Craft Beer. Gerettet. Erwartungshaltung gerade noch einmal erfüllt.
Das Interieur ist eine seltsame Mischung aus alt und neu, aber die großen, fast schon antiken Reisekoffer, die als Dekoration im Eingangsbereich stehen, sprechen uns an – als Vielreisende reagieren wir auf gewisse Schlüsselreize durchaus positiv.
Die beiden Damen im Service geben sich freundlich und effizient und geben Tipps, welche Gerichte uns wohl schmecken würden. Die Bierkarte ist nicht übermäßig lang, die habe ich schnell durchgeblättert, bin aber trotzdem recht zufrieden mit dem Angebot. Ein paar (wenige) Fassbiere, einige Flaschenbiere. Ein breites Spektrum an Bierstilen, und produziert von (meistens) kleinen Schweizer Brauereien. Und so steht dem unbeschwerten Biergenuss nur die Hitze entgegen, die nämlich alles ausschließt, was durch gewaltige Fülle und hohen Alkoholgehalt überzeugen könnte und würde. Selbst das Single Hop Citra IPA vom Brausyndikat, das ich mir schließlich bestelle, ist mit 6,9% eigentlich viel zu stark.
Aber schmackhaft. Schöne hopfige Aromen in der Nase und auf der Zunge, ein kräftiger Körper und ein kerniger Abgang – das passt schon. Insbesondere zu den appetitlich arrangierten und sehr schmackhaften Scotch Eggs. Wenn doch nur die Sonne nicht so brennen würde. Anfang Juni, und wir werden schon gegrillt. Da hilft es auch nichts, wenn die Kellnerinnen Fenster und Türen weit aufreißen und für Durchzug sorgen. Heißes Essen und kräftiges Bier fordern ihren Tribut und lassen mir den Schweiß auf der Stirn stehen.
Ein Blick auf die Uhr sagt zum Glück: Für ein Bier ist definitiv noch Zeit. Ein wenig Abkühlung von innen, bitte sehr. Aber nicht über fünf Prozent, und so fällt die Wahl auf das Proper American Pilzzner namens Johnny Knoxxxville, ebenfalls vom Brausyndikat. 4,7%. Deutlich angemessener als das IPA eben. Allerdings nicht vom Fass, sondern aus der Flasche, was aber überhaupt kein Problem darstellt.
Leicht hopfig, schön erfrischend – ein Bier, das sich für beides eignet: Für das bewusste und langsame Trinken, bei dem die Zunge und die Nase den Hopfenaromen hinterherspüren und sich eine Weile allein beschäftigen können, aber gerne auch für den Gebrauch als Spülbier, um mal schnell den Durst zu löschen und die Zunge wieder frei zu spülen.
Ich wähle zunächst die erste Option, schmecke so vor mich hin, werde dann aber vom vorwurfsvollen Blick auf die Uhr dazu gedrängt, den Betriebsmodus zu ändern. „Der Zug wartet nicht auf uns!“ Insofern verschwindet die zweite Hälfte der Flasche genauso blitzschnell in meinem Hals, wie die Bedienung die Kreditkarte über das Lesegerät wedelt. Was den Vorteil hat, dass mir die gediegenen Schweizer Preise erst so richtig bewusstwerden, als wir tatsächlich schon wieder im Zug sitzen.
Gutes Essen, gute Biere, guter Service und astronomische Preise – so könnte die Zusammenfassung des heutigen Besuchs also lauten. Angesichts des Preisniveaus ist allerdings das beispielsweise in Berlin so beliebte Cornern trotz der Namensähnlichkeit hier keine echte Option…
Korner – Gourmet Burger Restaurant & Craft Beer Bar ist montags bis mittwochs von 11:30 bis 13:30 Uhr und von 17:30 bis 21:30 Uhr geöffnet; donnerstags bis sonnabends durchgehend von 11:30 bis 22:00 Uhr. Sonntags ist zu. Man kann vom Hauptbahnhof aus laufen, aber die Straßenbahnen der Linien 2, 8, 9 und 11 halten an der Stockergasse, und von dort sind es nur ein paar Schritte.
Korner – Gourmet Burger Restaurant & Craft Beer Bar
Gartenstrasse 10
8002 Zürich
Schweiz
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